© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/10 26. März 2010

Wellen, Wogen und die donnernde Sturmflut
Tierschutz: Paul Watsons unermüdlicher Kampf gegen den Walfang / Sea-Shepherd-Kapitän Pete Bethune in japanischer Haft
Volker König

Vor zwei Wochen verhaftete die japanische Küstenwache Pete Bethune von der militanten Tierschutzbewegung Sea Shepherd Conservation Society (SSCS). Der Neuseeländer war zuvor auf ein japanisches Walfangschiff geklettert, nachdem dessen Begleitschiff die „Ady Gil“ des Walschützers gerammt und versenkt hatte. Bethune drohen drei Jahre Haft in Japan. Der Fall ist exemplarisch für den Konflikt, der sich im Südpazifik abspielt. Die SSCS-Aktivisten haben mittlerweile allerdings einen großen Verbündeten, denn die Regierung Australiens drohte, sie werde vor den Internationalen Gerichtshof ziehen, wenn Japan nicht endlich seine Walfischzüge im Südpolarmeer beende.

Doch auch die neue japanische Mitte-Links-Regierung ist auf internationalem Parkett nicht untätig und kämpfte im Vorfeld der aktuellen Konferenz der Internationalen Walfangkommission (IWC) für eine vollständige Legalisierung der Jagd auf Meeressäuger (JF 49/09). Von Sonderrechten in Ländern mit Eskimo-Bevölkerung (Inuit) abgesehen, ist Japan neben Norwegen und Island das einzige Land, das noch Walfang betreibt und alljährlich 600 bis 1.000 Meeressäuger tötet – offiziell zu „wissenschaftlichen Zwecken“. Es müssen sehr geheime Studien sein, die da betrieben werden, denn ihre Resultate tauchen nicht in der Öffentlichkeit auf – wohl aber Walfleisch in japanischen Märkten und Restaurants. Ähnlich wie in Skandinavien stößt man im Land der aufgehenden Sonne mit ethischen Argumenten auf taube Ohren. Greenpeace Japan rechnet daher seinen Landsleuten vor, wie teuer die Walfangflotte ist, die jährlich mit umgerechnet 20 Millionen Euro Steuergeldern am Leben erhalten wird.

Japan sollte diese Flotte konsequent versenken – ansonsten könnte das aber auch jemand anderes tun: Paul Watson, der Gründer und „Captain“ von Sea Shepherd. Der Kanadier wurde am 2. Dezember 1950 in Toronto geboren. Als Kind freundete er sich mit einem Biber an, und als dieser von Pelzjägern getötet wurde, rächte er sich, indem er deren Fallen zerstörte. Nach einem Sprach- und Kommunikationsstudium trat er der kanadischen Küstenwache bei und gehörte 1971 zu den Mitbegründern von Greenpeace. Für die Umweltschützer organisierte er 1975 den ersten Einsatz gegen einen sowjetischen Walfänger vor der Küste Alaskas.

Heute, nachdem er den Umweltverband verlassen hat, zählt er zu dessen schärfsten Kritikern: Greenpeace sei zum „grünen Firmenmonster“ geworden, scheue vor wagemutigen Aktionen zur Rettung bedrohter Natur oder Tiere zurück und belasse es bei medienwirksam inszenierten symbolischen Aktionen, so Watson. Letztmalig bei der Umweltkonferenz in Rio de Janeiro im Jahr 1992 hatte er versucht, den Bruch mit Greenpeace zu kitten, doch als er im Gefolge des Dalai Lama das vor Rio ankernde Schiff von Greenpeace betreten wollte, ließ ihn dessen Kapitän als „Terroristen“ abführen. Seither zieht Watsons SSCS allein in den Kampf gegen Walfänger, Robbenschläger und Treibnetzfischer.

Im Unterschied zu Greenpeace wendet die SSCS (www.seashepherd.org) bewußt militante Mittel an, wobei allerdings stets darauf geachtet wird, kein Menschenleben zu gefährden. Typische Methoden sind das Rammen und Abdrängen von illegalen Fischtrawlern und deren Beschuß mit übelriechender Buttersäure (C4H8O2), wodurch deren Fang unverwertbar wird. Der größte Coup gelang Watson 1988, als er in der isländischen Walfangstation zwei Schiffe versenken konnte. Solche Aktionen haben ihm den Ruf eines polizeilich gesuchten „Ökoterroristen“ eingebracht.

Im Gegensatz zu Greenpeace verzichtet Watson auch auf jede Political Correctness. So bezeichnet er die Überbevölkerung als eines der ökologischen Hauptübel, kämpft für die Anerkennung von Tierrechten und empfiehlt eine vegetarische Ernährung. In seiner 1995 erschienenen Autobiographie „Ocean Warrior – Mein Kreuzzug gegen das sinnlose Schlachten der Wale“ bilanzierte Watson: „Es ist meine Aufgabe als Umweltaktivist, Dinge zu sagen, die keiner hören will, und Dinge zu tun, die keiner getan sehen will. Vielleicht bedeutet meine Arbeit nicht mehr als ein Kräuseln auf dem Wasser des Ozeans. Aber es haben schon andere vor mir das Wasser gekräuselt. Zusammen mit dem ihren wird mein eigenes Kräuseln Wellen und Wogen bilden und am Ende vielleicht die donnernde Sturmflut, die über den Felsen menschlicher Ignoranz und Selbstsucht hereinbricht.“

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