© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/10 19. März 2010

Vademekum konservativer Leitbegriffe
Karlheinz Weißmann und Erik Lehnert leisten mit der Definition von hundert Stichworten Hilfestellung zur Positionsbestimmung
Michael Paulwitz

Der Titel legt gewollt eine falsche Fährte: Karlheinz Weißmann hat nicht etwa eine vornehm-akademische Enzyklopädie politischer Begriffe verfaßt. Der erste Band des als Tetralogie angelegten „Staatspolitischen Handbuchs“ will etwas anderes sein: ein Vademekum konservativer Leitbegriffe – zur Vergewisserung der eigenen Fundamente und für den praktischen Gebrauch in geistigen und politischen Auseinandersetzungen.

Dem Nutzwert des Werkes, das 102 Stichworte auf 176 Seiten präzise und eingängig darstellt, hat diese Selbstbeschränkung gutgetan. Weder werden allgemeine Stichworte wie „Leben“ oder „Globalisierung“ abgehandelt und damit Redundanzen zu bereits vorhandenen Nachschlagewerken produziert, noch erliegt der Autor der Versuchung, überwiegend verneinend mit den Kampfbegriffen und dem ideologischen Rüstzeug des Gegners abzurechnen.

Einen Eintrag „Multikulturalismus“ sucht man daher vergebens, ebenso die „Linke“; was an Bezugnahme auf diese notwendig ist, wird unter dem Eintrag „Rechte“ abgehandelt; es gibt ein Stichwort „Kultur“, nicht aber „Zivilisation“. Bisweilen erlaubt Weißmann sich durchaus Abweichungen von dieser Linie, etwa wenn er dem „Liberalismus“ und dem „Markt“ eigene Artikel widmet, um auch freiheitliche Strömungen einzubeziehen. In der Summe ist der Wurf gelungen, in knappen, alphabetisch angeordneten Grundsatzartikeln eine konzise, umfassende und positive Gesamtschau konservativer Weltanschauung darzubieten.

Als „metapolitischen Meilenstein“ bewirbt der Antaios-Verlag, unbescheiden, aber nicht unberechtigt, den von Karlheinz Weißmann verfaßten und von Erik Lehnert mitherausgegebenen Eröffnungsband des „Staatspolitischen Handbuchs“. In der Definition des eher ausgefallenen Begriffs „Metapolitik“ umreißt Karlheinz Weißmann das Kernanliegen dieses Werkes: Es geht darum, Begriffe zu besetzen und Deutungshoheit zu gewinnen, den Kampf um die „kulturelle Hegemonie“ zu führen, die der politischen Einflußnahme vorausgehen muß – ein Konzept, das in den Siebzigern von Alain de Benoist in Aneignung des italienischen Sozialisten Antonio Gramsci neu formuliert worden war.

„Souverän ist, wer den Sachverhalt definiert“, zitiert Weißmann an anderer Stelle Helmut Schelsky. Daß Alain de Benoists Kalkül nicht aufging, entmutigt ihn ebensowenig wie Resignation vor der „Sprachmacht der Herrschenden“. Weißmanns Anspruch wird eingelöst: Im Artikel „Deutschland“ gelingt ihm eine gültige Deutung der deutschen Geschichte im Spannungsfeld zwischen Reichsidee und deutscher Frage auf vier Lexikonspalten. In der Definition des Konservativen neigt er der Interpretation als Haltung zu, die auf der Seite der Wirklichkeit den zur Enttäuschung bestimmten sozialistischen und liberalen Utopien entgegentrete. Hervorzuheben sind die Einträge zu „Demographie“ und „Drittem Weg“, zu „Geschichtspolitik“ und „Reich“, „Anarchie“ und „Faschismus“ – lesenswert sind alle: Die aufgenommenen historischen, politischen, anthropologischen, philosophischen und staatsrechtlichen Begriffe werden durchgehend fundiert und auf hohem Niveau dargestellt.

Klug ist die Auflockerung und zugleich Verdichtung des Gebotenen in zuspitzenden Zitaten und Definitionen aus der Feder konservativer und rechter „Säulenheiliger“ wie Arnold Gehlen, Ernst Jünger oder Carl Schmitt, Armin Mohler und Caspar von Schrenck-Notzing nicht zu vergessen, von Klassikern wie Nietzsche, Donoso Cortés oder Joseph de Maistre; die Reihe der aufgebotenen Dichter, Denker und herausragenden Einzelpersonen aus zwei Jahrtausenden reicht von Augustinus bis John Wayne und von Karl Marx bis Peter Sloterdijk, um nur einige wenige der Gewährsleute zu nennen.

Für das ein oder andere Zitat hätte man sich eine kurze Angabe der Fundstelle gewünscht, wo sich diese nicht aus der jeden Eintrag beschließenden, sorgfältig ausgewählten Literaturliste ergibt. Zusammengenommen skizzieren die zur weiterführenden Lektüre empfohlenen Werke, deren Autoren auch im umfangreichen Personenregister erfaßt sind, bereits die wesentlichen Züge eines grundlegenden konservativen Literaturkanons, den der zweite Band des Handbuchs erschließen soll.

Weißmann führt mit dem „Staatspolitischen Handbuch“ sein Ringen um eine formende und theoriebildende Summe konservativen Denkens, das bereits in seinem „Konservativen Katechismus“ und in seinem Band „Das konservative Minimum“ Niederschlag gefunden hat, konsequent weiter. Das „Staatspolitische Handbuch“ gehört deshalb in den Tornister jedes Konservativen, der in der Auseinandersetzung um Positionen und Begriffe noch mitreden will.

Erik Lehnert, Karlheinz Weißmann (Hrsg.): Staatspolitisches Handbuch, Band 1: Leitbegriffe. Edition Antaios, Schnellroda 2010, gebunden, 176 Seiten, 15 Euro

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