© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/10 19. Februar 2010

Ohne Ehrgeiz kann es nicht gelingen
Ausplünderung oder Bereicherung? – Was zusammenkommen muß, damit Einwanderung „funktioniert“
Michael Paulwitz

Führt Einwanderung zur Bereicherung oder zur Ausplünderung der Aufnahmegesellschaft? Beide Standpunkte sind Verabsolutierungen einer Teilwahrheit. Der modische „Migrations“-Begriff verführt dazu, so lange Äpfel mit Birnen zu vergleichen, bis jede erkenntnisfördernde Unterscheidung auf der Strecke bleibt. Einwanderung wirkt sich aber nicht ausschließlich positiv oder negativ aus – es kommt darauf an, was man daraus macht: auf das Wer, Wo, Wann, Warum und Wieviel.

Für Migrationsgläubige wie den Direktor des Hamburgischen Weltwirtschafts-Instituts, Thomas Straubhaar, ist Migration vor allem Wohlstandsquell und „Mutter vieler Innovationen“: „Migranten bringen neue Technik, Ideen und neue Gene in entfernte Gegenden der Welt.“ Solche Beispiele gibt es in der Tat. Aber damit das Ergebnis auch tatsächlich „allen nütze“, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein.

Oberschichtseinwanderung blieb immer ein Sonderfall

Klassische Einwanderungsländer suchen deshalb ihre Einwanderer aus: nicht nach rassischen Kriterien, sondern vorrangig nach Bildung, Qualifikation und Vermögen. Australien etwa will „Menschen, die bestens ausgebildet sind. Sie müssen Englisch auf hohem Niveau beherrschen und sehr schnell einen Beitrag zur australischen Wirtschaft leisten können.“ In Kanada wünscht man sich auch Unternehmer, die investieren und Arbeit schaffen; wer hineinwill, muß ein Grundkapital vorweisen, um nicht der Fürsorge zur Last zu fallen.

Weicht man von diesen strikten Auswahlkriterien ab, etwa durch Aufnahme von Flüchtlingen in großem Stil, stellen sich prompt auch in multikulturellen Einwanderungs-Musterländern Probleme ein. Ein Symptom waren die australischen Rassenkrawalle vor fünf Jahren, die ihren Ausgang von libanesischen Jugendgangs nahmen, die einheimische Frauen an den Badestränden mit ihren muslimischen Ehrbegriffen zu terrorisieren begannen.

Je höher ein Einwanderer in der gesellschaftlichen Hierarchie einsteigt, desto leichter integriert er sich, desto eher auch ist von ihm ein volkswirtschaftlicher „Nutzen“ zu erwarten. Das galt schon für historische Wanderungsbewegungen. Die mittelalterliche deutsche Ostsiedlung erfolgte nicht selten auf Wunsch slawischer Fürsten und Könige, die sich von den besseren Technologien deutscher Bauern und Handwerker und vom Handel in nach deutschem Recht gegründeten Städten mehr Prosperität versprachen.

Gern gaben Ungarns Könige den sächsischen Bergleuten in Siebenbürgen, die sie reich machten, im Gegenzug steuerliche und rechtliche Privilegien. Preußen nahm dankbar Hugenotten auf, vertriebene französische Protestanten der Mittel- und Oberschicht. Rußland profitierte von deutschen Handwerkern und Fachleuten in seinen Hauptstädten.

Oberschichtseinwanderung blieb freilich ein Sonderfall. Im achtzehnten Jahrhundert lautete das Zauberwort „Peuplierung“: Friedrich der Große holte holländische Mennoniten und Salzburger Protestanten nach Ostpreußen, Maria Theresia und Katharina die Große lockten deutsche Bauern zur Besiedelung brachliegender Landstriche in Ungarn und Rußland. Ein gemachtes Bett bot keiner der Monarchen seinen Neusiedlern. Oft dauerte es Generationen, bis sie sich in der Fremde hochgearbeitet hatten: „Dem ersten den Tod, dem zweiten die Not, dem dritten das Brot“, lautet eine alte Kolonistenweisheit.

Solange der König der Souverän ist, der die Staatsidee verkörpert, unter der sich verschiedene Völker und Gruppen vereinen, ist planvoll gesteuerte Einwanderung und Ansiedlung leicht zu handhaben: Der Wille des Monarchen gibt den Ausschlag. Kulturelle Kompatibilität war indes auch für absolutistische und aufgeklärte Einwanderungspolitiker ein wesentliches Kriterium. Erst recht gilt das in demokratischen Staaten, in denen die Nation den Monarchen als Souverän ersetzt und Identifikation verlangt. Kommt ein Einwanderer aus einem anderen Kulturkreis, muß er um so größere Anpassungsbereitschaft aufbringen.

Entlang dieser Linien läßt sich recht klar erkennen, wovon der Einwanderungserfolg in modernen westlichen Industriestaaten wie Deutschland oder den USA abhängt. Aussiedler aus Rußland und Osteuropa, die sich namentlich in den ersten Generationen vor allem als heimgekehrte Deutsche empfinden, haben über Jahre hinweg nachweislich den Sozialkassen Überschüsse beschert. Häufig arbeiten sie trotz guter, aber nicht anerkannter Ausbildung in einfachen Berufen, um sich eine eigene Existenz aufzubauen – ein Echo des Pioniergeistes ihrer Vorväter. Einwanderer aus europäischen Ländern weichen in Deutschland bei wesentlichen Indikatoren wie Arbeitslosigkeit, Qualifikation oder Kriminalitätsanteil in der Regel kaum vom einheimischen Mittel ab – im krassen Unterschied zu türkischen und anderen muslimischen Einwanderern.

Daß man in Deutschland oder den USA nicht Christ und Europäer sein muß, um zu reüssieren, beweisen Einwanderer aus ostasiatischen Ländern. Thilo Sarrazin hat das am Beispiel „der Vietnamesen“ zugespitzt, das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung bestätigt den Befund: Obwohl auch viele Asiaten ohne Bildungsabschluß und Deutschkenntnisse ins Land kommen, liegt der Abiturienten- und Akademiker­anteil bereits in der zweiten Generation deutlich über dem Durchschnitt der Autochthonen.

Bereitschaft zur Assimilation fördert sozialen Aufstieg

Das liege sowohl am kulturell bedingten Ehrgeiz und hohen Bildungsbewußtsein als auch an der Bereitschaft zur Vermischung mit der einheimischen Bevölkerung. Dagegen stehen einem Großteil der türkisch-arabischen Einwanderer trotz gleicher Bildungsangebote Selbstabschottung und eine Mentalität des Dauerbeleidigtseins, das die Verantwortung für das eigene Schicksal verweigert, als Aufstiegshindernis im Wege.

Vermeintliche oder tatsächliche Diskriminierung kann indes keine Ausrede für generationenlanges Integrations-Dauerversagen sein. Allen gelungenen Einwanderungen in Vergangenheit und Gegenwart ist gemeinsam, daß die Auswahl der Neuankömmlinge unter strikter staatlicher Steuerung erfolgte, die sich an Staatsinteresse und Gemeinwohl orientiert, um anschließend die Entfaltung ihrer ökonomischen und kreativen Potentiale deren Ehrgeiz und Aufstiegswillen zu überlassen.

Deutschland verhält sich dagegen genau entgegengesetzt: Es toleriert wahllose Unterschichtseinwanderung und erstickt im Bestreben, alle Wege fürsorglich zu ebnen, etwa vorhandene Aufsteigerpotentiale in üppig verteilter Sozialstaatsfürsorge. Auch darüber wäre im Rahmen einer Hartz-IV-Reform zu reden.

Foto: Einwanderung im Spiegel der Zeiten: „Dem ersten den Tod, dem zweiten die Not, dem dritten das Brot“

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