© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/10 22. Januar 2010

Adenauer hätte es auch in Spanien gefallen
Die Sekretärin des ersten Bundeskanzlers hat ein anrührendes Buch über die letzten Tage des „Alten von Rhöndorf“ geschrieben
Ansgar Lange

Die Verfasserin dieses schmalen Büchleins über die letzten Tage des ersten Bundeskanzlers ist eine ausgewiesene Expertin. Anneliese Poppinga wurde 1958 Sekretärin des Kanzlers und blieb bis zu dessen Tod im Jahr 1967 seine Mitarbeiterin. Sie hat mehrere Publikationen über Adenauer vorgelegt und führte bis 1990 die Geschäfte der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus in Rhöndorf bei Bonn.

Auf knapp 170 Seiten widmet sich die promovierte Zeithistorikerin Adenauers letzten großen Reisen nach Israel im Mai 1966 und nach Spanien im Februar 1967. Zudem beschreibt sie in pietätvoller und berührender Weise die Sterbezeit des „Alten“ zwischen dem 17. März und dem 19. April 1967, seinem Todestag. Am 29. März hatte der 91jährige einen Herzinfarkt erlitten, von dem er sich nicht mehr erholen sollte.

Ein Ausblenden der aktuellen politischen Probleme, unbeschwerter Genuß des schönen Hauses und Gartens mit Blick auf die herrliche Rheinlandschaft, Zeit für Muße, Krimilesen und Musikhören: All dies kam für den rüstigen Politpensionär nicht in Frage. Gleichsam bis zum letzten Atemzug war Konrad Adenauers Leben von der Sorge um das deutsche Volk und die westliche Welt geprägt.

Diese Stimmung drückt sich in folgendem Seufzer aus: „Wenn ich nun nicht mehr alles so klar sehen müßte, dann wäre für mich manches vielleicht leichter. Aber diese schweren Sorgen, das ist nicht gerade angenehm am Ende eines Lebens, weiß Gott nicht. Nichts mit Träumereien am Kamin. Man kann nicht entfliehen …“ Notar auf dem Lande habe er werden wollen. Ein Aktensklave sei statt dessen aus ihm geworden. Bis zuletzt sah der CDU-Politiker es als seine Pflicht an, „die Menschen aufzurütteln, ihnen die Augen zu öffnen“.

Unermüdlich schrieb er weiter an seinen Erinnerungen, sorgte sich darum, daß es mit der politischen Einigung Europas nicht recht vorankam und das US-Interesse von Europa immer mehr in Richtung Asien ging. Im Atomwaffensperrvertrag zwischen den USA und der Sowjetunion sah er die „Quelle der Unruhe“ und einen „Morgenthau-Plan im Quadrat“, der die Sicherheit Europas gefährden könne.

Zwischendurch blitzt auch immer wieder sein Interesse an der Kunst anderer Länder auf. In Spanien, so teilte er seiner mitreisenden Sekretärin Poppinga mit, möchte er wohl leben. Dies hatte er noch von keinem anderen Land außer Deutschland gesagt.

Entgegen manchen Legenden, die in Adenauer nur den engagierten Europäer sehen (wollen), war ihm ein gesundes Nationalgefühl wichtig: „Denn Nationalgefühl, das müsse ein jedes Volk haben, auch das deutsche. Wir brauchten es. Ein gesundes, vernünftiges Nationalgefühl, das müsse wieder heranwachsen. Sonst bestehe die Gefahr, daß der Staat – und der Staat sei ja schließlich der Repräsentant des Volkes, und er werde auch in unserer Zeit der großräumigen Zusammenschlüsse seine Bedeutung behalten – irgendein nebuloses Gebilde sei, mit dem niemand sich identifiziere und von dem jeder meine, er habe nichts damit zu tun.“ Die Gefahr eines übertriebenen Nationalgefühls sei in der Bundesrepublik nicht gegeben, denn dies sei den Deutschen gründlich vergangen.

Erst in den letzten Wochen, die Poppinga ab Seite 135 voller Anteilnahme und doch ohne falsche Sentimentalität schildert, tritt das Politische zurück. Der Todeskampf beginnt. Adenauer möchte noch einmal Musik hören und läßt „Die schöne Müllerin“ auflegen. Die Erinnerungen an die Zeit der Inhaftierung im „Dritten Reich“ bedrängen ihn in der Nacht. Als es zu Ende geht, sagt Adenauer schlicht: „Do jit et nix ze kriesche“ (Da gibt es nichts zu weinen!). „Man kann nicht entfliehen …“

Anneliese Poppinga: Adenauers letzte Tage. Die Erinnerungen seiner engsten Mitarbeiterin. Hohenheim Verlag, Stuttgart 2009, gebunden, 176 Seiten, 15 Euro

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