© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/10 16. April 2010

Frisch aufgebrühte Reformbewegung
„Tea Party“ als Vorbild: Auch in Deutschland versuchen jenseits der Parteien zahlreiche Initiativen, die Politik aufzumischen
Hans Christians

Sie legen Wert auf ihre Neutralität  und betonen ihre parteipolitische Unabhängigkeit. Und sie verfügen oft über erstaunliche finanzielle Ressourcen. Die Rede ist von sogenannten Reforminitiativen, die im vorpolitischen Raum agieren und langfristige Veränderungen von politischen Prozessen herbeiführen möchten. Ausgehend von der immensen medialen Aufmerksamkeit, der sich die noch junge „Tea Party“-Bewegung in den Vereinigten Staaten erfreut (siehe auch Seite 9), stellt sich die Frage, wie es um die Situation vergleichbarer Organisationen in der Bundesrepublik bestellt ist.

Die wohl bekannteste Gruppierung ist der Konvent für Deutschland, der auf einen Impuls Hans-Olaf Henkels, damals noch Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, ins Leben gerufen wurde. In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung forderte Henkel ein politisches „Reengineering“ der politischen Gesellschaft. Kernthemen sind die Föderalismusreform, die Modifizierung des Wahlrechts sowie der Einsatz für ein modernes Steuersystem. Prominenteste Vertreter der Vereinigung sind neben Henkel Altbundespräsident Roman Herzog, der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Erwin Teufel (CDU), sowie die frühere Verfassungsrichterin Jutta Limbach. Der Konventskreis trifft sich in unregelmäßigen Abständen und ist bisher nicht über den Ruf hinausgekommen, eine Honoratioren-Vereinigung zu sein.

Vor rund zwei Jahren erreichte der Konvent eine größere Öffentlichkeit, als Herzog und der ehemalige SPD-Politiker Wolfgang Clement ihr gemeinsames Buch „Mut zum Handeln“ vorstellten. Obwohl sich der Konvent für Deutschland nicht in parteipolitische Arbeit einmischen möchte, sieht er sich seit seiner Gründung kritischen Stimmen ausgesetzt. Die Vereinigung Lobby-Control moniert beispielsweise ein „fehlendes transparentes Finanzgebaren“ und fordert, „daß selbsternannte Reformer hier mit gutem Beispiel vorangehen sollten“. Der Arbeit des Konvents wird nach eigenen Angaben durch eine breite Anzahl von Firmen finanziell getragen und gefördert: „Für diese Firmen, die ausdrücklich auf jegliche Publizität ihrer Unterstützung verzichten, ist die Neutralität des Konvents bestimmend.“

Ähnliche Ziele wie der Konvent für Deutschland verfolgt der Bürgerkonvent, der im Jahr 2003 von dem Politikwissenschaftler Gerd Langguth und dem Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel gegründet wurde. Nur zwei Monate nach der Gründung überzog die Organisation die Bundesrepublik mit einer großangelegten Werbekampagne. Namhafte Gönner aus der Wirtschaft werden als Strippenzieher vermutet, dennoch geht der Vereinsvorstand sehr zurückhaltend mit Daten zu Finanzen und Mitgliederentwicklung um.

Hoffnung auf die Mitwirkung der Bürger

Interessanterweise gehören Hans-Olaf Henkel und Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz wie im Konvent für Deutschland auch in dieser Organisation zu den prominenten Vertretern. Personelle Überschneidungen der beiden Konvente gibt es auch mit dem Frankfurter Zukunftsrat, der sich vom Konvent für Deutschland abgespalten hat. Vorsitzender ist der Unternehmenshistoriker Manfred Pohl, als Stellvertreter fungieren unter anderem Wolfgang Clement sowie der Pädagoge Bernhard Bueb. Zum Mitgliederkreis gehören Ex-Politiker wie Friedrich Merz (CDU) und Rudolf Scharping (SPD).

Der Zukunftsrat setzt sich vor allem mit den Folgen der Globalisierung auseinander und fordert, daß „die Barrieren in den Köpfen abgebaut werden, nachdem die Grenzen gefallen sind“. Als Hauptziel hat sich das Gremium die Entwicklung eines neuen Wertesystems in der Globalisierung gesetzt, da die persönlichen Erfahrungs- und Wertewelten auseinanderbrächen: „Unterschiedliche Lebensentwürfe, die Bedrohung traditioneller Lebensweisen, kulturelle Polarisierungen und neue Fundamentalismusaktivitäten bedrohen die globale gesellschaftliche Zusammenarbeit. Diese Konzepte sind global zu betrachten und auszuarbeiten.“

Einen deutlich politischeren Anspruch verfolgt die Internet-Zeitung Freie Welt, für die das Institut für Strategische Studien Berlin die Verantwortung trägt. In der Online-Publikation kommen namhafte Personen aus dem konservativen und rechtsliberalen Lager zu Wort wie etwa der Euro-Kritiker Joachim Starbatty.

Die Freie Welt richtet sich nach eigener Aussage an den „aktiven Bürger“ und strebt die Erstellung von politischen Konzepten und Katalogen für die bürgerliche Reformbewegung an. „Unsere Leitlinien sind die Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats und der Gewaltenteilung, der Sozialen Marktwirtschaft im Geiste Ludwig Ehrhards und das Menschenbild der jüdisch-christlichen Tradition in seiner historischen Vielfalt sowie der Schutz der Bürgerrechte“, heißt es in der Selbstdarstellung.

Ebenfalls auf die Mitwirkung der Bürger setzt der Bund der Steuerzahler, der vor allem durch sein jährlich erscheinendes „Schwarzbuch“ der Verschwendung öffentlicher Gelder bekannt geworden ist. Präsident Karl-Heinz Däke und seine Mannschaft legen den Finger gerne in die Wunde, wenn es darum geht, die Rechte der steuerzahlenden Bevölkerung zu verteidigen. Auf ihrer Internet­seite bietet die Vereinigung zahlreiche Ratgeber und sogar eine Anleitung zu Musterklagen an.

Als Bürgerbewegung versteht sich der Bundesverband der Freien Wähler, der mit knapp 300.000 Mitgliedern über die Basis einer Volkspartei verfügt. Die Freien Wähler sind seit Jahren vor allem in der Kommunalpolitik aktiv und stellen eine Vielzahl an Bürgermeistern und Landräten. In Bayern ist es ihnen im Herbst 2008 erstmals gelungen, in ein Landesparlament einzuziehen. Doch die Hoffnung, die Freien könnten das Fundament einer neuen Bewegung bilden, die die klassischen Parteistrukturen aufbricht, erfüllten sich nicht. Das Wahljahr 2009 geriet zur Katastrophe. Und nach den Querelen um die frühere Landrätin Gabriele Pauli sind die bundespolitischen Aktivitäten wieder nahezu auf Null zurückgefahren worden.

 

Bürger Konvent

Der 2003 gegründete Bürgerkonvent versteht sich als parteiunabhängige Plattform politisch interessierter Bürger mit dem Ziel der „Verbesserung der Zukunftsfähigkeit“.

www.buergekonvent.de

 

Konvent für Deutschland

Der Konvent für Deutschland will die Reformfähigkeit der Politik und der Institutionen steigern. Themen sind unter anderem der Föderalismus, das Parteiensystem und die Bürgerrechte.

www.konvent-fuer-Deutschland.de

 

Die Freie Welt

Bei der Freien Welt handelt es sich um eine  „Internet- und Blogzeitung für die Zivilgesellschaft“, die sich an den „aktiven Bürger“ richtet und mithelfen will, Reformkonzepte zu  erarbeiten.

www.freiewelt.net

 

Bund der Steuerzahler Deutschland e.V.

Der Bund der Steuerzahler hat sich die Verteidigung der Rechte der Steuerzahler auf die Fahnen geschrieben und kämpft gegen die „Verschwendung von Steuergeldern“.

www.steuerzahler.de

 

Frankfurter Zukunftsrat

Der Frankfurter Zukunftsrat ist aus dem Konvent für Deutschland hervorgegangen und setzt sich ebenfalls für die Reformfähigkeit Deutschlands ein.

www.frankfurter-zukunftsrat.de

 

Freie Wähler

Die Freien Wähler sind mit dem Ziel angetreten, verkrustete politische Strukturen aufzubrechen, und haben deutschlandweit 300.000 Mitglieder. In Bayern zogen sie 2008 in den Landtag ein.

www.freie-waehler-deutschland.de

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