© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/10 19. März 2010

Frisch gepresst

Deutsch-Dänisches. In Fontanes „Stechlin“ vertritt Ortsschulze Kluckhuhn, ein Veteran des deutsch-dänischen Krieges, die Ansicht: „Sechsundsechzig war nicht viel, und siebzig war auch nicht viel“ – aber 1864, der Sturm auf die Düppeler Schanzen, das sei wahrhaft groß gewesen. Im Verlauf von 150 Jahren ist, was für Kluckhuhn „groß“ schien, im historischen Gedächtnis denn auch recht klein geworden, der erste der „Einigungskriege“ zum nur aus regionaler Perspektive „weltgeschichtlich“ wirkenden Ereignis geschrumpft. Aber auf dieser Ebene bietet der im Winter 1864 von preußisch-österreichischen Truppen über Eider und Schlei nach Düppel vorgetragene siegreiche „Blitzfeldzug“ reichlich Erinnerungsstoff. Niemand unter den Landeshistorikern Schleswig-Holsteins hat ihn so hingebungsvoll aufbereitet wie Gerd Stolz, der sich seit Jahrzehnten in seinen militärhistorischen Studien immer wieder „1864“ zugewendet hat. Mit Stolz stand also der beste Kenner der Materie zur Verfügung, um „Das deutsch-dänische Schicksalsjahr 1864“ (Ereignisse und Entwicklungen, Husum/Apenrade: Husum Druck- und Verlagsgesellschaft 2010, broschiert, 219 Seiten, Abbildungen, 14,95 Euro) für ein interessiertes Laienpublikum diesseits und jenseits der deutsch-dänischen Grenze aufzubereiten. Dem so vorzüglich mit zeitgenössischen Illustration ausgestatteten, durch zwei Beiträge zur heutigen Erinnerungskultur im „Grenzland“ abgerundeten Band fehlt leider eine präzise Karte vom Hauptkriegsschauplatz, dem östlichen Teil des Herzogtums Schleswig.

 

Joseph Roth. „Berlin hat er nicht gemocht“, führt Michael Bienert sein „Lesebuch für Spaziergänger“ über den aus den fernen galizischen Weiten des k.u.k.-Reiches stammenden Journalisten und Schriftsteller Joseph Roth ein. „Bienert anscheinend auch nicht“, schießt demjenigen unwillkürlich in den Kopf, der die nun in vierter Auflage präsentierten Eindrücke aus Roths zeitgenössischen Hauptstadt-Artikeln in die Hand nimmt. Denn die Lustlosigkeit, mit welcher der die „Sisyphosarbeit“ einer Aktualisierung scheuende Herausgeber nun seine fast fünfzehn Jahre alten, im gegenwärtigen Berlin völlig überholten Eindrücke mit denen Roths abgleicht, ließe darauf schließen. Auf jeden Fall hätte der begnadete Feuilletonredakteur aus den gar nicht so goldenen zwanziger Jahren seinen damaligen Lesern keinesfalls eine derartige Chuzpe zugemutet (Joseph Roth in Berlin. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2010, broschiert, 280 Seiten, 8,95 Euro).

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