© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/10 05. Februar 2010
Nun ist er plötzlich gar nicht mehr lieb Jürgen Elsässers Volksinitiative gegen das anglo-amerikanische Finanzkapital, inzwischen umgetitelt gegen das internationale Finanzkapital, startete vor einem Jahr mit einem Eklat. Antifa-Aktivisten stürmten das Lokal und prügelten zwei Zuhörer krankenhausreif. Der eine Interessent war ein justizbekannter Holocaust-Leugner, der andere, so Elsässer,ein Roadie der linken Hip-Hop-Band die bandbreite, welcher ein taz-Reporter, flugs antisemitische Texte andichtete. Hinter dem Auschwitz-Adepten und möglichen anderen unerbetenen Kampfgenossen vermutet Elsässer ein Komplott: Wie können willige Helfer des internationalen Finanzkapitals verhindern, daß eine Bewegung entsteht, die sich gegen ihre Interessen richtet? Erst sorgt man über V-Leute bei der NPD dafür, daß sich diese bei der neuen Initiative einschleimt, dann schickt man über V-Leute in der Antifa-Szene Schläger los, die für den richtigen Eindruck sorgen. Ob Komplott oder antifaschistische Spontanreflexe: Der im ideologischen Planquadrat zwischen Jungle World und Konkret, Junge Welt und Neues Deutschland angesiedelte politische linke Narrensaum hat den einstigen Mitstreiter Jürgen Elsässer in den politischen Orkus verbannt. Jean Cremet (Künstlername eines Antifa-Spürhundes) erklärt die von Elsässer angestrebte Volksfront zur Querfront und attestiert ihm einen zum Faschismus geronnenen, regressiven Antikapitalismus, mit dem er raus aus dem linken Getto wolle. Zu Recht fragt Elsässer zurück: Wissen diese Leute überhaupt noch, was Faschismus ist? Zu seiner Verteidigung kann er Edouard Husson, Berater des früheren französischen Innenministers Jean-Pierre Chevènement, zitieren, der wie er einen Patriotismus der Linken verficht. Elsässer, inzwischen Herausgeber der Compact-Reihe, stellt in dem mit Delacroix barbusiger Barrikadengöttin gezierten Bändchen seine mit altlinker Geschichtsemphase (avanti popolo) vorgetragene Volksinitiative vor. Als Mitstreiter, der die auf Schwächung Europas angelegten Konzepte der im Washington Consensus vereinten US-Eliten keineswegs nur die Neokonservativen analysiert, fungiert der frühere Stabsoffizier Jochen Scholz. Dessen 25-Punkte-Programm zur Zurückdrängung der USA und zur Widerlegung ihrer menschenrechtlich überhöhten, ökonomisch determinierten Geostrategien dürfte bei den früheren Dienststellen Stirnrunzeln erregen. Anstelle der liberalkapitalistischen Globalisierung propagiert er die Stärkung regionaler Märkte in Afrika, Asien und Lateinamerika, die Änderung der monetären Philosophie der EZB, eine Alternative zur Leitwährung Dollar sowie eine strikt europäisch begründete Verteidigungspolitik im Rahmen der EU. Ob Scholz beim Bund Deutscher Industrie (BDI) sowie den Großunternehmen, an die er sein PNEC Project for the New European Century adressiert hat, mehr Sympathien findet als Elsässer bei den Linken? Als Kommentatoren von außen geben Peter Brandt (der anders als Elsässer die EU nicht gar so negativ sehen will), Attac-Mitbegründer Peter Wahl sowie der frühere DDR-Kulturminister Klaus Höpke der Broschüre Farbe. Mit dem anderen Sammelbändchen, in dem er mit Fakten über westliche Propagandalügen gegen die vermeintlich von Iran ausgehenden atomaren Kriegsgefahren aufklären will, dürfte Elsässer außer bei dienstlich befaßten Lesern nur noch bei überzeugten Antiimperialisten Interesse erwecken, die Gefallen am Konterfei der in freundschaftlicher Umarmung verbundenen Revolutionshelden Hugo Chávez und Mahmud Ahmadinedschad finden. Die Lage im Iran, über dessen Lager und Fronten sich westliche Auguren, Linke und Exil-Iraner schon 1979 übel getäuscht haben, hat sich wieder einmal blutig zugespitzt. Gewiß bleibt die Berichterstattung oft an der Oberfläche, Fehlinformationen gehören zum politischen Instrumentarium. Ob aber alle von Elsässers Gewährsleuten mit ihrer Deutung richtig liegen? Zur historischen Erhellung wären in der Chronik der westlichen Einmischung ein paar zusätzliche Daten (Tabakbewegung 1891, Konstitutionelle Revolution 1906, Weiße Revolution 1963) von Nutzen gewesen. Daß die Verfassung der Islamischen Republik auf einer ausgeklügelten Gewaltenteilung beruht, glaubt Elsässer wohl selbst nur, wenn er dem Begriff Gewalt antut. Dagegen trifft Sheyan R. Arkian, ein Islamwissenschaftler an der Theologie-Hochschule in Qom, vermutlich den Kern der Sache, wenn er feststellt, auch die unterlegenen Kandidaten Hussein Mussawi und Mehdi Karubi gehörten zu den Konservativen. Nicht minder plausibel klingt seine These, Ahmadinedschad habe nicht mit eklatanten Wahlfälschungen, sondern mit einem umfassenden Sozialprogramm (Mindestlöhne, Verdoppelung der Renten, Sozialversicherung) und handfesten Wahlgeschenken (Kartoffeln) seine Mehrheit in den Provinzen gewonnen. Dürftig ist der aus Zeitfragen übernommene Beitrag der in Südafrika lehrenden Amerikanerin Virginia Tilley (Die Erfindung eines neuen Hitler). Mit Sicherheit verfehlt der französische Autor Thierry Meyssan (Schlachtfeld Telekommunikation) mit einer schlichten Klassenanalyse das Thema: Die Konflikte sind Ausdruck einer tiefen Spaltung der iranischen Gesellschaft zwischen dem national gesinnten Proletariat und einer Bourgeoisie, die beklagt, von der wirtschaftlichen Globalisierung ferngehalten zu werden. Im Iran-Bändchen ergreift Elsässer massiv Partei gegen Israels militärisch-politische Konzepte in Nahost. an. Inzwischen hat er an dem von der islamischen Revolution proklamierten Al-Quds-Tag zur Demonstration aufgerufen. Viel Feind, viel Ehr? Mit seinen neuen Verbündeten im Iran macht er es sich und seinen Gegnern leider zu einfach. Sein Diktum Die Political Correctness ist die Ideologie der Neuen Weltordnung birgt hingegen Erkenntniswert. Jürgen Elsässer (Hrsg.): Gegen Finanzdiktatur. Die Volksinitiative: Grundsätze, Konzepte, Ziele. Compact Nr. 10. Kai Homilius Verlag, Berlin 2009, broschiert, 104 Seiten, 7,50 Euro Ders. (Hrsg.): Iran. Fakten gegen westliche Propaganda. Compact. Nr. 14. Kai Homilius Verlag, Berlin 2009, broschiert, 104 Seiten, 7,50 Euro Foto: Jürgen Elsässer auf dem Pressefest der Zeitung Neues Deutschland: Bekam schnell die Faschismuskeule zu spüren |