© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/10 19. März 2010

Der Untergang Europas
Eurozone: Ein Europäischer Währungsfonds ist nur ein anderes Wort für Lasten- und Finanzausgleich
Wilhelm Hankel

Die Idee stammt von interessierter Seite, dem Chefvolkswirt einer in Griechenland hoch engagierten deutschen Bank und dem EU-finanzierten Centre for European Policy Studies (CEPS). Daß die Auftraggeber beunruhigt sind, ist verständlich. Deutsche und französische Bank- und Versicherungsinstitute zählen zu den Hauptgläubigern Griechenlands. Nachdem bereits die famose Idee mit der Sozialisierung der globalen Bank- und Versicherungsschulden ohne Empörung in Parlament und Öffentlichkeit über die Bühne gegangen ist – warum es nicht mit ihrer Europäisierung versuchen? Im Konzept des Euro als einer Gemeinschaftswährung liegen Sozialisierung und Europäisierung ohnehin dicht beieinander!

Also plädieren die feurigsten EU-Parteigänger (aus Hochfinanz und Big Business) angesichts der auf die heimische Finanzwelt zurollenden Eurolandkrisen für einen aus Beiträgen der EU-Staaten finanzierten Hilfsfonds. Um seinen wahren Zweck zu vernebeln, firmiert er unter dem falschen Etikett eines Europäischen Währungsfonds (EWF) – so als ob es um Hilfe für die Währung, also den Euro ginge. In Wahrheit soll er über Kredite und Bürgschaften EU-Staaten, denen der Konkurs droht, aus der Patsche helfen. Doch genau das ist laut Maastricht-Vertrag in der EU verboten.

Weder ist nachvollziehbar, warum sich die Bundesregierung zu dieser Vertragsverletzung hergibt, noch warum „Sparminister“ Wolfgang Schäuble (CDU) darauf brennt, sich als teuerster deutscher Finanzminister in Friedenszeiten in die Geschichtsbücher einzuschreiben. Schließlich hat er geschworen, „Schaden vom deutschen Volk abzuwenden“. Bei gut einer halben Billion Euro, die noch in diesem Jahr von Griechenland bis Portugal zur Umschuldung anstehen und einem deutschen Anteil an diesem Hilfsfonds von etwa einem Drittel erwachsen dem Bundeshaushalt daraus Lasten von rund 150 Milliarden Euro: das Doppelte seiner bisherigen Schuldenvermehrung.

Das dürfte selbst Deutschlands Finanzierungspotential und derzeit noch intaktes Rating an den Finanzmärkten überfordern. Nicht zuletzt deswegen wird der in Berlin ebenfalls diskutierte Plan, einen Teil der deutschen Goldreserve „buchhalterisch“ auf den EWF zu übertragen, auf den „entschiedenen Widerstand der Bundesbank“ stoßen, wie die Frankfurter Zentralbanker vorsorglich mitteilen ließen. Ein bißchen Geschichtsunterricht könnte Schäuble auch hierbei weiterhelfen. Auch sein Amtsvorgänger Theo Waigel (CSU) hatte sich bei dem Versuch, Deutschlands Euro-Rating mit Hilfe des „Rheingolds“ kreativ zu verschönen, kräftig verhoben und damit Griechenland das Muster (und die Rechtfertigung) für sein späteres Tricksen geliefert.

Welchen Sinn macht es, das Rettungsboot zu überladen, wenn es dadurch sinkt? Der EWF stabilisiert weder den Euro, noch schüttet er die durch Leistungsunterschiede aufgerissenen Gräben zwischen Europas Volkswirtschaften zu. Er verurteilt jedoch Deutschland zum Dauersubventionszahler für eine Währung, die unser Land seit zehn Jahren unter dem Strich ärmer statt reicher macht! Noch nie hat ein deutscher Finanzminister so offenkundig gezeigt, wie sehr ihm die für sein Amt erforderlichen Fachkenntnisse fehlen – und wahrscheinlich auch der gesunde Menschenverstand.

Nur Konkursverschlepper für zahlungsunfähige Staaten

Der EWF ist weder Währungsfonds noch Instrument der Etatsanierung, sondern ein Konkursverschlepper für zahlungsunfähige Staaten. Das eine ist durch den Arbeitsvertrag über die EU (AEUV) verboten, das andere durch das Zivilrecht. Dazu kommt, daß in einer Währungsunion ein solcher Fonds sinnlos ist. Der Internationale Währungsfonds (IWF), der unbedingt aus der EU herausgehalten werden soll, finanziert keine Staaten, sondern Löcher in deren Zahlungsbilanzen und stabilisiert so die Wechselkurse von Währungen. Sein Ansprechpartner sind die 186 Zentralbanken oder ihr verwandten Institutionen in aller Welt. Nur: In der Eurozone gibt es weder Zahlungsbilanzen noch Wechselkurse und als einzige Zentralbank fungiert die EZB. Europas nationale Zentralbanken sind zwar rechtlich Teilhaber der EZB, aber in der Praxis lediglich ihre Auszahlungsstellen.

Um was es beim EWF in der Sache geht, wird deutlich, wenn man den Disput der EU-Organe auf seine wahren Gründe hin befragt. EU-Ministerrat und Kommission sehen in der Eurozone den harten Kern der EU und den Motor auf ihrem Weg zum europäischen Bundesstaat. Die EZB sorgt sich zu Recht um ihre Unabhängigkeit und ihre Verantwortung für die Stabilität des Euro. Beides ist gefährdet, wenn der EWF die Währungspolitik der EZB durch seine „Hilfsmaßnahmen“ aufweicht und in „Notfällen“ sogar aufhebt. Die Eurozone bekommt dann mit EZB und EWF zwei Anbieter „letzter Liquidität“ – der eine finanziert Banken und Wirtschaft, der andere marode Staaten.

Das richtige Zusammenspiel von Geld- und staatlicher Finanzpolitik sieht jedoch anders aus. Der EWF als Staatenretter hebelt den die Staatsverschuldung in Grenzen haltenden Stabilitäts- und Wachstumspakt aus, auf dessen Einfügung in das EU-Vertragswerk seine deutschen Erfinder einstmals so stolz waren. Mit dem EWF muß kein Staat mehr den Pakt brechen; er kann ihn offen „gegenfinanzieren“! Der Euro verliert sein letztes Stabilitätsbollwerk.

Die Debatte um den EWF zeigt, wie fatal deutsche Politiker entweder ihr Volk belogen oder von der Sache nichts verstanden haben. 1998 garantierte Waigel in großen Anzeigen die Stabilität des Euro („so stark wie die Mark“), die Sicherheit der Arbeitsplätze, den Schutz vor der Finanzspekulation und die Einhaltung des Stabilitätspaktes. Heute könnte er wie 1989/90 Karl Marx auf den Plakaten der DDR-Demonstranten reumütig bekennen: „Ich hab mich halt geirrt!“

Jetzt zeigt sein Nachfolger, wie wenig er aus dem Scheitern der damals verkündeten „Sachzwangtheorie“ (Europa wächst über seine gemeinsame Währung zusammen) gelernt hat. Mit dem EWF sollen Schummelstaaten weiterhin auf Kosten der vertragstreuen Euromitglieder leben können. Hauptsache, die Währungsunion bleibt heil. Doch wenn Systeme nichts aus ihren Fehlern lernen und sie beseitigen, zerbrechen sie. Das droht auch der freiheitlich-marktwirtschaftlich und demokratisch konzipierten EU. Sie wird sich auflösen, wenn „Politiker der raschen Hand und des kurzen Verstandes“ (Friedrich Nietzsche) sie zu einem Leviathan „erweitern“, in dem diese Regeln nicht mehr gelten: Kampf der Inflation und dem Kreditbetrug, Leistung statt Schlendrian, Selbsthilfe statt Entwicklungshilfe. Stattdessen droht ein sozialistischer Finanz- und Lastenausgleich zwischen Überschuß- und Defizitnationen. Ein solches Europa hat keine Zukunft. Der EWF kann nur eines: seinen Untergang beschleunigen. Dies sollten die EWF-Gründer und ihre deutschen Sympathisanten bedenken.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel leitete unter Karl Schiller die Abteilung Geld und Kredit im Bundeswirtschaftsministerium. Er klagte mit drei Fachkollegen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Einführung des Euro. Er ist Verfasser des Buches „Die Euro-Lüge und andere volkswirtschaftliche Märchen“ (Wien 2008).

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