© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/10 12. März 2010

„Das Störfeuer muß eingestellt werden“
Machtkampf: Die Geschlossenheit der CSU war einst legendär, jetzt steht der desolate Zustand der Partei für den Niedergang des bürgerlichen Lagers
Paul Rosen

Das war früher nicht anders“, hörte man aus dem Mund von Theo Waigel. Der frühere CSU-Chef und Finanzminister war zufällig in das Pressegespräch des CSU-Landesgruppenchefs Hans-Peter Friedrich geplatzt und angesichts der einladenden Brezeln und Weißwürste geblieben. Waigel durfte von Friedrich Sätze hören wie diesen: „Ich verschweige nicht, daß Äußerungen von nicht zuständigen Politikern aus dem Süden des Landes störend sind.“ Mit Blick auf den eigenen Parteichef Horst Seehofer und den bayerischen Gesundheitsminister Markus Söder, die sich heftig gegen die von FDP und CDU favorisierte Kopfpauschale im Gesundheitswesen ausgesprochen hatten, sagte Friedrich noch: „Das Störfeuer muß eingestellt werden.“

Waigel irrt. Kein Landesgruppenvorsitzender der CSU hatte in den vergangenen 25 Jahren solche Sätze gegen die eigene Partei losgelassen. Die Breitseite von Friedrich zeigt den Selbstzerlegungsprozeß der christlich-liberalen Koalition in Berlin einerseits und der CSU andererseits. Zusammen mit der Orientierungslosigkeit und dem aktuellen Sponsoring-Skandal der CDU zeigt sich die Implosion des bürgerlichen Lagers insgesamt.

Als einmalige Entgleisung läßt sich der Vorgang auch nicht mehr beiseite wischen. Von den CSU-Bundestagsabgeordneten erhielt Friedrich Unterstützung: „Söder sagt immer, was nicht geht, aber er sagt nie, was geht“, wurde etwa der CSU-Abgeordnete Max Straubinger zitiert. Umgekehrt wurde aus dem Süden scharf geschossen wie nie: Söder spottete, Friedrich sei ein „hervorragender Landesgruppenvorsitzender“, aber „noch nicht so in den Tiefen der Gesundheitspolitik verankert“. Und Seehofer watschte Friedrich gnadenlos ab: „Bodenloser Unsinn“ sei das, was der Landesgruppenvorsitzende von sich gegeben habe. „Was er sich geleistet hat, das kann man mit Freundlichkeit nicht wettmachen“, tobte Seehofer weiter gen Berlin, wo sich Friedrich allerdings der Unterstützung eines großen Teils seiner Landesgruppe sicher sein kann.

Die Frage bleibt, wie die CSU, deren Geschlossenheit und Kampfkraft einst legendär waren, so auf den Hund kommen konnte. Antworten gibt es mehrere: Zum einen befindet sich das klassische bürgerliche Lager nicht nur in Deutschland im Niedergang. Milieus und Unterstützer brechen weg – umgekehrt schauen schwache bürgerliche Politiker tatenlos zu, wie die tragenden Säulen ihrer Politik wie Nation, Familie und Kirche niedergerissen werden. Die Entwicklung mag in Bayern langsamer verlaufen, das Ergebnis ist jedoch dasselbe wie in anderen Teilen des Landes: Die Mehrheitsfähigkeit der Bürgerlichen ist weg.

Die einstige Herzkammer der CSU, die Landtagsfraktion im Münchener Maximilianeum, ist längst nicht mehr das Machtzentrum. Wo früher die Richtung der CSU-Politik bestimmt, als Arbeitsauftrag an die Staatskanzlei gegeben und dort eins zu eins umgesetzt wurde, gibt es jetzt quälende Koalitionsverhandlungen mit der FDP. Die CSU, in Umfragen bei 42 Prozent pendelnd, ahnt, daß sie die Hoffnung aufgeben muß, bald wieder absolute Mehrheiten zu gewinnen.

Die Person Seehofer ist dazu auch nicht geeignet. Der Ingolstädter war eine Notlösung nach dem desaströsen Scheitern der Stoiber-Epigonen Beckstein und Huber. Es gab schlicht keinen anderen als Seehofer, der zwar vor allen Kameras das große Wort schwingt, aber ein Einzelkämpfer ist, der keine Teams bilden kann.

Die Teams in der CSU bilden sich um andere: Da sind einerseits die Bundestagsabgeordneten, die ein Negativ-Bündnis gegen den inhaltlich stark schwankenden Seehofer gebildet haben. Ihre Leitfigur dürfte im Zweifel nicht der nette Herr Friedrich, sondern der glatte „Baron aus Bayern“ (Gerhard Schröder), der Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, sein. Und in München sammeln sich viele um Söder, dem man die brutale Führungsstärke eines Franz Josef Strauß oder des jungen Edmund Stoiber attestiert. 

Es läuft also alles auf eine Schlacht in der CSU hinaus, deren Feldherren Söder und Guttenberg sein könnten. So wie sich Waigel und Stoiber die Macht nach dem Abgang von Max Streibel zunächst teilten und den Kampf trotzdem fortsetzten, bis Waigel 1998 verlor, so ist auch jetzt die Bipolarität der bayerischen Welt die wahrscheinlichste Post-Seehofer-Variante.

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