© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/10 19. Februar 2010

Frisch gepresst

Schill. „Brockhaus’ Konversations-Lexikon“ gönnt Ferdinand von Schill (1776–1809) in seiner vierzehnten Auflage von 1898 noch üppige 65 Zeilen. Hundert Jahre später kommt die „Deutsche Biographische Enzyklopädie“ mit kargen vierzehn aus. Das spiegelt den Bedeutungsverlust, den die Zeit der preußischen Reformen und der Befreiungskriege gegen Napoleon im deutschen kollektiven Gedächtnis erlitten hat. Um dem ganz persönlich entgegenzuwirken, sei der Kauf eines Buches empfohlen, wie man es schöner nicht gestalten kann. Es handelt sich um den von Veit Veltzke edierten Band von Aufsätzen, der eine im Weseler Preußen-Museum veranstaltete Ausstellung zum 200. Jahrestag von Schills Aufstandsversuch gegen die französischen Besatzer begleitet. Ausgenommen den Zitatenkompott von Thomas Stamm-Kuhlmann, der als Greifswalder Neuhistoriker seiner Universität den Namen Ernst Moritz Arndts aberkennen möchte (JF 5/10) und der hier Körner, Arndt und Schenkendorf als Produzenten „platter Tendenzlyrik“ zu „entlarven“ versucht, verläßt das Gros der Beiträger solche ausgetretenen Pfade. Man lese nur die von jedem Stamm-Kuhl-mannschen Ressentiment freie, viel intime Lokalkenntnis verratende Studie des polnischen Historikers Hieronim Kroczynskis über Schills Mitwirkung an der Verteidigung der Festung Kolberg oder den sachlichen, mit den schönen farbigen Standfotos aus Veit Harlans „Kolberg“ (1945) illustrierten Aufsatz von Günter Brittinger über die Schill-Rezeption zur Zeit des Nationalsozialismus. Mithin: ein durchgehend farbig bebilderter, großformatiger, historiographisch auf höchstem Niveau sich haltender Beitrag zur Geschichte der sich konstituierenden deutschen Nation, der in keiner Bibliothek fehlen sollte (Für die Freiheit – gegen Napoleon. Ferdinand von Schill, Preußen und die deutsche Nation, Böhlau Verlag, Köln 2009, gebunden, 440 Seiten, Abbildungen, 29,95 Euro).

 

Versöhnliches. Seit 2000 hat die Landsmannschaft Ostpreußen für ostdeutsche Heimatkreisvertreter und polnische Kommunalpolitiker gemeinsame Kongresse organisiert, zuletzt im September 2009 den siebenten in Frankfurt/Oder. Dortige Referate wurden vom Ausrichter jetzt in einem Sammelbändchen auf polnisch und deutsch herausgegeben (Deutsche und Polen. Nachbarn in Europa. Hamburg 2010, broschiert, 144 Seiten), was wohl noch vor einer Generation im Vertriebenenmilieu äußerst ungewöhnlich gewesen wäre. Auch wenn auf dieser Tagung alle heißen geschichtspolitischen Eisen unberührt bleiben, dokumentiert das Ergebnis, daß das Verhältnis zwischen Polen und Vertriebenen – anders, als es polnische Chauvinisten und ihre medialen Claqueure in Warschau und Berlin wie im „Fall Steinbach“ suggerieren – eher harmonisch als konfliktbeladen ist.

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