© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/10 12. März 2010

Auf dem Weg zur Gleichstellung
Integration: Während der Bundesinnenminister die Islamkonfrenz neu besetzt, reißen sich deutsche Universitäten darum, Imame auszubilden
Michael Paulwitz

Die türkische Zeitung Hürriyet hatte es zuerst gemeldet: Die prominenten säkularen Stimmen der Soziologin Necla Kelek und der Frauenrechtlerin Seyran Ates werden nicht mehr dabeisein, wenn am 17. Mai die „Deutsche Islam-Konferenz“ (DIK) unter dem Vorsitz des neuen Bundes-innenministers wieder zusammentritt. Thomas de Maizière hat das von seinem Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble (beide CDU) 2006 ins Leben gerufene Gremium umgebaut und teilweise neu besetzt. Statt Grundsatzdebatten sollen jetzt konkrete Vereinbarungen etwa zum islamischen Religionsunterricht und zur Ausbildung von Imamen in Deutschland im Mittelpunkt stehen, die auf eine Gleichstellung islamischer Verbände mit den christlichen Kirchen hinauslaufen.

Auch nicht mehr dabei ist der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya. Der Verband wird von der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) dominiert, die von Verfassungsschützern als größte islamistische Organisation in Deutschland beobachtet wird. Staatsanwaltliche Ermittlungen gegen Milli-Görüs-Funktionäre hatten die erste Islamkonferenz zuletzt in Mißkredit gebracht. Deren wesentliche Beschlüsse hatte Kizilkaya ohnehin nicht mitgetragen. Trotz wütender Proteste von Milli-Görüs-Generalsekretär Oguz Ücüncü, des Berliner Innensenators Ehrhart Körting (SPD) und des Generalsekretärs des Zentralrats der Muslime (ZMD) Ayman Mazyek bot de Maizière dem Islamrat lediglich eine „ruhende Mitgliedschaft“ an, die Kizilkaya ausschlug.

Das Gewicht der Einwandererverbände in dem Gremium wird dennoch weiter steigen. Als fünfter Verbandsvertreter neben dem Zentralrat, der deutschen Filiale der türkischen Religionsbehörde Ditib, dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und der Alevitischen Föderation wird künftig der für seine beharrliche tagespolitische Lobbyarbeit bekannte Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Kenan Kolat, teilnehmen. Über den von Ditib gesteuerten Koordinierungsrat der Muslime (KRM), dem auch ZMD und VIKZ angehören, ist auch der Islamrat indirekt weiter mit an Bord.

Die geschaßte Islamkritikerin Necla Kelek hatte nach der ersten DIK-Runde im Juni 2009 (JF 17/09) noch ein Zurückstutzen des Gewichts der KRM-Verbände, die nur eine Minderheit der hier lebenden Muslime vertreten, und mehr inhaltliche Diskussionen gefordert. Genau das hat der Innenminister offenbar nicht im Sinn: „Es soll keine langen Debatten mehr geben“, mutmaßt die ebenfalls ausgeladene Gründerin der Initiative Säkularer Muslime, Ezhar Cezairli: „Aber dann bekommen die Verbände zu viel Einfluß.“

Eine kritische Theologie ist wenig gefragt

Dafür spricht auch die neue Struktur der Konferenz. Statt bisher vier „Projektgruppen“ tagt zwischen den jährlichen Plenarsitzungen jetzt ein „vorbereitender Arbeitsausschuß“, der „flexible Projektgruppen“ berufen kann. Konkrete Anliegen, die gemeinsam mit Ländern und Kommunen vorangebracht werden sollen, sind islamischer Religionsunterricht an Schulen, islamische Theologie an Universitäten und die öffentliche Aus- und Fortbildung von Imamen.

Drei Zentren für islamische Theologie an deutschen Hochschulen zur Ausbildung solcher Vorbeter und von islamischen Religionslehrern hat kürzlich der Wissenschaftsrat empfohlen. Zwar lehnt die von Ankara gesteuerte Ditib, die bislang das Gros der über 2.000 hier tätigen Imame von türkischen Hochschulen importiert, eine Imam-Ausbildung an deutschen Universitäten ab, unterstützt aber die Etablierung islamischer Theologie an den Hochschulen. Die landespolitische Konkurrenz um Mittel und Lehrstühle ist in vollem Gange. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) fordert ebenso eines der drei Zentren wie der bayerische Landtag. Im Freistaat konkurrieren Erlangen und München; Heidelberg, Tübingen und Jena laufen sich ebenfalls warm.

An der Universität Osnabrück baut Bülent Ucar, zugleich eines der zehn muslimischen Einzelmitglieder der Islamkonferenz, als Leiter des Zentrums für Interkulturelle Islamstudien ein Institut für Islamische Theologie auf, das in wenigen Jahren einen Imam-„Bachelor“ und schon vom kommenden Wintersemester an eine einjährige Fortbildung für bereits tätige ehrenamtliche oder vom türkischen Staat entsandte Imame anbieten wird. Auf einer Osnabrücker Konferenz zur „Imamausbildung in Deutschland“ Ende Februar forderte Ucar die Anerkennung des Islam als Religionsgemeinschaft und Körperschaft des öffentlichen Rechts; die erste Forderung versprach der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) mit einem Staatsvertrag alsbald zu erfüllen.

In Deutschland ausgebildete Imame würden nur akzeptiert, wenn die Muslim-Verbände bei der Entwicklung der Studiengänge mitreden könnten, sekundierte der Vorsitzende des Landesverbandes der Muslime in Niedersachsen, Avni Altiner. Wissenschaftlich-kritische Theologie ist dabei weniger gefragt. Das hatte schon 2008 die Boykott-Kampagne des KRM gegen den Münsteraner Religionspädagogen Muhammad Sven Kalisch gezeigt (JF 19/09). Dennoch spricht sich der Wissenschaftsrat dafür aus, den Dachverband der Dachverbände als „besten Anwalt muslimischer Interessen“ in die Beiräte islamischer Theologie-Institute zu berufen. Die zweite Runde der Islamkonferenz und die Forcierung der Imam- und Religionslehrerausbildung könnten die Verbände ihrem Ziel der Gleichstellung mit den christlichen Kirchen ein großes Stück näherbringen.

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