© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/10 05. März 2010

Zeitschriftenkritik: G/Geschichte
Agonie in Eis und Schnee
Werner Olles

Die monatlich erscheinende Zeitschrift G/Geschichte beschäftigt sich in ihrer März-Ausgabe als Schwerpunktthema mit Napoleon Bonaparte, Held von Ägypten, Erster Konsul und Schöpfer einer neuen staatlichen Ordnung, der sich selbst zum Kaiser der Franzosen krönte. Zwischen Triumph und Tragödie, Hochmut und Untergang schuf er nicht nur neue Gesetze, sondern stand, ohne es zu wollen, auch am Beginn von Deutschlands Aufbruch aus seiner Kleinstaaterei aus Bistümern, Fürstentümern und Freien Städten. Wie ein Jahrhundert später Adolf Hitler scheiterte auch Napoleon an Rußlands Winter und den unermeßlichen Weiten dieses gewaltigen Landes. Tatsächlich weist der Verlauf ihrer Feldzüge bemerkenswerte Parallelen auf: Schnellen Vormärschen und scheinbar leichten Siegen folgten plötzliche Rückschläge und schwere Niederlagen bis hin zum ungeordneten Rückzug und an dessen Ende „nur noch eine bittere Agonie in Eis und Schnee“, wie Chefredakteur Klaus Hillingmeier in seinem Editorial schreibt.

Ähnlich wie Hitler scherte sich auch Napoleon keinen Deut um das Leben seiner Soldaten, wie er dem österreichischen Kanzler Fürst von Metternich in einem Wutanfall angeblich entgegengebrüllt haben soll. Menschliche Hybris und Größenwahn mischten sich bei dem „korsischen Ungeheuer“ mit den Idealen der Französischen Revolution von Gleichheit und Freiheit. Weder Preußen noch Österreich hatten dem selbsternannten Erben Caesars standgehalten, bis schließlich 1812 der Untergang der glanzvollen Grande Armée – von der nur zehn Prozent ihre Heimat wiedersahen – beim Rußlandfeldzug den Anfang vom Ende Napoleons und des zerfallenden Empire einläutete.

Während der Jakobsweg inzwischen nicht nur Wallfahrern und Pilgern bekannt sein dürfte, ist die Via Francigena, der wichtigste Pilgerweg des Mittelalters bei einer Wallfahrt nach Rom, heute nur noch wenigen ein Begriff. Doch auf der Suche nach Alternativen entdecken immer mehr Pilger nun auch die Via Francigena wieder. Manche beginnen sogar im fernen Canterbury oder Reims und haben dann sechs oder neun Wochen stramme und kräftezehrende Wanderschaft vor sich. Andere teilen den langen Weg, der am 2.400 Meter hoch gelegenen Sankt-Bernhard-Paß in der Schweiz offiziell beginnt, in Etappen auf und stoßen erst in Italien auf die Spuren ihrer Vormarschierer. Weit weniger durchorganisiert als der Jakobsweg, verlangt die Francigena mehr Mühe, Anpassungsfähigkeit und Eigenorganisation. Doch wer sich dieser Herausforderung stellt, wird nicht nur mit einem Abenteuer belohnt, sondern sieht und erlebt auf dieser Pilgerfahrt auch Dinge, die er bei einer Massenbewegung wie der Wallfahrt zum Heiligen Jakob wohl kaum gesehen und erlebt hätte.

Über den von einer Monsterwelle verursachten tragischen Untergang des Frachtschiffs „München“ nördlich der Azoren vor dreißig Jahren berichtet im Teil „Schiffe und Schicksale“ ein weiterer lesenswerter Beitrag.

Anschrift: Bayard Media, Böheimstraße 8, 86153 Augsburg. Das Einzelheft kostet 4,90 Euro, das Jahresabo 52,80 Euro. Internet: www.g-geschichte.de 

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