© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/10 19. März 2010

Bayern in Sachsen und Thüringen
Die CSU im Wendejahr: Den außerbayerischen Ablegern wurde schnell der Garaus gemacht
Andre Freudenberg

Das Treffen in Wildbad Kreuth vor 23 Jahren ging in die Geschichte ein: Auf der Klausur der CSU-Landesgruppe wurde abgestimmt, ob die Partei zukünftig eine eigenständige Bundestagsfraktion bilden will und zudem auch Kandidaten außerhalb Bayerns aufgestellt werden dürfen. Der mit knapper Mehrheit beschlossene Antrag war bereits vier Wochen später Makulatur, vor allem wegen des Widerstands seitens des CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl und lokaler CSU-Mandatare.

Der Projekt „bundesweite CSU“ war faktisch beerdigt, bevor es überhaupt richtig begonnen hatte. Die Unionsschwestern vereinbarten, sich nicht über ihr jeweiliges Territorium hinaus auszudehnen und ihre Fraktionsgemeinschaft fortzusetzen. Wenn sich Strauß in den achtziger Jahren anderweitig äußerte, dann waren dies höchstens verbale Drohgebärden zur Bekräftigung der eigenen Position, mehr nicht.

Dreizehn Jahre später: Unter den neuen Gruppierungen, die im Zuge der friedlichen Revolution in der DDR entstanden, war auch eine CSU. Im November 1989 gründeten sich sporadisch Ortsgruppen, die im Sommer 1990 einen sächsischen Landesverband aus der Taufe hoben. Vor allem in den Ortschaften, die recht nahe an Bayern lagen, war das Interesse groß: Auch in Thüringen gab es bald erste Ortsverbände.

Dort, wo die CSU bei den sächsischen Kommunalwahlen am 6. Mai antrat, erzielte sie erstaunliche Ergebnisse: Im vogtländischen Städtchen Markneukirchen stellte sie den Bürgermeister, in der etwas nördlicher gelegenen Kleinstadt Lengenfeld kam sie auf 20 Prozent. Karl-Heinrich Hoyer, damals CSU-Bürgermeister von Markneukirchen, sieht die Gründe für das gute Abschneiden „in der gradlinigen Politik“ von Franz Josef Strauß, der trotz seines Ablebens nichts von seinem Glanz verloren hatte.

Bereits Ende 1989 dachten einige in Bayerns CSU über „Ableger“ in den neuen Bundesländern nach. Zu ihnen gehörte der damalige CSU-Vize Edmund Stoiber, aber auch Umweltminister Peter Gauweiler. Hintergrund war die Frage, ob die Vorteile von CSU-Gründungen in Mitteldeutschland die Nachteile eines eventuellen CDU-Einmarsches in Bayern ausgeglichen hätten, schließlich betrachtete die CDU jegliche CSU-Verbände außerhalb Bayerns als „illegitime“, den „Kreuther Beschlüssen“ widersprechende Konkurrenz.

Bei diesem Abwägungsprozeß plädierten CSU-Chef Theo Waigel und sein Generalsekretär Erwin Huber gegen eine mitteldeutsche CSU und gaben statt dessen einer konservativen Neugründung mit dem Namen Deutsche Soziale Union (DSU) den Vorzug, die am 20. Januar 1990 in Leipzig das Licht der Welt erblickte und heute noch existiert.

Stoiber verhandelte intensiv mit CSU-Funktionären

Den 1989 entstandenen CSU-Verbänden wurde zunächst jedoch Eigenständigkeit zugebilligt. Dies hing mit der Besonderheit zusammen, daß es sich um „DDR-Gründungen“ handelte, bundesdeutsches Recht folglich nicht einfach angewandt werden konnte. Somit versuchte Huber, die Mitteldeutschen auf die „sanfte Tour“ von ihrem Vorhaben abzubringen: Bei einem Besuch thüringischer CSU-Ortsgruppen im Juni 1990 schlug er ihnen vor, sich in der DSU zu engagieren oder auf die in den alten Bundesländern außerhalb Bayerns üblichen Gastmitgliedschaften „umzusteigen“. Auch Stoiber verhandelte intensiv mit CSU-Funktionären in Sachsen und Thüringen, allerdings „ergebnisoffen“, ohne konkrete Versprechungen.

Jene Ortsverbände, die auch weiterhin eigenständig agierten und sich nicht den aus bundesdeutscher Unionssicht „legitimen“ Varianten DSU oder Ost-CDU anschlossen, waren bald zunehmend mit juristischen Drohungen seitens der Bayern konfrontiert. Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus: Eine ganze Reihe von CSU-Ortsverbänden beschlossen nach und nach intern die Auflösung, andere wiederum setzten ihre politische Arbeit in den Kommunalparlamenten bis zum Ende der Legislaturperiode fort.

Zu ihnen gehörte auch die CSU im vogtländischen Plauen, die 20 Prozent der Stimmen erzielte und mit sechs Abgeordneten im Stadtrat saß. Jürgen Wypior, damals in der Plauener CSU aktiv, meinte zu den Auseinandersetzungen mit der Münchner CSU-Spitze: „Herrn Stoiber hat es nicht ganz geschmeckt, Herrn Waigel auch nicht, aber das war uns eigentlich egal.“ Im Jahre 1994 lösten sich dann die letzten CSU-Verbände auf, da es, so Wypior, sinnlos war, mit den wenigen noch verbliebenen Ortsgruppen die politische Arbeit fortzusetzen. Auch die finanziellen Mittel fehlten.

Festzuhalten bleibt, daß kaum eine konservative Gruppierung außerhalb Bayerns je derart hohe Wahlergebnisse erzielen konnte. Zwar waren dies „nur“ kommunale Erfolge, die von regionalen „Standortvorteilen“ und Strauß als „Zugpferd“ profitierten. Sie zeigten aber das enorme Potential, welches der „Markenname“ CSU außerhalb Bayerns entfalten konnte. Aus politischer Kurzsichtigkeit blieb es leider ungenutzt. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

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