© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/10 26. März 2010

Der Sarrazin von Montpellier
Regionalwahlen in Frankreich
Hans Christians

Die zweite Runde der französischen Regionalwahlen hat vorigen Sonntag die erwartete Niederlage (JF 12/10) für das Lager der Regierungspartei von Präsident Nicolas Sarkozy gebracht: Nur 36,1 Prozent stimmten für die UMP-Listen, 54,3 Prozent für die Bündnisse der Sozialisten (PS). Zudem konnte der rechte Front National (FN) in den zwölf von 22 Regionen, in denen er in die Stichwahl kam, zwischen 13,5 und 22,9 Prozent für sich verbuchen.

Nur im Elsaß (46,2 Prozent) sowie den Überseedépartements Guayana (56,1 Prozent) und Réunion (45,5 Prozent) konnte sich das UMP-Lager an der Macht behaupten. Auch in Korsika landete die PS mit 36,6 Prozent diesmal deutlich vor der UMP mit 26,6 Prozent. Für eine Sensation sorgten auf der Mittelmeerinsel die getrennt angetretenen korsischen Nationalisten: Die von Gilles Simeoni (Partei Inseme) geführte Liste erreichte 25,9 Prozent, die radikalere Liste von Jean-Guy Talamoni (Corsica Libera) 9,9 Prozent.

Ein Grund für die teilweisen Zweidrittelmehrheiten der PS ist ihre breite Bündnisfähigkeit – in fast allen Regionen trat sie in der entscheidenden Runde in Absprache mit den Grünen (Europäischen Ökologen) um den EU-Abgeordneten Daniel Cohn-Bendit sowie der Linksfront aus Ex-Sozialisten und Kommunisten an. Sarkozys UMP hätte allenfalls in Aquitaine ein Wahlbündnis eingehen können: Doch selbst zusammen mit der liberalen MoDem des früheren Bildungsministers François Bayrou (15,7 Prozent) hätten die mageren 28 UPM-Prozente nicht für einen Sieg über die PS-Front ausgereicht.

Taktische Absprachen mit dem FN sind hingegen völlig ausgeschlossen – von beiden Seiten. Denn der FN kann durch seine zwölf Alleingänge nun erneut zahlreiche Abgeordnete in die Regionalvertretungen entsenden. Den größten Erfolg gab es in der südfranzösischen Region Provence-Alpes-Cotes d‘Azur, wo FN-Chef Jean-Marie Le Pen als Listenführer mit 22,9 Prozent 21 von 123 Mandaten holte. Le Pens Tochter Marine erreichte in der Nordregion Nord-Pas-de-Calais mit 22,2 Prozent 18 von 113 Sitzen.

Pikant ist der FN-Erfolg in Languedoc-Roussillon, wo die FN-Liste von France Jamet (Gattin des FN-Mitgründers Alain Jamet) auf 19,4 Prozent und zehn von 67 Sitzen kam. Sie landete damit nur knapp hinter der UMP (26,4 Prozent/13 Sitze).

Eindeutiger Sieger wurden dort allerdings die Unabhängigen Linken des populären Georges Frêche mit rund 54,2 Prozent (44 Sitze). Der 71jährige Ex-Maoist und frühere Bürgermeister von Montpellier, den man aufgrund seiner provokanten Äußerungen über Einwanderer oder die Spieler der französischen Nationalelf als „französischen Thilo Sarrazin“ bezeichnen könnte, wurde vor drei Jahren auf Initiative der Pariser Parteizentrale aus der PS ausgeschlossen.

Auch etwa 60 treue Frêche-Anhänger mußten die PS verlassen, was sich vor zwei Wochen rächte und der politisch besonders korrekten PS-Chefin Martine Aubry einen Dämpfer versetzte. Die drei von der PS bzw. den Grünen und der Linksfront aufgestellten Listen scheiterten allesamt an der Zehn-Prozent-Hürde, Frêche kam mit 36 Prozent in die Stichwahl. Das nötigte den gedemütigten Sozialisten eine halbherzige Wahlempfehlung zugunsten von Frêche ab – ansonsten würden ja die Rechten womöglich siegen. Dabei hatte Frêche nicht nur auf die libanesische Abstammung von UMP-Politikern angespielt, sondern auch Ex-Premier Laurent Fabius (PS) attestiert, er habe „nicht gerade eine katholische Schnauze“.

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