© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/10 26. Februar 2010

„Waffen für die nächste Krise“
Interview: Der Publizist und Pulitzer-Preisträger David Wessel fordert die wirtschaftspolitische Aufrüstung der USA
Moritz Schwarz

Herr Wessel, Ende Januar ist Ben Ber­nanke, der umstrittene Chef der Federal Reserve Bank, im Amt bestätigt worden. Zu Recht?

Wessel: Ja – es stimmt zwar, daß die US-Notenbank, kurz „Fed“ genannt,  unter seiner Führung Fehler gemacht hat, aber er hat, wie er zugibt, die Krise ja auch nicht vorausgesehen.

Kritiker werfen ihm allerdings vor, er gebe das ganze Ausmaß seiner Verantwortlichkeit und seines Versagens nicht zu.

Wessel: Nun, im Dezember hat er immerhin eingestanden, daß es ein Fehler war, nicht darauf geachtet zu haben, daß die Banken mehr Kapital halten, daß der Verbraucherschutz hätte verbessert werden müssen und daß man der Risikobereitschaft der Bankmanager mehr Aufmerksamkeit hätte schenken müssen. Aber in der Tat, es ist nicht so, daß Bernanke kein Vorwurf zu machen wäre. Gerade habe ich darüber in meiner WSJ-Kolumne geschrieben. Doch man kann das Problem nicht auf Bernanke reduzieren. Kann man etwa sagen, der Zweite Weltkrieg wurde einfach von einer Person verursacht? So simpel sind die Dinge in Wirklichkeit nicht.

Sie sind Wirtschaftsredakteur des „Wall Street Journal“ und zweimaliger Pulitzer-Preisträger. Wie lautet Ihr abschließendes Urteil?

Wessel: Nun, um fair zu sein: Vergleichen Sie Bernanke mit Alan Greenspan, der hat in seinen neunzehn Jahren als Chef der Fed nie einen Fehler eingeräumt. Erst als nun die schlimmste Krise seit 1929 über uns hereinbrach, hat er als Pensionär gegenüber dem Kongreß eingestanden, daß seine Weltsicht zur Zeit seiner Führung der Fed wohl doch die falsche war. 

Ihr eben auf deutsch erschienenes Buch „Die große Panik“ heißt im englischen Original: „In Fed We Trust“ –Vertrauen Sie der Fed noch?

Wessel: Der englische Titel ist natürlich ironisch unterlegt, was beim deutschen Titel leider verlorengeht. „In Fed We Trust“ – also „Wir vertrauen auf die US-Bundesbank“ – spielt selbstverständlich an auf das Motto der USA, wie es auf den Dollar-Noten zu finden ist: „In God we trust“, also: „Wir vertrauen auf Gott“. Das ist allerdings wiederum nicht so ironisch gemeint, wie es vielleicht klingen mag. Denn ich möchte damit weniger beißende Kritik als ein Problem ausdrücken, nämlich daß wir derzeit gar keine andere Wahl haben, als uns der Fed anzuvertrauen.

Warum?

Wessel: Weil die Fed die einzige US-Institution ist, die derzeit überhaupt die Mittel hat zu reagieren.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz sagt über Ihr Buch: „Niemand kann wirklich verstehen, was passiert ist, wenn er ‘Die große Panik’ nicht gelesen hat.“ Was ist im Herbst 2008 „wirklich passiert“?

Wessel: Die Wahrheit ist, daß die Krise die USA als ein fast vollständig wehrloses Land getroffen hat, ich meine, als ein Land mit einer völlig unvorbereiteten Regierung. Wenn die USA von Raketen aus Iran oder Nordkorea angegriffen werden würden, müßte der Präsident nur einen Knopf drücken oder könnte den Gegenschlag gar per Blackberry einleiten. In dieser Krise aber fehlte der Regierung jede Waffe für einen „Gegenschlag“. 

Der US-Präsident ein wehrloser Mann und die Fed als unser Schicksal?

Wessel: Nun, inzwischen hat Obama ja reagiert, aber ich will zeigen, wieviel Macht in den Händen der Fed konzentriert ist. Wenn der Kongreß dem US-Finanzminister eine neue Kaffeetasse für 25 Cent spendieren will, braucht es dafür quasi eine Vorlage, die der Präsident gegenzeichnen muß. Ben Bernanke dagegen hat die Verfügungsgewalt über Billionen von Dollar – ohne etwas gegenzeichnen lassen zu müssen. 

Was schlagen Sie vor?

Wessel: Der Kongreß hat völlig recht, wenn er inzwischen neue Gesetze macht, um Alternativen zur Fed zu schaffen. Als ersten Schritt plädiere ich vor allem dafür, die Fed transparenter machen. Dazu gehört etwa, den bizarren Anachronismus zu beseitigen, daß Privatbankiers die Direktoren der zwölf regionalen Federal-Reserve-Banken wählen.

Was aber muß grundsätzlich getan werden?

Wessel: Vor allem brauchen wir eine Behörde, die nach Krisen Ausschau hält, die nach Krisenrisikofaktoren sucht und diese verantwortlich bekämpft. Das Wort „verantwortlich“ ist dabei ganz wichtig, denn es gab ja Warner, die aber sagen konnten bzw. mußten: Die Konsequenzen zu ziehen, ist die Aufgabe von anderen. Man darf allerdings nicht glauben, daß es uns jemals gelingen wird, ein System zu schaffen, das Krisen an sich verhindern kann. Die Deutsche Mark etwa genoß immer großes Ansehen, dennoch war es nicht so, daß Deutschland bzw. heute Europa und die EZB mit dem Euro vor Krisen gefeit sind.

Wie fällt Ihr Fazit aus, wenn Sie Fed und EZB vergleichen?

Wessel: Keine der beiden hat sich in der Krise 2008 mit Ruhm bekleckert, aber die EZB hat immerhin schnell registriert, was da aus den USA auf Europa zukommt, und hat den Markt mit Liquidität geflutet. Sicher gibt es Spannungen zwischen Fed und EZB, aber anders als 1929, als vor allem Konkurrenz zwischen den Zentralbanken geherrscht hat, kooperiert man heute. Es heißt, die EZB sei zu ängstlich gegenüber möglicher Inflation und nicht genug um Wachstum bemüht. Die Fed dagegen macht eine einfachere Geldpolitik als die Europäer, und die US-Ökonomie erholt sich schneller. Aber wer wirklich am Ende recht haben wird, das sehen wir erst in ein paar Jahren.

 

David Wessel, Jahrgang 1953, ist Publizist und Wirtschaftsredakteur des Wall Street Journal, zuvor war er beim Boston Globe. Den Pulitzer-Preis erhielt er 1983 und 2002. Sein Buch „Die große Panik. Das Wettrennen zur Rettung der Weltwirtschaft“ ( www.infedwetrust.com ) ist eben im Finanz-Buch Verlag erschienen.

 

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