© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/10 29. Januar 2010

Letztes Aufbäumen des Finanzsystems
Crack-Up-Boom: Die lockere Geldpolitik der Notenbanken schafft die Grundlage für die nächste Krise
Ralf Flierl

Wer die Zukunft treffsicher prognostizieren will, muß sich zunächst einmal mit der Vergangenheit beschäftigen und diese verstehen. Nur so lassen sich Ursache-Wirkungsbeziehungen erkennen und in andere Umfelder bzw. Zeitphasen projizieren. Übertragen auf die aktuelle Situation bedeutet dies: Nur wer verstanden hat, wie es zu der dramatischen Finanzkrise ab Mitte 2007 kommen konnte, kann sinnvolle Schlußfolgerungen für die Zeit danach ziehen.

Aber hiermit fangen die Probleme schon an. Denn kaum jemand, auch die meisten Ökonomen nicht, hat das wirkliche Wesen der Krise verstanden. Da wird von zu hohen Hebeleffekten (Geschäften mit hohem Kreditanteil), von ungenügender Regulierung und zu üppigen Banker-Boni gesprochen. Tatsächlich liegt der Grund für die Krise schlicht und einfach in einem über Jahrzehnte hinweg forcierten Auseinanderklaffen von Geld- und Realwirtschaft. Und dafür gibt es nur einen einzigen Schuldigen: den Staat, der sich in immer größerem Maße verschuldete und damit für eine Aufblähung der Geldmengen sorgte – und zwar sehr viel stärker, als die Realwirtschaft in dieser Zeit wachsen konnte.

Wer also die wahre Krisenursache in der staatlichen Verschuldungsorgie und der damit einhergehenden Geldschwemme der letzten Jahrzehnte sieht, für den können zu hohe Hebeleffekte, mangelnde Regulierung und zu üppige Banker-Boni allenfalls den Status von Symptomen erreichen – unschön zwar, aber eben nur Symptome. Die Versuche zur Rettung des Finanzsystems durch die Garantie der Einlagen, durch die Stützung der Banken, durch teilweise Verstaatlichungen, Konjunkturprogramme usw. führen jedoch letztendlich wiederum zu einer Expansion der Geldwirtschaft, und damit wird die Ursache der Krise – „zuviel Geld“ – zur Abschwächung ihrer Auswirkungen herangezogen, was folglich auf absehbare Zeit zur nächsten Krise führen wird. Und so hangelt sich die Wirtschaft von einer Krise zur nächsten, wobei die Dimensionen immer größer werden.

Die Folge dessen kann nur sein: Die Wirtschaft wird wieder aufgrund neuer Verschuldungsexzesse – in erster Linie des Staates – wachsen und sich somit vom Abgrund abermals wegbewegen. Das viele zusätzliche Geld aber, dessen Schaffung unabdingbare Voraussetzung für den neuen Boom war und ist, wird über kurz oder lang die Teuerung enorm anfachen. Dann erst beginnt das eigentliche Problem.

Denn anders als die meisten Ökonomen heute denken, wird es den Notenbanken in den USA und Europa zukünftig nicht mehr möglich sein, nachhaltig die Zinsen zu erhöhen. Schließlich befinden sich weite Teile der Wirtschaft – hüben wie drüben – bereits „unter Wasser“, und Zinsanhebungen würden diesen in erster Linie kleinen Firmen und Hausbauern den sofortigen Garaus machen. Die Folge: Die enormen Teuerungsgefahren werden zukünftig nicht mehr oder nur noch unbeherzt bekämpft werden. Und damit ist der Weg für die nächsten Jahre bereits vorgezeichnet: Inflation, immer höhere Inflation und schließlich Hyperinflation.

Der österreichische Ökonom Ludwig von Mises hat dieses Phänomen bereits in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts beschrieben, nämlich unter dem Eindruck der großen Hyperinflation des Jahres 1923 in Deutschland. Die über die Maßen hohen Reparationszahlungen nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg waren für Deutschland nicht stemmbar, und so begann man Geld zu drucken. Dies führte irgendwann zu Preissteigerungen.

Mit der Zeit verloren die Deutschen die Hoffnung, daß diese Preissteigerungen nur von kurzer Dauer sein würden, und so begannen sie ihr Einkommen oder ihr erspartes Geld möglichst schnell auszugeben – um Sachgüter zu erwerben, welche einen Inflationsschutz bieten konnten. Durch diese erhöhte Nachfrage wurden die Preissteigerungen weiter angefacht, bis sie schließlich im Jahre 1923 mehrere tausend Prozent betrugen. Noch heute kursieren Bilder von Menschen, die mit Schubkarren voller Geld zum Brotkaufen gingen. Die Zinsen blieben in dieser Zeit aber immer unter zehn Prozent, was für eine wirkungsvolle Teuerungsbekämpfung völlig unzureichend war.

Mises erkannte, daß eine ausgelaugte Wirtschaft, wie es die deutsche Nachkriegswirtschaft nun einmal war, keine hohen Zinsen mehr verkraftet. Wenn die Politik in dieser Phase immer weiter Geld druckt, um den wirtschaftlichen Kollaps zu vermeiden, ist Inflation die unausweichliche Folge. Die Parallelen zu heute sind offensichtlich: Die Wirtschaft der westlichen Hemisphäre wurde durch den amerikanischen Immobilienboom, welcher nur durch einen staatlicherseits angefachten Verschuldungsexzeß befeuert werden konnte, an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit gebracht.

Als sich die Schwerkraft ihren Weg bahnte, was schließlich 2008 im Kollaps von Lehman Brothers gipfelte, waren die Staaten und Notenbanken weltweit gezwungen, das System mit Geld zu fluten und die Zinsen zu senken, um den Kollaps des gesamten Finanzsystems zu verhindern. All diese Maßnahmen lassen sich aber nicht mehr neutralisieren – oder plakativer ausgedrückt: Die ausgedrückte Zahnpasta bekommt man nicht mehr in die Tube zurück. Der Kaufrausch und die in der Folge weiter steigenden Preise wurden von Mises als „Crack-up-Boom“ bzw. als „Katastrophenhausse“ bezeichnet.

Die unausweichliche Folge wird auch heute die Teuerung sein, und zwar erst an den Märkten für Vermögensgegenstände. So konnten die Aktien- und Rohstoffbörsen in den letzten Monaten bereits wieder deutlich zulegen. Dies dürfte in den kommenden Jahren so weitergehen, zumal die Notenbanken aufgrund negativer Effekte für die schwächeren Wirtschaftssubjekte eine restriktivere Geldpolitik tunlichst vermeiden werden.

So rechnet Smart Investor Research bis in drei Jahren mit einem DAX von über 12.000 Punkten und einem Goldpreis von über 2.500 Dollar (also jeweils ein Anstieg um mehr als 100 Prozent). Irgendwann aber wird diese Teuerung auch auf die Konsumgüterpreise überspringen, was in der Endphase soziale Konflikte und Unruhen zur Folge haben könnte. Wenn die Preise schließlich steil nach oben schießen, bleibt kein anderer Weg mehr als die Währungsreform (JF 11/09), was nichts anderes bedeutet als Staatsbankrott – vergleichbar den Ereignissen vom Dezember 1923.

Anleger, die die geschilderten Gefahren erkennen, werden versuchen, ihr Vermögen vor der Inflation zu schützen. Dies ist in erster Linie damit zu bewerkstelligen, daß Geldvermögen nach Möglichkeit in Sachvermögen getauscht wird. Unter Sachvermögen sind dabei Immobilien, aber vor allem Rohstoffe (etwa Gold und Silber) und Aktien zu verstehen. Alle diese Vermögensklassen (mit gewisser Ausnahme der Immobilien) sind auch in der Hyperinflation der Jahre vor 1923 mit der Teuerung mitgestiegen. Ein Wertzuwachs gelang damit natürlich nicht, aber zumindest konnte man auf diese Weise sein Vermögen konservieren.

Die Ökonomien in Europa und USA steuern auf ihren Bankrott und damit vermutlich auf Währungsreformen zu. In einem ungedeckten Papiergeldsystem (Fiat-Money, JF 31-32/08) wie dem unsrigen werden die Staaten und Notenbanken jedoch alles daransetzen, die drohende Katastrophe auf der Zeitachse nach hinten zu schieben – mit immer mehr geld- und realpolitischen Eingriffen in die Wirtschaft. Und dies wird wohl auch zu einer fulminanten (letzten) Hausse bei Rohstoffen und Aktien führen, zum sogenannten Crack-up-Boom. Wenn diese Blase dann platzt, vermutlich schon im Zeitraum 2012/2013, dürfte es für Wirtschaft und Börse dramatisch nach unten gehen.

 

Ralf Flierl ist Chefredakteur des Börsenmagazins „Smart Investor“.

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