© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/10 15. Januar 2010

Trotz Widerständen zum Erfolg
Firmenpolitik: Kreativ und dynamisch – Unternehmer in Deutschland, die schöpferisch zerstören
Klaus Peter Krause

Man weiß: Schlechte Nachrichten verkaufen sich besser als gute. Die guten kommen also meist zu kurz – aber nicht in diesem Buch über die kreativen Zerstörer. Hier reiht sich eine Erfolgsgeschichte an die andere, also gute Geschichten am laufenden Band – gute und erfolgreiche jedenfalls für die Zerstörer sowie für deren Kundschaft, auch für die Wirtschaft allgemein und damit für Land und Volk. Es sind Geschichten über 44 unternehmerische Menschen mit 42 Unternehmen.

Viele kennen den Arzneimittelversand DocMorris als Schrecken der herkömmlichen niedergelassenen deutschen Apotheken. Wenige haben aber von seinem Gründer Ralf Däinghaus gehört. Viele haben schon von dem Internet-Marktplatz für Gebrauchtwagen Autoscout24 als Umstürzler im Autohandel gehört. Nur wenige kennen die Namen der beiden Gründer, Nicola Carbonari und Nikolas Dešković. Viele kaufen das Erfrischungsgetränk Bionade, wenige kennen den Erfinder und Unternehmensgründer Peter Kowalsky.

Wie sie begannen, was sie wurden, was sie sind, das liest man in dem aktuellen Sammelband über die „Die kreativen Zerstörer der deutschen Wirtschaft“. Man wird über Heiner Kamps informiert, den anfänglichen Unruhestifter im Bäckerhandwerk, und seine Bäckereikette mit dem Backen im Laden – eine Kette, die sich schlicht mit dem Firmenschild Kamps begnügt. Arndt Kwiatkowski hat den Immobilienscout24 aufgebaut, Theo Müller sein Müllermilch-Imperium. Günter Fielmann wurde mit seinem Brillenangebot bekannt, daß Joachim Hunold der Mann war, der Air Berlin zum Erfolg führte, wissen hingegen nicht alle.

Sie und die übrigen 35 Gründer sowie die vielen anderen, die im Buch nicht genannt sind, haben die Entwicklung der Wirtschaft und damit auch der Wirtschaftsgeschichte ein gutes Stück mitgeprägt. Es sind Gestalten, die Gestalter sind. Es sind Akteure, die man – nach dem französischen Wort für Unternehmer – auch Entrepreneure nennt. Es sind Menschen, die Unternehmergeist verkörpern, die für das wirtschaftliche Geschehen die notwendige Antriebskraft liefern, die eine ganze Branche „aufmischen“, die im Teig einer jeden Volkswirtschaft die gärende Hefe sind und die mit ihren Innovationen für Entwicklungsschübe sorgen, kurz: die dynamischen Unternehmer. Sie stoßen üblicherweise auf Widerstand und kommen dennoch zum Erfolg.

Selten wird das Wort eines Ökonomen zu einem geflügelten Wort. Dem großen Ökonomen Joseph A. Schumpeter (1883–1950) ist das mit dem Begriff der creative destruction aus seinem Buch „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ von 1911/1926 gelungen. Das Zerstörerische bekommt in diesem Fall einen positiven Klang, weil es in schöpferischer Weise an die Stelle des Zerstörten Besseres setzt. Wie der Begriff „Anmaßung von Wissen“ mit Friedrich A. von Hayek verbunden ist, so ist es das Wort von der „schöpferischen Zerstörung“ mit Schumpeter.

Wichtige Triebfedern für wirtschaftlichen Aufschwung

Unzeitgemäße Unternehmen und überkommene Wirtschaftsstrukturen werden in die Hintergrund geschoben, werden verdrängt. Neue Güter ersetzen alte, neue Produktions- oder Handelsstrukturen treten an die Stelle alter Verfahren.

Auch die heute so gängigen Begriffe „dynamische Unternehmer“ und „Innovation“ gehen auf Schumpeter zurück. Das Dynamische kennzeichnet derartige Unternehmer als kraftvolle Triebfedern für wirtschaftlichen Aufschwung in einem Unternehmen, einer Branche, einer Volkswirtschaft. Und Innovation heißt Erneuerung. Ein Kapitel in Schumpeters Buch „Business Cycles“ von 1939 trägt die Überschrift „Theorie der Innovation“. Mit der deutschsprachigen Ausgabe des Buches 1961 zog der Begriff auch in den deutschen Sprachgebrauch ein. Innovation bedeutet Erfindungen anwenden, Ideen in die Tat umsetzen: in neue Produkte, in neue Dienstleistungen oder in neue Verfahren. Die im Buch vorgestellten Unternehmer mit den von ihnen geschaffenen Unternehmen verkörpern all diese Begriffe ebenso wie jenen von der „schöpferischen Zerstörung“.

Schumpeter habe die Entrepreneure als Helden beschrieben, schreibt Herausgeber Nikolaus Förster in seiner Einführung: „David gegen Goliath, Gut gegen Böse. Das sehen nicht alle so, vor allem nicht die, die zu den Verlierern gehören, die lange spöttisch auf die Newcomer heruntergeschaut haben – bis es zu spät war.“

Dann folgen die Porträts als Kernstück des Buches, jedes mit einem Foto des beschriebenen Entrepreneurs bebildert. Sie sind zuvor als Serie in der Financial Times Deutschland erschienen. Entsprechend journalistisch flott sind sie geschrieben, folglich leicht lesbar. Ihr Umfang von nur vier bis sechs Buchseiten überfordert die Lesergeduld nicht, im Gegenteil, man erführe gerne mehr, als geboten wird. Zuweilen fehlen in den Beiträgen Jahresangaben. Im Tageszeitungsartikel mögen sie entbehrlich gewesen sein, im Buch sind sie es nicht; hier hätten sie in die Texte nachträglich eingefügt werden sollen.

Anschließend geben David Schumacher und Hanna Grabbe einen Ausblick mit dem Titel „Die neuen Kombinierer“. Es folgen sechs Kommentare von Marion A. Weissenberg („Das Feuer des Kapitalismus“), Hermann Simon („Kampf gegen die Mehrheit“), Graham Horton („Von U-Booten und Stinktieren“), Horst Hanusch („Schumpeter lebt“), Harald Hungenberg, Andreas König und Albert Enders („Anleitung zur Zerstörung“) sowie Christoph Meinel („Die Mauer muß weg“). Alle sechs umkreisen Schumpeters Gedanken von der schöpferischen Zerstörung aus unterschiedlicher Sichtweise. Eine Biographie Schumpeters von Constantin Gillies schließt das Buch ab. Aber gemessen an seinem bewegten und wechselvollen Leben ist sie nur bruchstückhaft. Kleine Filme auf der beiliegenden DVD zeigen die Akteure in Bewegung.

In seinem Buch „Capitalism, Socialism and Democracy“ (1942) stellte Schumpeter die These auf, der Kapitalismus werde an seinem eigenen Erfolg  zugrunde gehen. Es entstehe eine neue Schicht aus Intellektuellen, Bürokraten, Professoren und Journalisten, die von den Früchten des Kapitalismus lebten. Damals klang das wohl abwegig – heute nicht mehr.

Nikolaus Förster (Hrsg.): Die kreativen Zerstörer der deutschen Wirtschaft. Wie Ideen Märkte verändern. Finanzbuch Verlag, München 2009, 290 Seiten, gebunden, 34,90 Euro

Foto: Firmengründer Günther Fielmann, Filiale in Berlin (o.): „David gegen Goliath, Gut gegen Böse“

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