© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/10 22. Januar 2010

Rote Hilfe für den schwarzen Kontinent
Afrika: China ist die neue Entwicklungshoffnung für viele Regime / Unfairer Konkurrent des Westens oder bald neuer Kolonialherr?
Albrecht Rothache

Die Bundesregierung unterstützt die Demokratische Republik Kongo jährlich mit 150 Millionen Euro. Die Gelder fließen vorrangig in die Bereiche Gesundheits-, Wasserversorgung und Ressourcenschutz. Auch der Aufbau der kongolesischen Polizei und die Integration ehemaliger Kindersoldaten wird unterstützt“, teilte das Presse- und Informationsamt anläßlich der ersten Auslandsreise von Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) mit.

Die Volksrepublik China, bis 2009 noch selbst Empfänger deutscher Entwicklungshilfe, hat eine andere Afrikastrategie. Angesichts von etwa 800 Milliarden Dollar an US-Schuldverschreibungen in seinem Fremdwährungsschatz von 2,3 Billionen Dollar versucht es die Gunst der Finanzkrise zu nutzen und sich mit den schwindsüchtigen Dollarbündeln in die billiger gewordenen Rohstoffvorkommen einzukaufen. Bei der direkten Übernahme verschuldeter Rohstoffkonzerne wie Rio Tinto blitzten die chinesischen Staatskonzerne angesichts westlichen Mißtrauens bislang ab. Deshalb begann man bei Paria-Staaten wie Burma, Iran, Nordkorea, Simbabwe oder Sudan mit dem Zugriff durch die Hintertür.

Präsident Robert Mugabe erhielt für sein verarmtes Simbabwe eine Kreditlinie von 200 Millionen Dollar – im Gegenzug kann sich Peking mit Tabak, Chrom und Platin versorgen. Im Sudan erschloß China für drei Milliarden Dollar die Ölfelder, baute eine 1.500 Kilometer lange Pipeline zur Küste und modernisierte den Hafen von Port Sudan. Es errichtete einen neuen Präsidentenpalast und verkaufte Waffen für den Bürgerkrieg in Darfur. Dafür liefert der Sudan etwa zehn Prozent des chinesischen Ölimportbedarfs und tilgt damit seine Schulden.

Milliarden-Kredite ohne Fragen nach Menschenrechten

Das postmarxistische Regime des angolanischen Präsident José Eduardo dos Santos sollte endlich freie Wahlen abhalten, Korruption und Machtmißbrauch einschränken. Die westlichen Geber machten die – in dem von 27 Jahren Bürgerkrieg verwüsteten Land  dringend nötigen – Aufbauprojekte von entsprechenden Reformen abhängig. China dagegen offerierte ohne lästige Bedingungen sieben Milliarden Dollar an Krediten für Hotels, Sportstadien, Schulen und eine Universität. Es begann den Flughafen und das Abwassersystem Lusakas neu zu errichten und Straßen, Brücken und die noch von den Portugiesen errichtete Benguelabahn, die von der Küste in die Kupferfelder im Süden des Kongo führte, wieder instandzusetzen. Im Gegenzug bekam der Staatskonzern Sinopec den Zugriff auf die Ölfelder der Enklave Cabinda (ehemals Portugiesisch-Kongo) und kann damit 16 Prozent des chinesischen Ölbedarfs befriedigen.

Doch weil die Chinesen billig und schnell bauten, haben Tropengewitter bereits wieder einige der neuen Straßen weggeschwemmt. Auch sind trotz überreicher „Schmierstoffe“ das Flughafenprojekt und die Benguelabahn in der angolanischen Bürokratie festgelaufen. Da China aus Effizienz- und Kostengründen stets eigene Arbeitskräfte, Material und Ingenieure mitbringt, stößt der Mangel an Zuverdienstmöglichkeiten nicht überall auf Wohlgefallen.

Im Kongo des Bürgerkriegssiegers Joseph Kabila funktioniert das System „Rohstoffe gegen Infrastruktur“ besser. Während der IWF und der Westen dem Präsidenten für elf Milliarden Dollar Schuldenerlaß ein Programm zur Armutsbekämpfung anboten, offerierten die Chinesen den gleichen Betrag für einen Anteil von 68 Prozent am Kupferkonzern Gécamines.

800.000 Chinesen haben sich in Afrika angesiedelt

Da der Kongo mit seinem fehlenden Rechtssystem, seiner korrupten Bürokratie, und kaputten Infrastruktur auch noch so hartgesottene Investoren abschreckt, probiert der chinesische Staat mit der Protektion des Präsidenten sein Glück. Reiche Vorkommen an Kupfer, Nickel und Kobalt locken. Der Westen dagegen finanzierte 2006 für 460 Millionen Dollar absurde Wahlen, deren Ergebnis dank eines Oppositionsboykotts von vornherein feststand.

Präsident Abdoulaye Wade sieht das chinesische Engagement in Senegal positiv: China reagiere besser als der herablassend predigende Westen auf afrikanische Wünsche. Statt fünf Jahre mit der Weltbank zu parlieren, habe er in nur drei Monaten mit Peking vernünftigere Kreditkonditionen ausgehandelt. Eine einstündige Unterredung mit Präsident Hu Jintao in Berlin habe mehr gebracht als das Geschwätz auf dem G8-Gipfel von Heiligendamm.

Doch nicht überall sitzen die Präsidenten fest im Sattel. Als Moussa Dadis Camara 2008 im rohstoffreichen Guinea putschte, wurde der von der Bundeswehr ausgebildete Putschstaatschef vom Westen geschnitten. China nutzte dies, um dem Land mit den größten Bauxitvorkommen der Welt für einen Sieben-Milliarden-Kredit die Schürfrechte und die Konzessionen für die Offshore-Ölförderung abzukaufen. Im Dezember wurde Camara aber bei einem Attentat schwer verletzt und nach Marokko ausgeflogen. Die Staatsgeschäfte führt derzeit General Sékouba Konaté.

Seit 2006 bereisen Hu Jintao und Premier Wen Jiabao unermüdlich den schwarzen Kontinent. Mit Spitzenvereinbarungen und staatlichen Milliardenkrediten bereiten sie den rohstoffverarbeitenden Staatskonzernen den Weg. Mit dem Wandel von der Leicht- zur Schwerindustrie steigt der chinesische Energie- und Rohstoffhunger wieder stark an. Bis 2030 wird sich nach Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) der Ölverbrauch verdreifachen.

Während der Westen nach dem Motto „Für alles gibt es Substitute, alles läßt sich kaufen“ die klassische Rohstoffdiplomatie schon vor Jahren abschrieb, ist China nach allem hungrig. Es traut dabei den internationalen Märkten und Rohstoffkonzernen nicht, sondern sucht nach alter Imperialistenart die Quellen direkt zu kontrollieren: vom Eisenerz in Südafrika über das Uran im Niger bis zur Baumwolle Benins.

Das für Peking heilige Nichteinmischungsprinzip ermöglicht nicht nur opportunistische Offerten an unappetitliche Regimes. Es legitimiert auch ökologischen Raubbau und sozial rücksichtslose Investitionen. So wurden zur Schaffung einer Industriezone und eines Logistikzentrums für seine Afrikaexporte auf der Insel Mauritius Hunderte von Zuckerrohrbauern nahezu entschädigungslos enteignet. Zur Erschließung von Manganvorkommen in Gabun wird unberührter Regenwald abgeholzt. Im sambischen Kupferbergbau scheren sich die chinesischen Betreiber kaum um Sicherheitsbestimmungen. In Namibia, dem früheren Deutsch-Südwestafrika, begannen 2009 Korruptionsermittlungen gegen die Sicherheitstechnikfirma Nuctech, deren Vorstand zum entscheidenden Zeitpunkt Präsidentensohn Hu Haifeng war.

Dazu flutet China Afrika mit Billigstimporten. Mobiltelefone, Fernseher, Waschmaschinen, Kühlschranke, Radios, Glühbirnen, Schuhe, Textilien, Spielzeug oder Imitationsmarkenwaren – alles findet reißenden Absatz. Dank der Direktimporte chinesischer Händler ist es nur halb so teuer wie europäische Fabrikate. Viele Afrikaner können sich erstmals bislang unerschwingliche Konsumgüter leisten. In nur acht Jahren verzehnfachte sich so der sino-afrikanische Handel auf 100 Milliarden Dollar.

Die europäische Politik räumte zudem mit ihren Abwrackprämien den bislang lukrativen Gebrauchtwagenmarkt für europäische Marken zugunsten chinesischer Billig­neuwagen. Der Importboom chinesischer Billigwaren blies dabei auch das schwache Lebenslicht mancher von der Importprotektion geschützter afrikanischen Industrie aus. So gingen in den Textil- und Lederindustrien Südafrikas und Nigerias geschätzte 60.000 bzw. 250.000 Arbeitsplätze verloren.

Auch die neueste Mode der westlichen Entwicklungspolitik fördert die chinesische Präsenz. So werden, um umständliche Planungsverfahren abzukürzen, von der EU Millionenbeträge zunehmend als direkte zweckgebundene Haushaltszuschüsse überwiesen. Die Projektausschreibungen gewinnen – dank niedriger Preisgebote – mittlerweile fast nur noch die Chinesen. Die oft schlechte Qualität interessiert zu diesem Zeitpunkt noch niemanden.

Durch die chinesische Praxis, eigene Arbeiter zu importieren, haben sich im letzten Jahrzehnt 800.000 Chinesen in Afrika angesiedelt. Durch den Kauf von 20 Prozent an der Standard Bank in Johannesburg, der größten Bank Afrikas, durch die staatliche ICBC verfügt Peking auch über den Zugang zu einem kontinentalen Zweigstellennetz. Es sind aber nicht nur chinesische Staatskonzerne aktiv. Die Zahl chinesisch geführter Klein- und Mittelbetriebe in Afrika, die sich oft unter widrigsten Bedingungen und der Selbstausbeutung ihrer Eigner und deren Familien durchsetzen müssen, wird auf achthundert geschätzt: vom Schuhhändler in Lagos bis zur Wäscherei in Daressalam.

Ob ihnen ein günstigeres Schicksal beschieden sein wird als den Indern Ostafrikas und den europäischen Farmern im Süden, ist angesichts wachsender Ressentiments der afrikanischen Neidgesellschaft und laut werdender Vorwürfe des chinesischen Neokolonialismus noch offen.

Foto: Chinesische Eßstäbchen greifen nach Afrika: Peking will sich den Zugriff auf strategische Rohstoffe sichern – egal, welches Regime jeweils gerade an der Macht ist

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