© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/10 19. Februar 2010

Die Verwandlung des Krokodils
Machtwechsel: Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus gilt Freund und Feind als Konservativer – er könnte alle überraschen
Michael Paulwitz

Einen Regierungschef, den Freund und Feind als „Konservativen“ einstufen, gab es in Deutschland schon eine Weile nicht mehr. In der vergangenen Woche nun wurde Stefan Mappus als Nachfolger des in die EU-Kommission weggelobten Günther Oettinger zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg gewählt. Nach steiler politischer Karriere ist der 43 Jahre alte Badener der jüngste amtierende Länderregierungschef in Deutschland und gilt als Hoffnungsträger des marginalisierten „konservativen“ Flügels der CDU.

Er gebe den Stammwählern wie Kirchgängern und Vertriebenen Vorrang vor der „Laufkundschaft“, erklärte Mappus wenige Tage nach seiner Wahl im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Die CDU habe durch „modernere“ Politik „in der Mitte kaum etwas dazubekommen, dafür ist uns auf der anderen Seite jede Menge weggebrochen“. Mappus fordert mehr Pluralismus in der Union; die Kanzlerin als Vormann eines Parteiflügels direkt herauszufordern, vermeidet er.

Bereits sein 2007 gemeinsam mit JU-Chef Philipp Mißfelder und dem jetzigen bayerischen Umweltminister Markus Söder verfaßtes Thesenpapier zum „modernen bürgerlichen Konservatismus“ (JF 30/07) war folgenlos geblieben. Mappus ist zu gut mit dem engeren Kreis um Merkel vernetzt: Bundesbildungsministerin Annette Schavan ist eine alte Verbündete, Bundestags-Fraktionschef Volker Kauder, der von ihm „einen wichtigen Beitrag zu einem klaren Kurs der Union in Berlin“ erwartet, ist Patenonkel seines älteren Sohns. Als Fraktionsvorsitzender agierte Mappus gern angriffslustig; „Mappi-Schnappi, das kleine Krokodil“, bespöttelte ihn einmal Justizminister Ulrich Goll vom Koalitionspartner FDP. Für SPD und Grüne ist der Pforzheimer ein rotes Tuch. Die Sozialdemokraten orakelten anläßlich seiner Amtseinführung von einem „konservativen Rechtsrutsch“, die Grünen sahen das Land im „Rückwärtsgang“ und protestierten mit Masken und Transparenten vor dem Stuttgarter Landtag.

Tatsächlich hat sich Mappus als Rivale des Großstadt-Liberalen Günther Oettinger mit kritischen Bemerkungen über „abstoßende“ Schwulenparaden, Homo-Adoption und Krippenprogramme, über „gruselige“ schwarz-grüne und „unterirdische“ Jamaika-Koalitionen immer wieder gezielt als Integrationsfigur der ländlich-konservativen CDU-Basis positioniert.

Sein konservatives Image halten indes nicht nur eigene Parteifreunde für „eher Schminke“ und vorwiegend taktisch motiviert. Als designierter Regierungschef präsentierte sich Mappus in den vergangenen Monaten als Ausgleicher, der IG-Metall-Chef Berthold Huber und Konzernchefs gleichermaßen umwarb und auf der CDU-Vorstandssitzung Mitte Januar die Merkelsche Bildungspolitik überschwenglich lobte. Der habe „gleich drei Eimer Kreide gefressen“, spotteten die Grünen. Mappus „spielt den knallharten Konservativen, allerdings ohne Substanz“, sagte auch SPD-Chef Nils Schmid im Widerspruch zu sonstigen rot-grünen Einlassungen. Demgegenüber betont der frischgewählte Ministerpräsident, er werde „sich nicht verbiegen lassen“. Hinter dem fortgesetzten Kokettieren mit dem Image der „konservativen“ Stimme in der CDU steht nicht zuletzt das durch einen Besuch in Wildbad Kreuth untermauerte Kalkül, gemeinsam mit der bayerischen CSU auf der „Südschiene“ das von den Eskapaden seines Amtsvorgängers ramponierte bundespolitische Gewicht der baden-württembergischen Union wieder anzuheben.

Stefan Mappus läßt sich zwar gern mit dem jungen Franz Josef Strauß vergleichen, mit dem er den Willen zur Macht, die bullige Statur und den Pilotenschein gemeinsam hat, als Ministerpräsident wird er sich wohl eher an seinem politischen Ziehvater Erwin Teufel orientieren und den bodenständigen „Landesvater“ geben. Als Handwerkersohn aus kleinbürgerlich-strebsamen Verhältnissen, gläubigem Christen und solide verheiratetem Familienvater wird ihm das weniger schwerfallen als dem sprunghaften und pannenanfälligen Oettinger.

Die Zeit dafür ist allerdings kurz; schon in gut einem Jahr muß der im Land noch wenig bekannte Mappus bei der Landtagswahl mindestens vierzig Prozent holen, um als Ministerpräsident zu bestehen. Schulpolitik, Arbeitsplätze und die Bewältigung der Wirtschaftskrise, die Baden-Württemberg besonders hart getroffen hat, sind die beherrschenden Themen. Stefan Mappus muß rasch beweisen, ob er die vom Linksruck der Bundespartei irritierte CDU-Wählerbasis wieder einfangen kann.

Foto: Stefan Mappus (2.v.l.) mit seinen Vorgängern Teufel, Oettinger und Späth (v.l.n.r.): Bullige Figur mit Pilotenschein

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