© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/10 15. Januar 2010

Bülent Çiftlik. Der SPD-Politiker steht im Verdacht krummer Geschäfte
Der Absteiger
Michael Johnschwager

Sein Absturz ist wirklich brutal“, kommentierte jüngst ein Parteifreund – und er folgt nicht einmal zwei Jahre nach seinem kometenhaften Aufstieg: Bei der Hamburger Bürgerschaftswahl im Februar 2008 war Bülent Çiftlik (ciftlik.de) zum Politaufsteiger des Jahres geworden, die Bild-Zeitung rief den Vorzeige-Türken ob seines Triumphs – wohl unvermeidlich – gar zum „Obama von Altona“ aus.

Doch ebendieses Mandat läßt Çiftlik nun ruhen. Denn nach monatelangen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen ihn erhoben: Sie wirft ihm vor, er habe eine frühere Freundin veranlaßt, eine Scheinehe mit einem Landsmann einzugehen, und so dessen Aufenthaltstitel erschlichen. Doch nicht nur das, laut Anklage soll Çiftlik für seine Dienste Geld genommen haben. Zunächst war von 3.000 Euro die Rede, insgesamt sollen gar mehr als 16.000 Euro geflossen sein – mit denen er seinen Wahlkampf finanzierte. Çiftlik bestreitet die Vorwürfe, die nun seine Bilderbuchkarriere zu zerstören drohen.

1972 wird der Sohn türkischer Einwanderer in Hamburg geboren. Dort und in den USA studiert er Politische Wissenschaften, sammelt in dieser Zeit Erfahrungen im US-Wahlkampf. Ab 2001 arbeitet er dann als politischer Referent für die Hamburger SPD, 2004 wird sein Engagement von den Elb-Genossen mit dem Posten des Pressesprechers belohnt. Obwohl er 2008 nur auf Listenplatz vier steht, kann er durch einen Wahlkampf mit Verve und persönlichem Einsatz im von zahlreichen seiner Landsleute bewohnten Altona einen Überraschungssieg erringen und in die Bürgerschaft einziehen. Sein Erfolg scheint perfekt.

Als aber dann im Mai 2009 die Scheinehe-Vorwürfe durchsickern, tut Çiftlik sie zunächst als „völlig haltlos“ ab. Gegen die Beschlagnahme von Computer-Dateien legt er Einspruch ein, verzichtet auf seine parlamentarische Immunität und läßt sich als Parteisprecher beurlauben. Mit dem neuen Parteichef Olaf Scholz verständigt er sich im Dezember jedoch darauf, den Posten des Sprechers endgültig aufzugeben.

Der Fall ruft zudem Erinnerungen wach, denn bereits 2007 hat Çiftlik für Irritation bei den Genossen gesorgt. Diese wollten damals per interner Wahl ihren Bürgermeister-Kandidaten bestimmen. Der Verbleib einer Wahlurne mit etwa 1.000 Stimmen konnte allerdings ebenso wenig geklärt werden wie der Ort, an dem sich Çiftlik aufhielt, als sich der Stimmenklau ereignete – er hatte widersprüchliche Aussagen dazu gemacht.

Den neuerlichen Vorwürfen entkommt er allerdings nicht. Entschieden ist jedoch noch nichts, immerhin steht sein Kreisverband hinter ihm. Doch zahlreiche Genossen sind auf Abstand gegangen oder halten sich bedeckt. Mit dem Beginn der Verhandlung wird nicht vor April gerechnet, und bis zur rechtskräftigen Verurteilung muß die Unschuldsvermutung gelten. Doch Çiftliks kometenhafter Aufstieg scheint in einem unabwendbaren Abstieg auf Raten zu enden.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen