© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/10 12. März 2010
Fetisch der Antideutschen Seit der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 gilt dieser nicht nur als Feindobjekt in der arabischen Welt, sondern auch zunehmend als Fetisch bei deutschen Intellektuellen, Politikern und Journalisten. Die Gründung Israels wird gerne in unmittelbaren Zusammenhang mit der Judenverfolgung der Nationalsozialisten gestellt und moralisch begründet, obschon das Ziel der Errichtung dieses Staates schon in der zionistischen Bewegung des neunzehnten Jahrhunderts formuliert worden war. Der konstruierte Zusammenhang zwischen deutscher Schuld und jüdischer Anspruch durchzieht das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und Israel bis heute. 2008 behauptete Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einem Staatsbesuch in Israel etwas selbstüberschätzend, daß es den jüdischen Staat ohne die Deutschen nicht geben würde. Und sie bekräftigte vor der Knesset die besondere historische Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels als Teil der Staatsräson Deutschlands. Mittlerweile bewegt linke Publizisten und Pädagogen eher das Problem, wie man den latenten Antisemitismus eingewanderter muslimischer Jugendlicher bekämpfen und die künftigen Neubürger zur Annahme der deutschen Vergangenheitsbewältigung als gemeinsame Integrationsbasis bewegen kann. Die Vorgaben finden ihre Abnehmer, und zwar vor allem im Linksprotestantismus und einem Ableger der radikalen Linken, den Antideutschen. Israel dient zum großen Teil als Projektionsfläche bei der Zelebrierung des Schuldkults oder bei der Flucht vor diesem. Das älteste Beispiel hierfür ist die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste. Die 1958 auf der evangelischen Synode gegründete Organisation schickt jährlich Jugendliche in diverse Länder, darunter die ehemaligen Siegermächte, damit diese aus dem Bewußtsein historischer Schuld heraus dort freiwillige soziale Dienste ableisten. Zudem werden jährlich 30 Freiwillige nach Israel geschickt, die dort ältere Menschen betreuen oder in der nationalen Gedenkstätte Yad Va-shem arbeiten. In den vergangenen Jahren haben einschlägige antifaschistische Publizisten gerne in jüdischen Periodika veröffentlicht, wahrscheinlich nicht nur weil sie sich in der Opfergemeinschaft besser beheimatet, sondern weil sie sich dort schlicht vor Kritik sicherer wähnen. Gernot Modery alias Anton Maegerle publizierte beispielsweise 2006 in der jüdischen Tribüne über die iranische Rechtsextremisten-Connection. Der durch seine beleidigenden Äußerungen über deutsche Vertriebene aufgefallene Samuel Salzborn präsentierte dieses Jahr in der Jüdischen Allgemeinen die Galerie der Judenhasser, die von Luther über Hohmann bis Möllemann und Chavez reichte. Eine radikale Form der Solidarität mit Israel üben die sogenannten Antideutschen. Die Ende der achtziger Jahre entstandene antideutsche Ideologie ist sehr schlicht gestrickt sie ist nämlich eigentlich die des Nationalsozialismus, bloß daß sie zu den entgegengesetzten Bewertungen kommt. Seinen Wurzelgrund hat dieser säkulare Glaube im dualistischen Schema der klassischen Offenbarungsreligionen. Galt den Nationalsozialisten der Jude als Inbegriff für Internationalisierung, Auflösung kultureller Traditionen und Verwestlichung, der Arier hingegen faktisch als Garant einer auf preußischem Ordnungssinn und deutscher Romantik beruhenden neuen Ära, so sehen dies die Antideutschen im Prinzip genauso. Bloß bewerten sie Internationalisierung, Kulturauflösung und Verwestlichung als positiv, Preußen oder die deutsche Romantik negativ. So rufen sie folgerichtig Deutschland, Klappe halten, feiern Bomber-Harris und bringen den Antigermanismus in weiten Teilen der linken Eliten nur zu seinem folgerichtigen Ende. Bei Antideutschen wird der Fetisch Israel und die Verehrung der militärischen Schutzmacht Amerika auf die Spitze getrieben. Beiden Nationen wird faktisch das alleinige Überlebensrecht zugebilligt. Innerjüdische Dissidenten, Querdenker oder Pazifisten werden in diesem nationalistischen Israel-Szenario ignoriert oder kritisiert. Antideutsche schwenken somit bei ihren Antifa-Aktionen, zuletzt gegen das Gedenken an die Bombenopfer Dresdens, nicht nur gerne die Fahnen der alliierten Mächte des Zweiten Weltkriegs, weil sie damit das Land, das den Krieg verloren hat, zu verhöhnen hoffen, sondern mit Vorliebe auch die Flagge Israels. Daß sie damit die Staatsflagge dieses Landes für mindestens zweifelhafte politische Standpunkte mißbrauchen, mag ihnen dabei nicht bewußt sein. 2007 etwa überfielen Antideutsche ein Vertriebenentreffen in Viersen, zeigten dabei eine israelische Flagge, skandierten Nie wieder Deutschland und verletzten eine 82jährige Frau mit Fausthieben. Aus dem Philosemitismus ergibt sich eine mindestens ambivalente Einstellung der Antideutschen zur Einwanderung aus dem arabischen Raum, die zwar unterstützt wird, solange sie die deutsche Kulturhegemonie bricht, aber abgelehnt, sobald sie politisch aktiv wird. Etwa indem sie sich so ein Nutzer des Internetportals indymedia 2006 als Horde wildgewordener Moslems präsentiert oder wie der arabische Messerstecher auftritt, der 2007 in Frankfurt am Main einen Rabbiner mit den Worten Scheiß-Jude, ich bring dich um niederstach. Die jungen Antideutschen stehen innerhalb der Szene der radikalen Linken den älteren Antiimperialisten gegenüber, deren Sympathie traditionell den sozial deklassierten Palästinensern gegenüber dem Aggressor Israel gilt. Das führt zu regelmäßigen Konflikten. Antideutsche, etwa der Gruppe 8. Mai, beklagten des öfteren körperliche Attacken gegen ZionistInnen und einen linken Pseudo-Antikapitalismus, hinter dem sich antisemitische Bilder und Strukturen verbergen. 2006 bezichtigte die antideutsche Zeitung Jungle World die trotzkistische Gruppe Linksruck eines aggressiven Antizionismus, der Hamas und Hisbollah als rechtmäßigen Widerstand interpretiere. Linke Antiimperialisten kontern, indem sie etwa bei indymedia dem antideutschen Redakteur der Zeitschrift Bahamas, Justus Wertmüller, rassistische Gewalt- und Vernichtungsphantasien gegenüber Arabern vorwerfen. 2005 kritisierte die altlinke Junge Welt die Antideutschen als Gaga-Fraktion, die antikapitalistische Positionen zugunsten der plumpen Losung USA = Antifa verlassen und einen permanenten Wächterrat gebildet hätte. Zudem verträten sie antiislamische Positionen, die den Sterotypen des Antisemitismus folgten. Stammautor Daniel Bax kritisierte die Antideutschen für ihre Skepsis gegenüber Muslimen 2007 in der taz als anfällig für neokonservative Positionen. Die Argumente der radikalen Linken drehen sich. Jeder wirft mittlerweile jedem Antisemitismus und latenten Rechtsextremismus vor. Auch im rechten Spektrum existiert das Israel-Schisma, das aber weitaus weniger aggressiv, feindlich und psychopathologisch ausgetragen wird. Das islamkritische Internetportal Political Incorrect bekennt sich deutlich zu den Vereinigten Staaten und Israel, wohl auch um sich von latent antiamerikanischen und antijüdischen Positionen abzugrenzen, wie sie etwa im NPD-Spektrum zu finden sind. In dieser weltpolitischen Ausrichtung ist Political Incorrect den Antideutschen sehr nah, wenngleich allerdings mit einer im Innern dezidiert prodeutschen Grundhaltung. |