© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/10 22. Januar 2010

Streit um Ernst Moritz Arndt
Gegen geistige Leibeigenschaft
Dieter Stein

Man könnte es als Provinzposse abtun, wenn es nicht in einen Gesamttrend paßte: den Streit um den Namenspatron der Universität Greifswald, Ernst Moritz Arndt. Verhängnisvollerweise erhielt die Universität diesen Namen drei Monate nach Hitlers Machtergreifung. Frei nach Johannes B. Kerner ist aber alles, was nach dem 30. Januar 1933 in Deutschland eingeführt wurde, „Autobahn“ und „geht gar nicht“. Seit längerem wird deshalb versucht, den Namen auszuradieren: in einer Kampagne, die nicht zufällig publizistisch von der Wochenzeitung Die Zeit befeuert wird, die Arndt „Franzosenhaß“ und Antisemitismus ankreidet und ihn schon mal als „Haßprediger“ verunglimpfte.

Ernst Moritz Arndt ist einer der herausragenden Schriftsteller und Denker der Befreiungskriege. Er steht an der Wiege des modernen deutschen Nationalstaats. Er hat entscheidenden Anteil an der Mobilisierung eines einigen deutschen Widerstands gegen die napoleonische Besatzung. In den Befreiungskriegen 1813 führte dieser Widerstand zum Sieg über den französischen Diktator, und es wurde der Grundstein für die deutsche Nationalbewegung gelegt, die die Kleinstaaterei überwand und über Wartburg- und Hambacher Fest in eine demokratische Freiheitsbewegung mündete. Daß diese Erinnerung verblaßt, wirft ein bedenkliches Licht auf das Geschichtsbewußtsein unserer Zeit. Statt dessen stünde es dem wiedervereinigten Deutschland gut zu Gesicht, sich zu einem wichtigen geistigen Ahnen seiner Staatlichkeit zu bekennen. Die DDR hatte dies übrigens erkannt: Sie versuchte sich der Tradition der Befreiungskriege zu bemächtigen und verlieh der Uni 1954 erneut den Namen.

Statt dessen regiert ausgerechnet im vereinigten Deutschland nach dem Untergang der DDR ein „unheimlicher Waschzwang“ (Reiner Gebhard) der Nachgeborenen. In einem pathologischen „Kampf gegen Rechts“, der zu einem „Kampf gegen das Deutsche“ eskaliert, soll alle nationale Tradition ausgelöscht werden. Welcher Name fällt als nächster? Luther? Bismarck? Stauffenberg?

Nun hatten Antifa-Musterknaben unter den Greifswalder Studenten (Jusos und Grüne) eine Gruppe „Uni ohne Arndt“ gegründet und für die Abschaffung des „umstrittenen“ Namens gefochten – selbstverständlich unter tosendem Beifall der „kritischen“ Feuilletons.

Die Westentaschen-Bonapartisten mußten jetzt demokratisches Lehrgeld bezahlen: Bei einer Urabstimmung votierte am vergangenen Freitag eine klare Mehrheit für die Beibehaltung des ehrwürdigen Namens. Und das bei einer für Studenten sensationellen Wahlbeteiligung von 23 Prozent!

Was wird folgen? Man wird wahrscheinlich den volkspädagogischen Eifer verdoppeln, notfalls die Sache wie bei der irischen Volksabstimmung über den Lissabonvertrag so lange wiederholen, bis das Ergebnis paßt. Ernst Moritz Arndt kämpfte in Pommern erfolgreich für die  Beseitigung der Leibeigenschaft der Bauern. Die Greifswalder Studenten folgen seiner Tradition, wenn sie sich gegen die geistige Leibeigenschaft der Political Correctness auflehnen.

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