© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/10 15. Januar 2010

Die private Seite der Finanzkrise
Gerhard Baum prangert unseriöse Geschäftspraktiken der Finanzberaterzunft scharf an – Wunsch nach privater Vorsorge endete oft in Vermögensdisaster
Hans-Jürgen Hofrath

Etliche Seiten an Papier sind in den vergangenen Jahren in der Auseinandersetzung mit Ursachen und Auswirkungen der globalen Finanzkrise zwischen zwei Buchdeckel gepreßt worden.

Auch der vorliegende Band widmet sich diesem Thema – wobei sich zwangsläufig viel Bekanntes wiederholt. Gleichwohl liegt das zentrale Anliegen des Buches darin, bevorzugt die Perspektive des kleinen Anlegers respektive „Finanzverbrauchers“ und sein zerstörtes Vertrauen  in die Banken zu beleuchten. Dies geschieht mit dem Anspruch, Lehren nicht nur makro-ökonomischer Art zu ziehen, sondern darüber hinaus auch praktische Folgerungen primär für den Verbraucherschutz abzuleiten: ein nach Ansicht der Autoren – alle Verbraucheranwälte für Finanzdienstleistungen – bislang in der Debatte sträflich vernachlässigter Aspekt. Der ehemalige FDP-Innenminister Gerhart Baum ist wohl der prominenteste unter ihnen.      

So ist es den Verfassern zufolge ein ziemliches Unding, daß Kreditverkäufe ohne Wissen oder Zustimmung des Kreditnehmers sogar an Nichtbanken erfolgen konnten, die zudem dann oftmals – ohne daß der Kredit notleidend geworden ist – den Vertrag einfach aufkündigen. Des weiteren leide das Provisionssystem an völliger Intransparenz und – was wohl am wichtigsten ist: Die Beratungen sind mitnichten objektiv.

Daraus leiten die Praktiker den Vorschlag ab, nicht nur das qualifizierte Berufsbild eines Finanzberaters zu implementieren, sondern auch eine generelle Umstellung der Provisionssysteme mit dem Ziel einer produktunabhängigen Beratung. Mehr noch: Falschberatungen sollten die Einklagemöglichkeit von Schadenersatz bei Umkehr der Beweislast zur Folge haben – eine durchaus scharfe juristische Waffe. Immerhin wurden viele Anleger letztlich um nicht weniger als ihre Altersvorsorge geprellt.

Die Autoren kritisieren das Verfahren der sogenannten Zillmerung, eine Praxis, die den Rückkaufswert einer Lebensversicherung gerade in den Anfangsjahren durch oftmals hohe Verwaltungskosten empfindlich schmälert. Für bedenklich halten Baum und Co. des weiteren Garantiezertifikate oder fondsgebundene Lebensversicherungen, welche oftmals nicht das halten, was in Beratungsgesprächen und Werbung vorgegaukelt wird.

Kritik findet auch die eindeutig allzu „bankenfreundliche“ Jurisdiktion etwa des Bundesgerichtshofs – diese müsse ebenso eine Schwerpunktsetzung und Anpassung in Richtung Verbraucherschutz erfahren wie im übrigen auch die Praxis der Aufsichtsbehörden und die Ausgestaltung der Gesetzgebung. Denn es fehle an einer effektiven Normierung eines haftungsbewehrten Verbraucherschutzes.

Hilfreich wäre hier auch ein Hinweis auf die Sinnhaftigkeit strengerer Zulassungsregeln für den Vertrieb innovativer Finanzprodukte gewesen. Um auch der Anleger-Eigenverantwortung Rechnung zu tragen, wäre es denkbar, verpflichtende Seminare bzw. Unterschriften zur Bestätigung der Sachkenntnis vor dem Eingehen komplexer Finanzdeals zu fordern. Ebenso erwägenswert ist eine Ermöglichung von Sammelklagen.

Bezüglich der Forderung nach mehr Transparenz kann dem Autorentrio gleichwohl mit dem Verweis auf die zahlreich vorhandenen, oft auch seriösen Fachzeitschriften wie Finanztest, Euro oder Capital begegnet werden, die zumindest eine grobe Orientierung für jeden „Finanzverbraucher“ bieten.

Allerdings unterschätzen nicht nur die Autoren die prinzipielle Komplexität vieler Finanzanlagen, denn nicht selten befördern Medien einen falschen Hype. Man denke hier exemplarisch etwa an das zum Dotcom-Crash anno 2000 führende Anheizen der Spekulation. Im übrigen fanden sogar große Blätter wie die FAZ teils lobende Worte für die hochspekulativen Verbriefungsprodukte.

Letztlich – da ist dem Grundtenor des Buches zuzustimmen – kapriziert sich alle Hoffnung dann doch auf den qualifizierten und vor allem unabhängigen (dennoch aber fehlbaren) Finanzberater, welcher sich mit verschärften Haftungsregeln konfrontiert sieht.

Ob eine neue Transparenz nun allein hilft, Lehren aus der Krise zu ziehen, bleibt zunächst einmal dahingestellt. Aktuell ist zu konstatieren, daß im Bankensektor auch neuerlich wieder fleißig Verbriefungsprodukte aufgelegt werden. Ebenso wird sich erweisen müssen, inwieweit etwa die aktuell in den USA zu diesem Zweck installierte, eigenständige Verbraucherschutzbehörde für Finanzkunden hier nachhaltig Abhilfe zu schaffen oder gar als Blaupause für deutsche Verhältnisse zu dienen vermag. Einschlägige Pannen und Mängel wie etwa im Bereich der US-Börsenaufsicht SEC lassen zumindest Skepsis nicht unangebracht erscheinen.

Gerhart Baum, Julius Reiter, Olaf Methner: Abkassiert. Die skandalösen Methoden der Finanzbranche. Rowohlt Verlag, Reinbek 2009, gebunden, 256 Seiten, 16,90 Euro

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