© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/10 15. Januar 2010

Der konservativen Ökologie verpflichtet
Umweltpolitik: Die Herbert-Gruhl-Gesellschaft feierte ihr zehnjähriges Gründungsjubiläum
Volker König

Heute gleicht die Menschheit einem mächtigen Stau loser Stämme auf einem breiten Strom, kurz vor dem senkrechten Absturz. Noch geht es träge dahin, kurz vor dem Abgrund scheint der Strom noch zu zögern, die Stämme werden auch von schroffen Klippen noch einige Momente aufgehalten, um dann plötzlich in die Tiefe zu donnern.“ Mit diesen Worten umschrieb der Umweltpolitiker Herbert Gruhl (1921–1993) in seinem Spätwerk „Himmelfahrt ins Nichts“ die Situation der Menschheit im Jahr 1992.

In jenem Jahr setzte die Welt große Hoffnungen in die erste globale Umweltkonferenz in Rio de Janeiro. Diese endete ähnlich enttäuschend wie 2009 ihre Nachfolgerin in Kopenhagen (JF 1/10). Blindlings halten die Industriestaaten an der Chimäre des „ständigen wirtschaftlichen Wachstums“ fest, und ebenso geht das Bevölkerungswachstum in vielen Entwicklungsländern auf Kosten der Natur dramatisch weiter. Gruhl hätte sich heute in seiner pessimistischen „Schreckensbilanz unserer Politik“ absolut bestätigt gefühlt.

Gruhls Bücher sind vergriffen, sein Name droht in Vergessenheit zu geraten. Um dem gegenzusteuern, gründete sich am 19. Dezember 1999 die Herbert-Gruhl-Gesellschaft. Der 10. Jahrestag ihres Bestehens wurde nun im Rahmen eines Neujahrsempfangs in den Gründungsräumen in Hannover gefeiert.

Volker Kempf, Vorsitzender der Herbert-Gruhl-Gesellschaft, ließ in seiner Begrüßungsrede die zehnjährige Geschichte der Vereinigung Revue passieren. Er zog dabei auch Parallelen zwischen Gruhl und Friedrich Georg Jünger, der mit seinem Buch „Die Perfektion der Technik“ eine ähnliche Fortschrittskritik bereits 1946 vorweggenommen habe. Auch die geistigen Väter der sozialen Marktwirtschaft wie Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack hätten überraschend „grüne“ Ansätze gehabt, die von einer wirtschaftsliberal geprägten CDU allerdings nie begriffen wurden.

Von der Gründung bis 2004 bekleidete Heinz-Siegfried Strelow das Amt des Vorsitzenden der Gruhl-Gesellschaft, ein enger Vertrauter Herbert Gruhls aus den 1980er Jahren. Viele Mitglieder der Herbert-Gruhl-Gesellschaft gehören auch diesem Kreis der alten Weggefährten ihres Nestors an, der selbst einen bewegten politischen Weg hatte.

Als Umweltexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion von Helmut Kohl mit Ignoranz gestraft, verließ Gruhl 1977 die Union, um eine eigene öko-konservative Partei zu gründen, die Grüne Aktion Zukunft (GAZ), die sich in die entstehenden Grünen einbrachte. Doch die Initiative kam zu spät, die alternativen Listen und Kader aus den K-Gruppen begannen die grüne Bewegung zu dominieren.

Herbert Gruhl selbst kehrte den Grünen 1981 den Rücken und gründete mit seinen GAZ-Weggefährten und norddeutschen Umweltschützern um den populären Biobauern Baldur Springmann die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), von der er sich aber ebenfalls 1990 resigniert abwandte. In den überparteilichen „Unabhängigen Ökologen Deutschlands“ scharten sich in den Folgejahren die Reste der konservativen Öko-Strömung. Aus deren Reihen wurde auch der Vorstoß unternommen, sich mittels einer wissenschaftlichen Gesellschaft der Pflege und Weiterführung des Gruhlschen Gedankenguts zu verpflichten.

Neben der Erinnerung an Herbert Gruhl will die ihm verpflichtete Gesellschaft auch Akzente in der aktuellen Umweltpolitik setzen. Dazu gehört vor allem, daß sie alle zwei Jahre einen Preis in Form einer goldenen Brosche auslobt, die den Planeten Erde darstellt. Damit ehrt sie Persönlichkeiten, die sich im Geiste Herbert Gruhls für ökologische Politik jenseits des überholten rechts-linken Lagerdenkens der Industriegesellschaft einsetzen. So wurden der CSU-Umweltexperte Josef Göppel (JF 40/03) ebenso wie der Grünen-Politiker Reinhard Loske oder der Vorsitzende der konservativ-ökologischen französischen Partei Mouvement Écologiste Indépendant, Antoine Waechter (JF 49/07), gewürdigt.

Für das Jubiläumstreffen war ein Überraschungsgast angekündigt worden. Als dieser stellte sich Rolf Stolz vor, der JF als langjähriger Autor bekannt. In der Gründerphase der Grünen gehörte Stolz ebenso wie Gruhl dem Bundesvorstand an, wo er den ehemaligen CDU-Umweltpolitiker als „knorrigen geradlinigen Mann“ erlebt habe, der von seinen Überzeugungen geleitet wurde, aber keine Ader für politisches Taktieren besaß. In diesem Wesenzug habe er sich grundlegend von Politikern wie Joschka Fischer oder Claudia Roth unterschieden.

Die Herbert-Gruhl-Gesellschaft im Internet: www.herbert-gruhl.de

Foto: Herbert Gruhl: Bewahrer

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