© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/10 19. Februar 2010

Ein Weiberlästerer wider Willen
Schweiz II: Ein ehemaliger SVP-Stadtrat hat mit Polemiken über den Kleidungsstil linker Frauen eine Kontroverse ausgelöst
Lubomir T. Winnik

Angefangen hat alles Anfang August vorigen Jahres. In einem frechen Blog-Eintrag (www.kuhn-rene.ch) unter der Überschrift „Von linken, ausgelumpten Frauen“ beschwerte sich der Informatiker René Kuhn über Damen, die weder Schmuck tragen noch Schminke verwendeten, „obwohl sie es dringend nötig hätten“. Der mit einer attraktiven Russin verheiratete 42jährige schrieb von „Weibern ohne Weiblichkeit“ und attackierte „Emanzen“ als „Vogelscheuchen“ – angesichts des sonstigen geistigen Mülls im Internet und des vulgären Jargons, der beispielsweise auch im Privatfernsehen herrscht, eigentlich nichts Ungewöhnliches.

Nur: Kuhn war damals noch Mitglied des Großen Stadtrats von Luzern und Präsident der dortigen rechtsbürgerlichen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Die Sozialdemokratische Partei (SP) im Stadtrat machte Kuhns Text zum Thema, die meist provinziell-langweiligen Schweizer Medien stürzten sich darauf. Die Treibjagd begann. Anonyme Drohbriefe und Telefonate belästigten auch Kuhns Familie. Die SVP-Kollegen distanzierten sich, Josef Kunz, Chef der Kantonalen SVP, regte einen Parteiausschluß an. Kuhn legte schließlich sämtliche politischen Ämter nieder. Dabei war die Mehrheit der elektronischen wie postalischen Zuschriften und Anrufe, die er erhalten hatte, zustimmend. Und so entschloß sich Kuhn, ein Buch zu schreiben, das vergangenen Monat erschienen ist.

Dessen Titel „Zurück zur Frau: Weg mit den Mannsweibern und Vogelscheuchen – ein Tabubruch“ bringt ihm erneut Medienpräsenz ein. „Ein ganz beliebtes Klischee ist die Behauptung, Frauen würden am Arbeitsplatz benachteiligt, weil sie weniger verdienten. Dabei handelt es sich im wesentlichen um feministische Propaganda, auf die auch viele Männer hereinfallen. Die Wirklichkeit sieht anders aus“, schreibt Kuhn, der umgehend eine Antwort mitliefert: „Wenn es Lohndifferenzen gibt, und die gibt es, sind diese rational zu erklären und ökonomische Binsenwahrheiten. Männer verdienen im Durchschnitt mehr als Frauen, weil sie besser ausgebildet sind, weniger Teilzeit arbeiten, seltener in Niedriglohnbranchen zu finden sind und höhere Positionen einnehmen.“

Das 20minütige Interview mit dem Regionalsender „Tele-Züri“ kam daher eher einem Polizeiverhör gleich. Der ernstzunehmende Kern der von Kuhn aufgegriffenen Probleme – die verheerenden Folgen der Emanzipation für den Erhalt der Familie und die Kindererziehung, der dadurch vorprogrammierte Zerfall aller gesellschaftlichen Werte – interessierte den Moderator nicht. Mit nebensächlichen Querfragen wurde versucht, Kuhn vor dem Fernsehpublikum zu „entlarven“: Dessen Beobachtungen seien rein privat und demzufolge subjektiv, folglich demagogisch. Kuhn läßt sich dennoch nicht unterkriegen. „Ich bin kein Profischreiber, kein Journalist und schon gar nicht ein Schriftsteller“, gesteht er ein – doch angesichts des Wirbels hat er wohl in ein Wespennest gestochen.

René Kuhn: Zurück zur Frau: Weg mit den Mannsweibern und Vogelscheuchen – ein Tabubruch. Eigenverlag, Luzern 2010, broschiert, 232 Seiten, 21,40 Euro

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