© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/10 12. März 2010

„Die Grenze“ auf Sat.1: Antifa-Lehrstück von grober Symbolik
Mit Links gegen Rechts
Herdis Helgenberger

Deutschland ist der heimliche, aber düstere Star dieser filmischen Utopie: Nach Terroranschlägen auf arabische Ölraffinerien wird der Treibstoff knapp, in der materiellen Not beginnt sich die dünne Membran der Zivilgesellschaft aufzulösen. Linke und rechte Krawalleros proben den Straßenkrieg. Die Nation droht zu zerfallen in zwei feindliche politische Lager, deren führende Köpfe ihre Anhänger auf die gewaltsame Machtübernahme einzuschwören suchen.

Kurz vor den Landtagswahlen gerät das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern zum Testfall für die Föderation, als die zwei gegnerischen Parteien am extremen rechten und linken Rand auf die Gründung einer eigenständigen Republik zusteuern. Wer von beiden wird die Macht im Nordland an sich reißen?

Trivialer Zweikampf zwischen Gut und Böse

Der zweiteilige Film vom Großproduzenten Teamworx („Dresden“, „Die Flucht“,„Mogadischu“) setzt mit einer politischen Fiktion ein, die bislang nur unter Staatsrechtlern für Herzflimmern gesorgt haben dürfte. Nun hat der Regisseur Roland Suso Richter das Szenario einer (national-)sozialistischen Staatsneubildung in der Manier eines „politischen Thrillers und Genrefilms“ in Szene gesetzt (15., 16. März, 20.15 Uhr, Sat.1).

Mit der ungewöhnlichen Exposition entwickelt das Geschehen schnell Verve. Da ist die junge Mutter Nadine Manz (Marie Bäumer), die im strukturschwachen Rostock verzweifelt auf Jobsuche ist, die durch die verschärfte Krise zur Erfolglosigkeit verurteilt ist. Zeitgleich in der Hauptstadt muß der selbstbewußte Werbeprofi Rolf Haas, dargestellt von Benno Fürmann, sein schickes Großraumbüro räumen. Zu Hause stellt er fest, daß sein Vermieter inzwischen das Schloß in seiner Wohnungstür ausgewechselt und die Bank sein Konto gesperrt hat. Mit halbgeleerter Wodkaflasche in der Hand sieht man ihn trübsinnig auf der Straße hocken, als ihn unvermittelt eine attraktive Unbekannte im schwarzglänzenden Sportwagen anspricht und zu sich nach Hause nimmt.

Ab hier beginnt sich alles zu einem stimmigen Bild zu verdichten: Haas’ obskure Samariterin stellt sich als Agentin des Verfassungsschutzes heraus; souverän gespielt von einer lustvoll unterkühlten Anja Kling, an der die Emotionsarmut der Rolle auch in den absurdesten Momenten haftet wie ihr lässiges Emma- Peel-Outfit. Sie will Haas’ trübe Vergangenheit als linksradikaler Aktivist benutzen, um ihn als Maulwurf in die von seinem ehemaligen Freund Maximilian Schnell gegründete rechtspopulistische Partei DNS (Deutsch. National. Stolz) einzuschleusen. Die ist dabei, in Mecklenburg-Vorpommern die Regierung zu übernehmen, während das Kanzleramt nur hilflos Schnells braunen Aktivitäten zusehen kann. Köstlich zu verfolgen sind hier die wechselnden Ansichten von Katja Riemann als ständig verschnupfte Bundeskanzlerin mit Udo-Walz-Frisur, die in ihrer Not mit der „Neuen Linken“ paktiert, um die Rechten zu verhindern.

Der ambitioniert begonnene Erzählstrang des ersten Teils, die Rivalität zwischen dem messianisch auftretenden DNS-Parteiführer Schnell und dem von einer sozialistischen Republik träumenden Chef der Neuen Linken Franz Geri, verliert sich im zweiten Teil beinahe völlig. Ins Zentrum schiebt sich  ein trivialer Zweikampf zwischen Schnell und Haas, den der Wille, das von einem brutalen DNS-Schergen verletzte Kind Nadines vor der Erblindung zu retten, zum Helden läutert.

Wohin die Sympathien fallen sollen, spürt der Zuschauer spätestens an der liebevollen Inszenierung von Nadines Vater (Uwe Kockisch) als ehrlicher Sozialistenhaut, der in NVA-Uniform den roten Robin Hood der Straße gibt. Noch deutlicher wird die politische Stoßrichtung in der Doku über die Gefahr durch die „reaktionäre Rechte“ NPD, die im Anschluß des ersten Teils läuft.

Ein durchaus faszinierender Filmstoff wird hier leider verschenkt für ein antifaschistisch getrimmtes Hochglanzlehrstück in der Tradition von „Die Welle“.

Fotos: DNS-Chef Schnell (T. Kretschmann): Reich und skrupellos, Neue-Linke-Chef Geri (J. Heinrich): Für eine neue kleine DDR

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