© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/10 15. Januar 2010

Meldungen

Gutmenschliches zu den Benes-Dekreten

WIEN. Zuletzt hat Vaclav Klaus dann doch unterschrieben und das Vertragswerk von Lissabon in Kraft gesetzt. Skrupel hatte der tschechische Staatspräsident, weil er fürchtete, EU-Recht könne den Bestand der berüchtigten Beneš-Dekrete gefährden. Daß er bei seinem langwierigen Finassieren öffentlich eingestand, daß die Dekrete, die 1945/46 die Entrechtung, Beraubung und brutale Vertreibung von drei Millionen Sudetendeutschen „regelten“, mit der EU-Grundrechtscharta nicht vereinbar seien, sei zumindest ein symbolischer Sieg für die Vertriebenen, meint der Münchner Jurist Herbert Sernetz (Europäische Rundschau, 4/09). Der Konflikt bleibe jedoch ungelöst, weil sich in Prag aus Furcht vor Rückkehr- oder Restitutionsansprüchen niemand von diesem „Staatsverbrechen“ distanzieren wolle. Vermutlich dürfte sich nicht einmal jemand finden, der über Sernetz’ minimalistisch-gutmenschlichen Vorschlag zur „Aussöhnung“ auch nur zu einem Gespräch bereit wäre: Beide Kammern des tschechischen Parlaments sollten Sudetendeutsche zu einer Versammlung einladen, um die Beneš-Dekrete aufzuheben. Die Deutschen müßten die „gegenseitige Achtung“ pflegen und zuvor auf materielle Ansprüche verzichten.

 

Hochschulstreik: Im Griff der Ökonomisierung

BERLIN. Der langsam abgestorbene Hochschulstreik ist ausgegangen wie das Hornberger Schießen. Der einzige Ertrag, so der Münchner Universitätshistoriker Andreas C. Hofmann (Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, 12/09), sei das geschärfte Bewußtsein dafür, daß die „Ökonomisierung“ die deutschen Hochschulen im eisernen Griff halte. Den Preis für den „Bologna-Prozeß“, die Vereinheitlichung der europäischen Studiengänge nach US-Muster, müßten die Studenten in bislang ungeahnter Höhe entrichten: zum einen mit einer ökonomisch diktierten Qualitätsverschlechterung ihrer Abschlüsse. So bleibe den Bachelor-Absolventen der Zugang zum höheren Staatsdienst verschlossen. Zum zweiten mit der stärker eingeschränkten Möglichkeit zu einem individuell gestalteten Studium. Zum dritten mit sozial ungerechten Studiengebühren. Und zum vierten mit Stellenkürzungen zugunsten von Forschungsschwerpunkten der „Exzellenzinitiativen“. Ob diese Ökonomisierungstendenzen sich durchsetzen oder ob die Finanzkrise eine Umkehr erzwinge, dies, so Hofmann, bleibt nach dem Streik „offen“.

 

Erste Sätze

Kenntnis von Störungen hat von jeher Kenntnis des normalen Geschehens vermittelt.

Otto Klieneberger: Psyche und innere Sekretion, Halle 1927

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