© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/10 08. Januar 2010

Krieg ist eigentlich immer
Mühlmann bemüht Darwin
Holger von Dobeneck

Der Buchtitel, der wie eine willkürliche  begriffliche Zusammenstellung aussieht, folgt in Wirklichkeit einem sinnvollen Kulturmuster – wobei in der hermetischen Begrifflichkeit Sloterdijkscher Terminologie Kultur unter der Perspektive von dessen engem Gesinnungsgenossen Heiner Mühlmann unter Natur zu subsumieren wäre, denn sie stellt die eigentliche Natur des vergesellschafteten Menschen dar. Kulturen proben stets den Ernstfall, das ist nach Mühlmann die kriegerische  Auseinandersetzung. Dazu müssen sie sich probehalber unter Streß setzen. Nach gelungener Auseinandersetzung setzt dann die Darwinsche Auslese ein, und die erfolgreichen Kollektive sichern ihr Überleben.

Nach dem US-Militärtheoretiker Edward Luttwak haben Kriege stets eine geoökonomische Perspektive – was unter der Schwelle des Krieges bloßes Konkurrenzverhalten der Staaten ist, kann auch als Wirtschaftskrieg inszeniert werden. Mühlmann kommt so zu dem für viele sehr betrüblichen Resümee, daß die Natur der kollektiven Kultur eben bellizistisch ist und sich nicht unter das pazifistische Leitbild einer reinen Friedenskultur zwingen läßt.

Deshalb braucht naturgemäß jeder Staat Soldaten. Die Amerikaner begreifen ihre Wirtschaft und ihr Militär als geoökonomische Einheit, die beide dem Interesse der Nation dienen. Damit sehen sie sich in einem umfassenden Informationskrieg, der in der Cybersphäre geführt wird. Sie nennen ihr geostationäres Aufklärungssystem als das System der Systeme, und dieses kann nach Mühlmann durch die Verbündeten nicht mehr eingeholt werden. Somit werden die Europäer nur noch zu untergeordneten Vasallen. Amerika besitzt das strategische Monopol der westlichen Kultur.

Diese Situation erinnert an die Arbeitsteilung der Konsumgüterindustrie. Das Design kommt aus dem Westen, die Produkte werden in der Dritten Welt hergestellt .Daher kommt auch Heiner Mühlmann ähnlich Carl Schmitt zu dem Ergebnis, daß das Wesen der Politik dem Kriege naheliegt und in einem grundsätzlichen Freund/Feind-Verhältnis begründet ist. Deshalb kann das Wesen des Politischen nicht durch einen liberalen Rationalismus erfaßt werden. Der Bürger sieht sich zu der unwillkommenen Erkenntnis geführt, daß das Politische mit einer feindseligen Dimension versehen ist, die ständig mit einer Wiederkehr des Krieges rechnen muß. Somit folgt Kultur einem naturanalogen darwinistischen Prinzip.

Heiner Mühlmann: Darwin – Kalter Krieg – Weltwirtschaftskrieg. Das Aussterben des amerikanischen Imperiums. Wilhelm Fink Verlag, München 2009, broschiert, 89 Seiten, 14,90 Euro

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