© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/10 22. Januar 2010

Lüder Gerken. Wer ist der Mann, der hinter der EU-Kritik Roman Herzogs steckt?
Der Drachentöter
Michael Paulwitz

Lüder Gerken hat wieder zugeschlagen – mit einer Fundamentalkritik im FAZ-Seiten-Format am Brüsseler Zentralismus und Regulierungswahn. „Die EU schadet der Europa-Idee“, heißt der bemerkenswerte Aufsatz vom Freitag vergangener Woche: weil viel zuviel in EU-Zirkeln entschieden wird, was eigentlich Sache der Mitgliedstaaten wäre, weil das Subsidiaritätsprinzip durch Kompetenzanmaßung ausgehöhlt wird, weil nationale Regierungen und Parlamente das nicht unterbinden, sondern sogar noch fördern, um an ihren Völkern vorbeizuregieren, und weil die EU bei den Bürgern deshalb an Akzeptanz verliert.

Solche Generalangriffe auf eurokratische Drachenköpfe führt Lüder Gerken im Jahrestakt per FAZ- bzw. Welt-Aufsatz: „Stoppt den Europäischen Gerichtshof“ (2008), „Die EU gefährdet die parlamentarische Demokratie in Europa“ (2007), eine Grundsatzkritik der EU-Verfassung aus demselben Jahr oder eine Abrechnung mit dem sozialpolitischen Mißbrauch des Binnenmarkts sind nur einige Beispiele.

Der habilitierte Nationalökonom aus Bremen, Jahrgang 1958, hat die Freiburger Schule des Ordoliberalismus für das 21. Jahrhundert wiederbegründet. Ordnungspolitik im Sinne der Vordenker Walter Eucken und Friedrich August von Hayek heißt: Der Staat regelt den Wettbewerb und verhindert die Selbstzerstörung des freien Marktes durch Kartelle, aber er achtet die Freiheit der Marktakteure und mischt sich nicht in Einzelentscheidungen ein. Diese spezifisch deutsche Spielart des Liberalismus stand an der Wiege von Wirtschaftswunder und Sozialer Marktwirtschaft; Lüder Gerken hat ihre Denkweise auf die Ordnung des europäischen und internationalen Freihandels übertragen. Daß er oft als Koautor neben Alt-Bundespräsident Roman Herzog, Ex-EU-Binnenkommissar Frits Bolkestein oder beiden firmiert – zwei der prominenten Namen im Kuratorium der Stiftung Ordnungspolitik –, darf nicht täuschen: Als deren Vorstandsvorsitzender und Vorstand der ebenfalls 1999 geschaffenen Hayek-Stiftung ist Gerken Kopf und Feder dieser neuen Freiburger Schule.

Gerken ist exzellent vernetzt und wirkt durch wissenschaftliche Hintergrundarbeit in Stiftungen und Instituten oder als Kurator der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. 2006 übernahm er die Leitung des Centrums für Europäische Politik (www.cep.eu), der europapolitischen Denkfabrik der Stiftung Ordnungspolitik. Sein Ziel ist Europa als „freiheitliche supranationale Föderation“. Gerken ist ein EU-Reformer, der konkrete Wege weist, kein EU-Gegner – auch wenn er 2009 den Hayek-Preis an den tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Klaus verliehen hat. Regelmäßig verteilt Gerken etwa in Tageszeitungen wirtschafts- und europapolitische Ordnungsrufe, vom Glühbirnenverbot bis zur EU-Schnullerrichtlinie, vom Klimaschutz-Alleingang bis hin zur Staatsbürgschaft für Pleitefirmen. Nun fehlt nur noch ein neuer Ludwig Erhard, der Lüder Gerkens Erkenntnisse auch in die Tat umsetzt.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen