© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/10 16. April 2010

Sauer macht Schluß mit lustig
Gesundheit: Die Übersäuerung des Körpers leistet zahlreichen Erkrankungen Vorschub / Falsche Ernährung umstellen
Michael Howanietz

Das Säure-Basen-Gleichgewicht ist für sämtliche Stoffwechselvorgänge im Organismus von höchster Relevanz. Natürliche Ausgewogenheit besteht, wenn ein Verhältnis von vier zu eins zwischen Basen und Säuren vorliegt (Blut-ph-Wert zwischen 7,35 und 7,45). Dies kann mittelfristig nur aufrechterhalten werden, wenn auch die mit der Nahrung zugeführten Stoffe dies unterstützen. Ernährungsgewohnheiten, die über längere Zeit davon abweichen, münden deshalb in eine schleichende Erkrankung.

Die Übersäuerung (Azidose) entwickelt sich zur Volksseuche. Knapp zehn Millionen Bundesbürger sollen von Sodbrennen und weitergehender Symptomatik betroffen sein. Hinter der Diagnose „Reflux“ verbirgt sich zunächst nichts anderes als der Rückfluß von Magensäure in die Speiseröhre. Deren Schleimhaut ist dafür allerdings nicht ausgerüstet, was bei Nichtbehandlung zu Speiseröhrenkrebs führen kann.

Mit Kartoffeln, Gemüse oder Kräutertees gegensteuern

So weit muß es nicht kommen. Zwar können die ersten Warnsignale einer drohenden Übersäuerung (Migräne, chronische Müdigkeit, Nervosität) noch recht unspezifisch sein. Spätestens beim Übergang von der unterschwelligen zur akuten Übersäuerung (erhöhte Infektanfälligkeit, übler Geschmack und Körpergeruch, Schweißfüße, Gastritis, Allergien, Gelenk- und Hautprobleme) muß gehandelt werden.

Der Körper hat seine Basenreserven aufgebraucht, und die notgedrungen angelegten Säuredepots im Bindegewebe können die saure Flut nicht mehr aufnehmen. Die Ausscheidungsorgane versuchen nun durch Entzündungen, akute Infektionen und Fieber die Säuregifte auszuscheiden. Wird auch jetzt nicht gegengesteuert, folgen verstetigte Abbauprozesse des rheumatischen Formenkreises und eine höhere Knochenbrüchigkeit durch Entmineralisierung des Körpers. Besteht der konkrete Verdacht auf Übersäuerung (die sich aufgrund der notorischen Mund-, Nasen- und Nebenhöhlenschleimhautreizungen auch in vermehrten Atemwegsbeschwerden bis hin zu Husten und Heiserkeit, Rachenraum- und Kehlkopfentzündungen oder chronischer Bronchitis artikulieren kann), ist dieser selbstverständlich diagnostisch abzusichern. Zumeist geschieht dies durch eine Magenspiegelung (Gastroskopie).

Sind Beschwerdeursachen wie die Infektion mit Helicobacter pylori-Bakterien (wird antibiotisch behandelt) auszuschließen, können kurzzeitig säuremildernde Medikamente zur Anwendung gelangen, etwa sogenannte Protonenpumpenhemmer, umgangssprachlich als „Magenschutz“ geläufig. Spätestens nach Abklingen der Akutsymptome und der Einstellung der genannten Medikation ist vor allem eiserne Selbstdisziplin gefragt. Denn zahlreiche populäre Bestandteile unserer modernen Ernährung sind Säurebildner: Fleisch, Röstprodukte, Kaffee, Alkohol, Zucker, Süßwaren aller Art, Limonaden oder Weißmehlprodukte zählen dazu. Kartoffeln, Gemüse, Kräutertees oder reifes Obst – die Basenbildner also – zählen nicht unbedingt zu den lukullischen Straßenfegern des 21. Jahrhunderts. Sie alleine sind aber – im Verein mit neutralen Lebensmitteln wie Wasser und Vollkornprodukten – die Garanten zur dauerhaften Wiederherstellung eines verlorenen Säure-Basen-Gleichgewichts.

Zusätzlich bewähren sie sich beim Abbau etwaigen Übergewichts. Als hilfreich in der Beseitigung angegessener Schieflagen erweisen sich auch traditionelle Naturmittel wie Heilerde oder das vielbeworbene Basenpulver. Ohne Zweifel hat Übersäuerung auch sehr viel mehr mit „sauer sein“ denn mit sauer schmeckenden Lebensmitteln zu tun. Neben ausreichender Bewegung im Freien ist deshalb ein tunlichst magenschonender Lebensstil die dritte wesentliche Säule eines vollständigen Therapieerfolgs.

Alltagshektik und Ärger sind tatsächlich Katalysatoren des Säureüberschusses, gelangen vom Kopf- zum Bauchhirn, reizen die dortigen Nervenzellen und „zerfressen“ sie, indem sie die Magenschleimhaut perforieren. Doch selbst Magengeschwüre sind kein Grund für ein Dasein als lebenslanger Proband der Pharmaindustrie. Klinische Studien wiesen beispielsweise nach, daß der Einsatz von Süßholzwurzelpulver zu einer kompletten Ausheilung in 50 Prozent der Fälle und einer markanten Verbesserung bei weiteren 40 Prozent der Patienten führt. So gilt es demnach Süßholz zu raspeln, um dem alten Wort: „Sauer macht lustig!“ wieder mehr als eine bittere Erkenntnis abgewinnen zu können.

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