© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/10 26. März 2010

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Vorsicht
Karl Heinzen

China hat unserem Land im vergangenen Jahr zwar den Rang als Exportweltmeister abgelaufen. Gleichwohl werden die trotz globaler Finanzkrise immer noch recht respektablen Erfolge der deutschen Unternehmen auf den internationalen Märkten von manchen unserer Partner mit Argwohn betrachtet. Ihrem aufgestauten Unmut hat nun die französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde Luft gemacht. Sie erkennt zwar respektvoll an, daß „Deutschland in den letzten zehn Jahren einen ungeheuer guten Job geleistet hat, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und sehr hohen Druck auf die Arbeitskosten auszuüben“. Das Gesamtwohl der durch die gemeinsame Euro-Währung verbundenen Staatengruppe sei dabei jedoch aus dem Blick geraten. Durch das Lohndumping habe man sich einseitig Kostenvorteile verschafft, die den Export ankurbelten. Folglich sei das Handelsbilanzdefizit, das insbesondere Frankreich gegenüber Deutschland aufweise, noch größer geworden.

Assistiert wurde Lagarde durch den Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn. Er mahnte Berlin, die Binnennachfrage durch weniger Sparen und mehr Konsum anzukurbeln. Dies mag zwar nicht so ganz der Philosophie des IWF entsprechen, der Staaten normalerweise zu fiskalischer Solidität anhält. Mit Blick auf den nächsten französischen Präsidentschaftswahlkampf, in den Strauss-Kahn als Kandidat der Sozialisten ins Rennen ziehen könnte, ist seine Schelte aber sehr vernünftig.

Die Bundesregierung und Exponenten der Wirtschaft haben die Ermahnung recht unbeholfen zurückwiesen. Die Irritationen sind verständlich. Es ist noch keine 15 Jahre her, als Deutschland angeprangert wurde, es übe mit der Mark währungspolitische Dominanz aus und komme zugleich seiner Verantwortung als stärkste Wirtschaftsmacht nicht nach, weil die Strukturen insbesondere auf dem Arbeitsmarkt zu verkrustet seien, um als Konjunkturlokomotive alle anderen mitzureißen. Unterdessen haben wir den Euro zugelassen und den Reformstau unter rot-grünen und schwarz-roten Regierungen beseitigt – und stehen doch schon wieder in der Kritik.

Es wäre aber fatal, wenn die Bundesregierung sich ob dieser Ungerechtigkeit zu weiteren scharfen Widerworten verleiten ließe. Zwar sind die Zeiten, in denen eine erdrückende deutsche Wirtschaftsmacht militärisch ausgeschaltet werden konnte, dank der EU längst passé. An anderen, auch nicht gerade freundlichen Mitteln, Berlin zur Räson zu bringen, ist aber kein Mangel. Ihren Einsatz sollte niemand unnötig provozieren.

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