© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/10 19. März 2010

UMWELT
Der Handel als Nano-Werber
Michael Howanietz

Sonderbare Forderungen stellt Robert Madelin, Generaldirektor der EU-Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz (GD Sanco), an die großen Handelsketten. Sie sollten den Kunden neue Lebensmitteltechnologien erläutern und schmackhaft machen. Konkret geht es dabei um Nanomaterialien, die der neue EU-Umweltkommissar Janez Potočnik kurzerhand in den Zuständigkeitsbereich der bestehenden Regulierungsvorschriften für Chemikalien einsortierte. Speziell im Lebensmittelbereich sind Nanotechnologie-Erzeugnisse aufgrund unerforschter, aber befürchteter Gesundheitsgefährdungen umstritten (JF 50/07). Nicht wenige Handelsketten verbergen daher Nano-Inhaltsstoffe gezielt, um ablehnende Reaktionen der Konsumenten zu verhindern.

Der Vorstoß Madelins wäre deshalb gerechtfertigt, ginge es darum, eine Informationslücke im Dienste der Wahlfreiheit zu schließen. Die Forderung an die marktbestimmenden Einzelhändler lautet aber, sich aus ihrer neutralen Position zu bewegen und de facto die Öffentlichkeitsarbeit der Konzerne zu übernehmen, die – als Urheber und potentielle Profiteure – hinter den nanotechnologischen Innovationen stehen. Die Adressaten solchen Ansinnens stehen selbigem mit nachvollziehbarer Skepsis gegenüber. Schließlich geht es ihnen darum, Kundenwünsche zu befriedigen und nicht die vermeintliche Sinnhaftigkeit als überflüssig erachteter Innovationen zu vermitteln. Lars Olofsson, Chef der französischen Carrefour-Gruppe, erinnerte diesbezüglich an die mit genveränderten Nahrungsmitteln gemachten Erfahrungen, die zu deren Entfernung aus dem Sortiment führten. Auch der EU sollten die Bedenken aus Europas größtem Handelskonzern zu denken geben.

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