© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/10 12. März 2010

Stunde der Zocker
Griechenland-Hilfe: Unverbindliche Nebelkerzen aus Berlin
Bernd-Thomas Ramb

Offensichtlich war doch alles gar nicht so schlimm. Die griechische Regierung beteuert, keinen Cent von Deutschland haben zu wollen, um die maroden Staatsfinanzen in den Griff zu bekommen. Die jüngste Staatsanleihe der Griechen über fünf Milliarden Euro hat eine dreifach so hohe Nachfrage gefunden.

Die Griechen lieben die Deutschen und wollen auch das von den Nationalsozialisten geraubte Gold nicht wiederhaben – zumindest nicht im Zusammenhang mit der griechischen Schuldenkrise. Ein Schuft, wer da noch Zweifel äußert, Griechenland würde seine Probleme nicht alleine lösen können. Ein Naivling, wer glaubt, damit wäre alles in Ordnung. Hier wird mit juristischen Spitzfindigkeiten und plakativen Nebelkerzen gearbeitet. Kein Cent von Deutschland heißt: Griechenland besteht auf deutsche Unterstützung, egal in welcher Form. Eine dreifach überzeichnete Staatsanleihe heißt: Hier wurden Renditeangebote gemacht, die kaum einer ablehnen kann. 6,25 Prozent Zinsen versprechen die griechischen Anleihen den Gläubigern für die nächsten zehn Jahre. Die Rendite ist damit doppelt so hoch wie bei deutschen Staatsanleihen.

 Kein Wunder also, daß die Deutschen bei der Griechenlandanleihe ganz besonders eifrig zugegriffen haben. Zusammen mit den Briten haben sie mehr als ein Drittel des Anleihevolumens erworben – die Briten vor allem deshalb, weil ihre eigene Währung in einer tiefen Krise steckt. Bei einem anderen Drittel der Griechenlandanleihe ist der Abnehmer nicht erkennbar; es darf insgeheim spekuliert werden.

Offen werden von der griechischen Regierung die Spekulanten angegriffen, die mit ihren Wetten auf die Staatspleite die Zinsen in die Höhe getrieben hätten. In ihre Freude über die reibungslose Plazierung der Staatsanleihe mischt sich der Zorn über die Höhe der zu zahlenden Zinsen. Als ob der griechische Risikoaufschlag auf den europäischen Basiszinssatz in der Willkür der Spekulanten läge.

Spekulation ist nichts anderes als die unsichere Erwartung künftiger Ereignisse. Wer Griechenland Geld leiht, kann es wie vereinbart zurückerhalten – oder nicht, weil Griechenland sich für zahlungsunfähig erklärt. Steigt das Risiko des Staatsbankrotts, muß den „Spekulanten auf einen guten Ausgang“ für ihre Anlage ein höherer Zins angeboten werden, sonst geben sie einfach ihr Geld nicht her. Die Höhe des Zinsaufschlags bestimmt, wenn es sauber zugeht, die gemeinschaftliche (marktwirtschaftliche) Erwartung aller Spekulanten.

Unredlich wird die Spekulation, wenn „Insider“-Informationen ins Spiel kommen, wenn ein Spekulant über die Hintergründe der griechischen Staatsanleihen genaueres weiß als die anderen; beispielsweise geheime Vereinbarungen der deutschen mit der griechischen Regierung kennt, im Falle eines drohenden Staatsbankrotts auf jeden Fall finanzielle Unterstützung zu leisten. Im Grunde ist es genau die Geheimniskrämerei der Bundesregierung, ob sie nun – allein oder gemeinsam mit anderen Euro-Ländern – Griechenland aus der Misere helfen wird oder nicht. Dies eröffnet erst der Spekulation Tür und Tor.

Gebetsmühlenhaft wiederholt die Bundeskanzlerin, sie vertraue darauf, daß sich Griechenland allein aus der Krise befreien werde. Daraus entsteht alles andere als eine Sicherheit der Erwartungen.

Je unsicherer die Erwartungen über die griechische Zahlungsfähigkeit, um so größer die Spannweite der Spekulationen und um so höher der damit hervorgerufene Zinsaufschlag. Griechenlands Bitte um Mithilfe gegen die Spekulationen ist daher im Kern eine Aufforderung, die deutsche Regierung solle endlich Klarheiten schaffen.

Das aber will Kanzlerin Merkel aus durchsichtigen Gründen gerade nicht. Lehnt sie kategorisch die Griechenlandhilfe ab, erntet sie einen außenpolitischen Scherbenhaufen. Sichert sie diese zu, wackeln die innenpolitischen Wände. Die alten Euro-Kritiker – in den neunziger Jahren versammelt im „Bund Freier Bürger“– werden sich zur neuen Verfassungsklage zusammenfinden, und die Bevölkerung ist keinesfalls soweit vergreist, daß sie die Erinnerung an die Deutsche Mark verloren hätte.

Machtpolitisch taktisch bleibt Merkel nichts anderes übrig, als permanent Unverbindliches zu wiederholen. Das Lavieren ist auch nicht, wie manche vermuten, auf den Zeitraum bis zur Nordrhein-Westfalen-Wahl beschränkt. Die Politik des Unklaren ist seit langem zur Methode geworden. Sie kann am besten den Anschein erwecken, ein eloquentes Krisenmanagement zu leisten, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Zuletzt hat sich dieses Konzept bei der Lehman-Pleite bewährt. Daß diese politische Methode erst die ungesicherten Brunnen gräbt und die Kinder auf den Weg dorthin lockt, sehen nur noch wenige, deren Mahnungen zudem auf betäubte Ohren stoßen.

Die politische Machtrechnung wird allerdings ohne den ökonomischen Wirt gemacht. Die spekulative Reaktion auf die politische Unsicherheit deckt gnadenlos die wirtschaftlichen Kosten dieser Taktik auf. Um diese Wahrheit auch noch zu unterdrücken, müßte die Bundesregierung nicht zuletzt die Freiheit der internationalen Finanzmärkte aufheben.

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