© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/10 09. April 2010

Harte Senatoren gegen weiche Währung
Geldpolitik: Der Währungskonflikt zwischen China und den USA droht zu einem Handelskrieg auszuarten
Albrecht Rothacher

Mit einer Arbeitslosenquote von fast zehn Prozent fuhren die USA im Vorjahr zugleich ein Handelsdefizit von etwa 230 Milliarden Dollar gegenüber der Volksrepublik China ein. Wenn jeder Industriearbeitsplatz eine Wertschöpfung von schätzungsweise 50.000 Dollar im Jahr schafft, könnte dies einem Verlust von 4,6 Millionen Arbeitsstellen entsprechen. Kein Wunder, daß in Washington die Nerven blank liegen. Der amerikanische Hauptvorwurf lautet: Peking betreibe Währungsdumping, der Wechselkurs werde künstlich niedrig gehalten.

Als Anti-Krisenmaßnahme hat China vor zwei Jahren seine „Volkswährung“ Renminbi (RMB) mit dem Kurs von 6,992 Yuan an den US-Dollar, die Währung seines wichtigsten Absatzmarktes, gekoppelt. Mit einem Fremdwährungsschatz von etwa 2,4 Billionen Dollar kann China alle Aufwertungstendenzen kühl lächelnd abwehren. Für die Amerikaner, die Europäer und die meisten Experten ist der Renminbi seit langem massiv unterbewertet. Der US-Kongreß verlangt von Schatzsekretär US-Finanzminister Timothy Geithner, bis zum 15. April öffentlich festzustellen, ob China ein „Währungsmanipulator“ ist.

Unterbewertete Währung verbilligt Chinas Exporte

Für diesen Fall haben die Senatoren Chuck Schumer (Demokrat aus New York) und Lindsey Graham (Republikaner aus South Carolina) einen Gesetzentwurf eingebracht, der Handelssanktionen (zum Beispiel Strafzölle) gegen solche Sünder zwingend einführt und sie vom öffentlichen Beschaffungswesen in den USA ausschließt. Denn tatsächlich wirkt eine unterbewertete Währung, die die Importe verteuert und die Exporte verbilligt, wie eine Exportsubvention und ein zusätzlicher Einfuhrzoll.

Wie China darauf reagiert, von seinem größten Schuldner öffentlich an den Pranger gestellt und mit Strafzöllen belangt zu werden, ist unschwer zu erraten. Auf Strafzölle auf sein Exportdumping und Sanktionen wegen Markenpiraterie oder unfairen Handelshindernissen in China folgten aus Peking stets sorgfältig einstudierte Wutanfälle und eskalierende Gegensanktionen, die – je nach Wichtigkeit des Gegenübers – dessen Maßnahmen erheblich übertrafen. Vorsorglich hat Peking inzwischen eine Subventionsklage gegen die USA vor der Welthandelsorganisation WTO eingebracht.

Zwischen 2005 und 2008 hatte China den Renminbi diskret um 20 Prozent aufgewertet, ohne daß dies seine Exportflut dank der wachsenden Produktivität der chinesischen Industrie nennenswert beeinträchtigt hätte. Eine weitere kräftige Aufwertung wäre sicherlich in Chinas Interesse. Sie würde die schon wieder auf vier Prozent ansteigende Inflation niederhalten, den Binnenmarkt entwickeln und die Abhängigkeit vom US-Markt und seinen Zyklen vermindern. Ohnehin kann man die höhere Logik des chinesischen Entwicklungsmodells hinterfragen, bei dem unterbezahlte Millionenheere als Werkbank der Welt für Milliardenschätze aus Papiergeld von zunehmend wertlos werdenden Dollarnoten und US-Schuldverschreibungen schuften.

China, das im globalen Krisenjahr 2009 „nur“ um 8,7 Prozent wuchs, hat gegen ernsthafte wirtschaftliche Überhitzungsprobleme zu kämpfen. Sie sind die Folgen der Überdosis seiner gewaltigen Konjunkturpakete. Zum einen wurde viel Geld in den längst überfälligen Ausbau der überlasteten Verkehrsinfrastruktur ins Landesinnere (Eisenbahnen, Autobahnen, Flugplätze) gesteckt, der in der Diktatur zumindest zügig umgesetzt werden konnte. Dann wurde den Staatsbanken, die mit reichlicher zusätzlicher Liquidität versorgt worden waren, der Befehl zur massiven Kreditausweitung erteilt. Sie taten dies hemmungslos im sicheren Wissen, daß sie bei faulen Krediten nicht belangt würden.

Etwa 200 Millionen faktisch rechtlose Wanderarbeiter

Da die Anlagemöglichkeiten in China beschränkt sind, bildete sich binnen Jahresfrist eine gefährliche Spekulationsblase bei großstädtischen Immobilien, deren Preise übers Jahr um 70 Prozent anzogen. Sie droht nunmehr zu platzen. Chinas Führung erinnert sich nur allzu gut an das Platzen der japanischen Blase von 1989, die das Ende des japanischen Zeitalters einläutete. Das chinesische Jahrhundert könnte also vorbei sein, bevor es überhaupt angefangen hat.

Premier Wen Jiabao bezeichnete die Preisblase kürzlich vor dem Volkskongreß als „wilde Pferde“, die es zu zähmen gelte. Für eine sanfte Landung wäre der Anstieg der Zinsen, ein Ausbau der öffentlichen Alters- und Gesundheitsversorgung als Alternative zum Angstsparen und nicht zuletzt die Renminbi-Aufwertung zur Stärkung des Binnenmarktes vonnöten. Auch müssen die Bankbilanzen von ihren massenhaft frisch akquirierten faulen Krediten saniert werden.

Die Legalisierung der Wanderarbeiter, die ohne städtische Aufenthaltsrechte von Sozialleistungen und ihre Kinder vom Schulbesuch ausgeschlossen bleiben, könnte 200 Millionen fleißige Menschen zu gleichberechtigten Wirtschaftssubjekten machen. Noch macht das maoistische Hukou-System (die Schollenbindung an ihr Dorf) die Landbevölkerung zu Menschen zweiter Klasse. Die chinesische Führung scheint sich dieser Notwendigkeiten bewußt.

Doch im Blick auf die große Generationenablösung, die im Zentralkomitee und Politbüro im Jahr 2012 ansteht, sind die Kader nervös und verantwortungsscheu. Gegenüber der Krise von 2008 hatte man dank solider Staatsfinanzen energisch und fürs erste erfolgreich durchgreifen können. Für die Bewältigung der Folgen der Krisenrezepturen dagegen herrschen jetzt schlechte Voraussetzungen, um das absehbare Desaster nach außen und nach innen noch rechtzeitig abwenden zu können.

Foto: Chinesische Wanderarbeiterinnen in der Textilbranche: Zu billige Arbeit und zu billige Volkswährung

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