© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/10 26. Februar 2010 Urvater des Ethnopluralismus Der Kulturhistoriker, Staatstheoretiker und Publizist Arthur Moeller van den Bruck (18761925) war eine Galionsfigur der Konservativen Revolution und einer der wichtigsten Sinnstifter dieser nationalen Sammlungsbewegung. Er war aber, wie Clauda Kemper in ihren sich unkonventionell gebenden Aufsatz über den Verfasser der Programmschrift Das dritte Reich einstreut, auch ein arger Süffel, ein im Selbstmord geendeter Psychopath und Alkoholiker, wie sie in der Februar-Ausgabe der in Köln erscheinenden Publikation Archiv für Kulturgeschichte behauptet. Aus allerlei Reflexionen, die in den letzten Jahren Konturen einer interdisziplinären biographischen Methode annahmen, will Kemper neue Moeller-Bilder gewinnen. Gewiß ist dabei jedoch nur, daß dem Leser wenigstens eine Genderisierung dieses etwas anachronistisch zum Intellektuellen der Neuen Rechten umgetauften Publizisten erspart bleibt. Ansonsten geht sie auf Distanz zu Erzählmustern der Moeller-Rezeption nach 1945, die von Mohler und Schrenck-Notzing bis zu Weißmann und Kroll die Diskontinuität zwischen Konservativer Revolution und Nationalsozialismus hervorheben. Eine für Kemper leider anschlußfähige Deutung, denn in rechten Foren des Internet würden Moeller-Texte so verwertet, daß sie weder an NS-Größen ankoppeln noch sich am bürgerlichen Konservatismus orientierten. Dadurch werde der Verfasser des 1923 erschienenen Werkes Das dritte Reich zum durch die nationalsozialistische Wende von 1933 kaum kontaminierten Urvater des politisch begründeten Ethnopluralismus. Damit und mit dem Referat des allzu bekannten Lebenswegs endet aber bereits Kempers biographische Annäherung, ohne daß die verheißenen neuen Perspektiven die linearen Erzählstrukturen und eindimensionalen Beschreibungen wirklich aufgebrochen hätten. Daß der Ideologe von Preußentum und Sozialismus ganz nebenbei seinen Volksgenossen als Übersetzer den Werkkosmos Dostojewskis und Edgar Allan Poes erschließen half, würde ohnehin in dieser Sinndeutung der Verfasserin zu viele Dimensionen abverlangen. |