© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/10 02. April 2010

WIRTSCHAFT
Geschäftsmodell Deutschland
Jens Jessen

Manche Kritiker sind der Meinung, daß sich in der jetzigen Krise das „Geschäftsmodell Deutschland“ mit starker Industrie- und Exportorientierung der Wirtschaft als Blendwerk enttarnt hat. Deshalb fordern einige Ökonomen, Deutschland müsse seinen bisherigen Wirtschaftskurs verlassen. Die deutschen Unternehmen sollten künftig vermehrt auf heimische Kunden setzen und so dazu beitragen, die milliardenschweren Handelsbilanzüberschüsse abzubauen. Das möchten auch die EU-Partner, die praktisch eine Schwächung der deutschen Industrie verlangen. Der damit geforderte Strukturwandel vollzieht sich aber in einer Marktwirtschaft nicht durch Planung einer oder mehrerer staatlicher Stellen. Er resultiert dezentral aus den Angebotsentscheidungen der Unternehmen und dem Kaufverhalten der Verbraucher und nicht – wie in mehreren Ländern der EU – aus der Überheblichkeit der jeweiligen Bürokratie.

Deutschland hat in den vergangenen Jahren von der Entwicklung der Weltmärkte profitiert, weil die Industrieunternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit verbesserten und mit Qualität sowie durch ihre Flexibilität dem Geschmack ihrer globalen Kunden genauer als die Wettbewerber entsprechen konnten. Der Erfolg der deutschen Industriebetriebe hat sich aber auch auf den Dienstleistungsbereich positiv ausgewirkt. Die für das verarbeitende Gewerbe erbrachten Dienstleistungen beliefen sich auf etwa sieben Prozent der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung. Großbritannien hat die Fokussierung auf den Finanzsektor und den Ausverkauf der Industrie mit dem wirtschaftlichen Absturz bezahlt. Die französische Planification mit der gezielten Förderung einzelner Wirtschaftsbereiche verursachte den Verlust von zwei Millionen Industriearbeitsplätzen.

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