© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/10 02. April 2010

Auf der Suche nach den Ursachen
Aufarbeitung: Ein Runder Tisch soll über Konsequenzen aus den Mißbrauchsfällen an Schulen und kirchlichen Einrichtungen beraten
Lion Edler

Welche Art der Hilfe und Unterstützung benötigen die Opfer? Was ist zu tun, wenn Übergriffe geschehen sind? Welche Faktoren fördern Übergriffe auf Kinder und Jugendliche und wie lassen sich diese vermeiden?“ Mit diesen drei Kernfragen soll sich laut Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) der „Runde Tisch“ der Bundesregierung befassen, der als Folge der Debatte um sexuellen Mißbrauch von Kindern in schulischen und kirchlichen Einrichtungen eingesetzt wurde.

Nach Schröders Vorstellungen sollen Einrichtungen wie Schulen oder Vereine freiwillige Selbstverpflichtungen unterzeichnen, um so die Umsetzung „klarer Verhaltensregeln“ in Mißbrauchsfällen zu gewährleisten. Daneben sollen Kinder und Jugendliche „behutsam sensibilisiert werden, damit sie Mißbrauch erkennen und klar benennen können“. In einem dritten Schritt fordert Schröder die „flächendeckende Sensibilisierung von Fachkräften sowie von Eltern und Erziehungsberechtigten“. Außerdem sollen Forschung und Evaluation zum Thema Mißbrauch weiterentwickelt und pädophil Veranlagte therapeutisch unterstützt werden.

Bereits am 23. April will das dann 40köpfige Gremium zum ersten Mal tagen, das sich unter anderem aus Vertretern von Schul- und Internatsträgern, der katholischen und evangelischen Kirche sowie dem Deutschen Lehrerverband zusammensetzen soll. Die Opposition zeigte sich dennoch nicht zufrieden. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, statt „diffusem Darüberreden“ müsse unabhängig aufgeklärt werden. Nötig sei daher eine vom Bundestag eingesetzte unabhängige Kommission, deren Mitglieder durch das Land reisten, Gespräche führten und dokumentierten, was passiert sei. Der rechtspolitische Sprecher der bayerischen Landtagsfraktion, Franz Schindler, warf der Bundesregierung vor, sie wolle mit dem „Runden Tisch“ nur ablenken. So wichtig präventive Maßnahmen auch seien, so gehe es doch zunächst darum, die Täter der bereits bekannten Taten zur Verantwortung zu ziehen. „Wir müssen jetzt die Opfer ermutigen, sich zu erklären und müssen Entschädigungen und Schmerzensgeld auch dann zahlen, wenn die zugrundeliegenden Straftaten bereits verjährt sind“, forderte Schindler. Zugleich stellte er sich gegen Forderungen, die zivilrechtliche Verjährungsfrist bei Mißbrauchsfällen von derzeit drei Jahren zu erhöhen. Das Problem sei nicht die Verjährungsfrist, sondern „das System der Einschüchterung der Opfer und der Abschottung nach außen“.

Dagegen bezeichnete die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) die dreijährige Verjährungsfrist als „lächerlich“ und forderte eine Erhöhung auf mindestens 30 Jahre. Doch die Kritik an dieser Forderung kommt auch aus der Bundesregierung selbst. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte, es sei ganz schwierig, 40 oder 50 Jahre nach einer Tat die Sachverhalte noch zu ermitteln oder Zeugen zu haben. Eine vollständige Aufhebung der Verjährungsfrist wie bei Mord bezeichnete sie schon aus „grundsätzlichen Überlegungen“ für falsch.

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