© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/10 15. Januar 2010

Ein Herz für Sozialisten
Kirche: Im „Kampf gegen Rechts“ ist die Evangelische Kirche aktiv, doch die Abgrenzung zum Linksextremismus ist häufig mangelhaft
Christian Vollradt

Wir beklagen sowohl rechtsextreme Einstellungen bei Gliedern unserer Kirchgemeinden als auch zunehmende antichristliche Ressentiments von seiten Rechtsextremer“, heißt es in einem Beschluß der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vom 29. Oktober 2009. Aus diesem Grund unterstütze das Kirchenparlament alle „zivilgesellschaftlichen Initiativen, die sich offensiv mit rassistischen und antisemitischen Einstellungen und rechtsextremen Strukturen auseinandersetzen“.

Solche Töne sind nicht neu. Landauf, landab schließen sich protestantische Gemeinden bevorzugt Aufrufen „gegen Rechts“ an, selbst wenn solche Initiativen auch von gewaltbereiten „Antifaschisten“ mitgetragen werden. Eine neue Nuance erhält dieses Engagement höchstens durch die Ankündigung, mit Blick auf Mitgliedschaftsfragen „eine Prüfung der kirchenrechtlichen Konsequenzen“ vorzunehmen und die „theologischen Grundlagen in der Auseinandersetzung mit rassistischen, antisemitischen und menschenfeindlichen Überzeugungen“ zu vertiefen. Im Klartext: Wer rechtsextreme Positionen vertritt, kann von kirchlichen Ämtern oder gar von der Teilnahme am Abendmahl ausgeschlossen werden. Grundsätzlich gilt für kirchliche Amtsträger – vor allem für ordinierte Pfarrer – wie für Beamte eine Mäßigungspflicht, die auch das Leben außerhalb der Arbeitszeit betrifft.

Am 1. September 2005 hatte die EKD eine neue „Loyalitätsrichtlinie“ für die Mitarbeiter in Kirche und Diakonie erlassen. Demnach dürfen Beschäftigte keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Kirche hervorrufen. Das schließe ihre Zugehörigkeit zu einer rechts- oder linksextremen Gruppierung aus. Damals hieß es noch aus dem für Arbeitsrecht zuständigen EKD-Referat, mit einem solchen Verfahren müßten auch Pfarrer rechnen, die sich für die Linkspartei engagierten. Ein Jahr zuvor hatte der damalige Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, in einem Gespräch mit dem Neuen Deutschland eine Abgrenzung sowohl gegenüber Rechts- als auch Linksaußen gefordert: „Ein Pfarrer kann nach meinem Verständnis weder NPD- noch PDS-Mitglied sein. Die NPD ist totalitär, fremdenfeindlich, zum Teil antisemitisch, die PDS hat kein Verständnis für Religion und freie Religionsausübung.“ Die Sanktionspraxis sieht indes häufig anders aus.

 Seit Juni 2009 sitzt der evangelische Pfarrer Jürgen Klute für die Linkspartei im Europäischen Parlament. Der nord­rhein-westfälische Spitzenkandidat war zuvor als Sozialpfarrer an der Evangelischen Stadtakademie in Bochum tätig. Daß die Partei vom Verfassungsschutz wegen „Anhaltspunkten“ für linksextremistische Bestrebungen beobachtet wird, scheint für Klutes Arbeitgeber ebensowenig problematisch zu sein wie die Tatsache, daß sich im April 2009 Landesvorstandsmitglied Andrej Hunko mit der Forderung nach „sozialen Unruhen in Deutschland“ zu Wort gemeldet hatte.

Ein Jahr zuvor hatte die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Bayern ihre Toleranz gegenüber dem Engagement eines Pfarrers für die Linkspartei noch mit dem Hinweis begründet, der Betreffende kandidiere nicht für ein politisches Wahlamt, sondern habe nur einen Kreisverband der Partei mitbegründet. Der bayerische Arbeitskreis Bekennender Christen hatte bereits damals die Kirchenleitung öffentlich dazu aufgefordert, „die eingeübte Achtsamkeit gegenüber politischen Extrempositionen am rechten Rand“ auch auf das extrem linke Spektrum zu erweitern.

Bei der niedersächsischen Kommunalwahl 2006 zog der evangelische Krankenhauspfarrer Helmhard Ungerer für die „GöLinke“, ein Bündnis der damals noch nicht vereinten PDS und WASG mit der DKP sowie einer „Antifaschistischen Liste“, in den Rat der Stadt Göttingen ein.

Die Erfurter Pröpstin Elfried Begrich hatte im Januar 2006 beim Jahresempfang der Linkspartei im Erfurter Augustinerkloster die Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Sozialisten etwa „in der Friedensarbeit, bei der Bekämpfung des Antisemitismus und in sozialen Fragen“ betont. Außerdem zitierte sie zustimmend den Ausspruch, wonach „ein Sozialist Christ sein könne und ein Christ Sozialist sein müsse“. Die damalige Föderation evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland bedauerte zwar die Äußerungen, durch die der Eindruck entstanden sei, die Kirchen hätten die Opfer kommunistischer Regimes vergessen.

Nur selten spürbare Sanktionen

Andererseits wurde Begrich in einer Stellungnahme gegen „persönliche Verunglimpfungen“ in Schutz genommen. Gut zwei Jahre später nannte die Pröpstin in einem Interview des DKP-Parteiorgans Unsere Zeit den Jubel über den Untergang der DDR „falsch und moralisch unberechtigt“. Die Theologin wies darauf hin, daß in anderen Teilen der Welt der Sozialismus funktioniere und man den Blick „über das kleine Versuchsprojekt DDR“ hinaus erheben müsse. Den Äußerungen folgte lediglich „ein klärendes Gespräch“ mit dem zuständigen Landesbischof Axel Noack. Der gestand Bergrich ausdrücklich das Recht zu, „Sachen sagen zu können, die nicht dem Mainstream entsprechen“.

Die „Erfurter Erklärung“, in der 1997 für ein Linksbündnis unter Einschluß der PDS plädiert worden war, wurde von mindestens sieben Pfarrern beziehungsweise evangelischen Theologen unterzeichnet, darunter der prominente linke DDR-Bürgerrechtler Friedrich

Schorlemmer, der frühere Erfurter Probst Heino Falcke und der Heidelberger Theologieprofessor Ulrich Duchrow. Duchrow, zeitweilig Beauftragter für Mission und Ökumene der badischen Landeskirche, hatte auch einen 2006 in der Zeitschrift Sozialisten erschienenen Aufruf zur Vereinigung von WASG und PDS unterzeichnet, wiederum in Gesellschaft anderer Theologen, darunter vier Pfarrer im Ruhestand. Darin war unter anderem vom „solidarischen Miteinander“ von „Kommunisten“ und „religiösen Linken“ die Rede.

Nur selten kam es zu spürbaren Sanktionen wie etwa im Fall des Pfarrers Dietrich Kuessner aus der Braunschweigischen Landeskirche. Der hatte bei der Bundestagswahl 1998 für die PDS kandidiert und mit „provokanten Sex-Plakaten“ für Aufregung gesorgt. Ein Wahlplakat des homosexuellen Theologen zeigte zwei Männer beim Liebesspiel und den Slogan „Gemeinsam-zärtlich-radikal/Beim ersten Mal/PDS Küssner“.  Der zuständige Pröpstekonvent bezeichnete das Plakatmotiv als „mit dem Ordinationsgelübde unvereinbar“. Kuessner wurde daraufhin im Oktober 1998 vorläufig dienstenthoben. Die Kirchenleitung strengte wegen des Plakatmotivs und aus politischen Gründen ein Disziplinarverfahren gegen Kuessner an. Der 1999 aus Altersgründen pensionierte Pfarrer wurde schließlich zu einer Geldbuße in Höhe eines fünfstelligen Betrages verurteilt.

In einem am 21. Dezember 2009 veröffentlichten Gespräch mit dem „Netz gegen Nazis“ nannte der Pressesprecher der EKD, Reinhard Mawick, den Kampf gegen Rassismus ein „urkirchliches“ Thema. Rechtsextreme seien „antichristlich und greifen die Kirche an“. Es sei daher „wichtig und folgerichtig, daß Christen sich dagegen aktiv positionieren“. Zwar gebe es „natürlich auch linksextreme Gewalt, die auch nicht gut ist“, aber diese wende sich „nicht gegen Menschen und nicht gegen die Kirche“ und sei deswegen „nicht unsere Priorität“. Dabei hatte der Kirchensprecher offenbar übersehen, daß unweit des Sitzes der EKD in Hannover am zweiten Advent die Polizei eine widerrechtliche Besetzung der Neustädter Hof- und Stadtkirche durch eine Gruppe Linksextremer beenden mußte. Wie in den Jahren zuvor hatten „Antimilitaristen“ mehrfach Veranstaltungen und Gottesdienste der Gemeinde lautstark gestört, um gegen ein traditionelles Adventskonzert der Bundeswehr für Soldaten und ihre Familien zu protestieren.

In einem Atemzug mit solchen Verharmlosungen ist auch eine Broschüre der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsen unter dem Titel „Nächstenliebe verlangt Klarheit“ zu nennen, in der die „Öffentlichkeitsarbeit von verschiedenen antifaschistischen Initiativen“ gelobt wird (JF 8/09). Denn der „leider von ‘Autonomen’ teilweise auch gewaltsam geführte Kampf gegen rassistische Diskriminierung, soziale Benachteiligung, Militarisierung und Krieg“ entspreche den „Grundintentionen“ aller „Demokratinnen“, heißt es dort.

Foto: Rotgefärbte Kirche: Zusammenarbeit mit „Antifaschisten“

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