© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/10 23. April 2010

„Das bin nicht ich“
Eva Herman - Geschichte eines Skandals: Wie eine prominente Moderatorin mit einer gezielten Hetzkampagne erledigt wurde
(JF)

Spätestens nach der Lektüre dieses Artikels (von Thea Dorn bei Spiegel Online am 9. September 2007, die Red.) weiß ich, daß diese Welt, in der wir leben, endgültig verrückt geworden ist. Oder ich? Auf jeden Fall ist mir jetzt klar, daß ich zunächst keine Chance mehr haben werde. Denn das, was ich seit über einem Jahr erlebe und was sich jetzt zu einem nie geahnten Empörungshöhepunkt hochgeschaukelt hat, ist politische Agitation in Reinkultur.

Wenn bereits Der Spiegel ein solch verquirltes, hochgefährliches Femi-Mus, das aus durchschaubar persönlicher Häme komponiert wurde, ohne Not in Auftrag gab und druckte! Und wenn in einem solchen Artikel behauptet werden durfte, daß schon „Das Eva-Prinzip“ einen angeblichen Angriff auf Freiheit und Demokratie darstellte – dann brauchte man überhaupt nicht mehr weiterzudiskutieren. Die durch jene Veröffentlichung legalisierte Blindwütigkeit und Unsachlichkeit, der verletzende Frontalangriff auf meine Person coram publico machten es mir fürderhin unmöglich, mich auf geeignete Weise zu verteidigen. Spätestens jetzt weiß ich, was noch alles auf mich zukommen kann.

Ja, meine Knie sind weich, mir ist schlecht, und alles um mich herum beginnt sich zu drehen. Hunderttausende werden diese Sätze und eine Menge weiterer Beleidigungen lesen und billigen. Ich bin zum Abschuß freigegeben! Vogelfrei! Die Meute wurde längst auf mich losgelassen!

Und doch. Ich stürze nicht ab! Denn ich weiß, was ich tue. Wer in diesem Land noch eine Veränderung zum Guten erreichen will, der muß hart sein und etwas aushalten können. Wer die Menschen liebt, allen voran die Kinder, wer die Liebe als höchstes Ziel anstrebt und wer diese herrliche, wunderschöne Welt lieber im Lichte der Wahrheit als im Dunkel des Bösen erschauen und erleben will, der wird zunächst zwangsläufig leiden müssen. Denn er hat den Teufel und seine zeternden, haßerfüllten Bräute gegen sich.

Natürlich schmerzt es gewaltig, wenn man so bösartig hingerichtet wird. Aber etwas ist von Anfang an in mir, das stärker ist als alle Eitelkeiten, Schwächen und Angst: Es ist der Überlebenswille! Nicht allein mein eigener und jener, den ich mit der Geburt meines Kindes für einen zweiten Menschen übernahm. Es ist auch ein Stück Kampfeslust, mich stellvertretend für viele Menschen in meinem Land einzusetzen, denen es größtenteils noch schwerfällt, die verfemte, hinterhältige Politik zu durchschauen, mit der ihr Leben täglich mehr und mehr in einen für die Freiheit hochgefährlichen Bereich gelenkt wird. Hier sind Freiheit und Demokratie, die Leute wie Thea Dorn durch ihre verquirlten, feministischen Zwangsforderungen zu etablieren behaupten, inzwischen in allerhöchstem Maße gefährdet.

Es ist die an sozialistische und kommunistische Systeme heranreichende Wirklichkeit, die Frauen inzwischen zwingt, ihre kleinen Kinder bei fremden, überforderten Leuten abzugeben, um Geld verdienen zu gehen. Und der Grat zwischen „Kann und Muß“ ist inzwischen derart schmal geworden, daß zunehmend mehr Frauen die Balance nicht mehr halten können und abstürzen: in Hilflosigkeit, in grenzenlose Überforderung, in Burn-outs und Armut. Die Kinder sowieso, sie hängen an den Müttern und erleben und fühlen jede Qual der Mutter stellvertretend mit. (…)

Deutschlands Leitmedium Der Spiegel bleibt übrigens bei seiner Vernichtungsaktion: Fast stündlich erscheinen weitere Verunglimpfungen. Nun beteiligen sich auch die anderen Medien Stern, Focus, Die Welt, Bild, die Süddeutsche usw. Die meisten begrüßen es begeistert, daß der NDR unsere gemeinsame, fast zwanzig Jahre währende Zusammenarbeit mit „sofortiger Wirkung“ beendet hat. Ich weiß in diesem Moment nicht, daß die Telefonzentrale des Senders seit dem frühen Morgen mit Hunderten Anrufen bestürmt wird, in denen wütende Zuschauer sich über den Rausschmiß beschweren. Die Medien überschlagen sich, Zeitungen, Onlinedienste, Radio und Fernsehen berichten tagelang über meine „Verbalentgleisungen“, wie der NDR-Chefexekutor Volker Herres meine Ausführungen bezeichnete. Sie alle benutzen inzwischen Bild  und Tonmaterial von jener Pressekonferenz am 6. September 2007, während es uns hier bei allen Versuchen und Anstrengungen nicht gelingt (nicht gelingen soll?), ebenfalls an diese Ausschnitte zu gelangen. Es ist wie verhext!

Ich schaue kein Fernsehen mehr, höre kein Radio, weil ich es nicht aushalten kann, von nahezu allen Leuten als jemand abgestempelt zu werden, der ich nicht bin. DER ICH NICHT BIN Basta!

Ich muß dies immer wieder laut betonen, denn die Nazikappe, die mir jetzt alle gewaltsam auf den Kopf drücken und tief in mein Gesicht zu zerren suchen, sie paßt einfach nicht. Und wenn sie es noch so oft und derartig verlogen versuchen, es wird ihnen nicht gelingen. Ja, ich muß mich in acht nehmen, mich selbst schützen, damit die unsichtbaren, dunklen Kräfte, die daran mitwirken, nicht doch noch die Oberhand bekommen. Ich darf mich nicht unterkriegen lassen, denn ich habe nichts getan, was falsch gewesen wäre. Außer, daß ich gegen eine herrschende Meinung sprach. Und genau diesen wunderbaren Luxus werde und muß ich mir weiterhin gönnen, heute und auch morgen. Wer keine eigene Meinung haben darf, ist innerlich tot. So wie jene Millionen Menschen, die in allen Diktaturen dieser Erde leben müssen. Wer sich unterordnen muß, weil anderen nicht gefällt, was man zu sagen hat, lebt in Unfreiheit. Das allerdings habe ich mit Sicherheit nicht vor! (…)

Nachdem ich verkabelt wurde, warte ich hinter der Studiokulisse darauf, angekündigt zu werden. Johannes B. Kerner steht bereits vor seinem Publikum und richtet noch einige Worte an die vielen Menschen, die an seinen Lippen zu hängen scheinen und ihm interessiert lauschen. Alles ist dunkel, viele Kabel liegen durcheinander, Monitore geben hier hinten einen schmalen Ausschnitt dessen wieder, was mehrere Kameras im gleißenden Studiolicht aufnehmen und nach außen transportieren werden. Nun bewegt sich der berühmte Moderator Johannes Baptist Kerner auf seinen fast ebenso bekannten Schreibtisch zu, die Vorspannmusik läuft. Der fetzige und aufpeitschende Jingle ertönt und kündigt in wenigen kurzen Takten eine ZDF-Fernsehsendung an, die Geschichte schreiben wird.

Der Moderator, in dunkelgrauem Anzug, mit geöffnetem obersten Hemdkragenknopf und ohne Krawatte, stützt seinen rechten Arm ausgewinkelt und lang gestreckt auf den Schreibtisch und eröffnet den Reigen mit öffentlich-rechtlich gewichtiger, dabei durchaus informationswillig anmutender Miene, während wir, seine Talkgäste, bereits auf unseren Stühlen Platz genommen haben:

„Guten Abend, meine Damen und Herren, und Ihnen allen ein sehr herzliches Willkommen. Das Thema unserer heutigen Sendung ist im weitesten Sinne die Rollenverteilung von Mann und Frau. Wir sprechen über Familie, über Emanzipation, über politische Ansätze und auch über Äußerungen in der Öffentlichkeit. Ich begrüße sehr herzlich die Fernsehmoderatorin Margarethe Schreinemakers. Herzlich willkommen, Margarethe!“

Tosender Applaus brandet auf, die Kamera schwenkt auf die ehemalige Fernsehmoderatorin, die mit grauem Pulli und magentafarbenem Schal freundlich in die Kamera grüßt. Kerner setzt direkt nach, als handele es sich dabei um eine Riesensensation: „Mutter von zwei Söhnen!“ Begeisterung auf allen Rängen.

Kerner fährt fort: „Ein herzliches Willkommen einer Schauspielerin, die seit 41 Jahren verheiratet ist und auch Mutter von zwei Söhnen ist, Senta Berger!“ Wieder eine Sensation: eine weitere Mutter mit zwei Kindern. Wer hätte das gedacht? Hier zeichnete sich bereits eine für das Thema Familie ausgesprochen kompetente Runde ab, ein Lob an die Redaktion.

Kerner schaut mit wichtiger Miene von unten nach oben in die Kamera, während er den angeblich lustigsten Mann Deutschlands ankündigt: „Deutschlands Frauenversteher Nummer eins ist Comedy-Star Mario Barth. Guten Abend.“ Dieser hat sich sicher nicht so lange mit der Auswahl seiner Garderobe beschäftigt wie die übrigen anwesenden Gäste, aber dafür ist er ja schließlich ein Mann. In einem fliederfarbenen Schlabber-T-Shirt mit der Aufschrift „Chantal“ bekleidet, fleetzt er grinsend im Fauteuil und nickt ebenso mehrfach in die auf ihn gerichtete Kamera.

Johannes B. Kerner nimmt nun endlich den lang ausgestreckten rechten Arm an den Körper zurück, lehnt sich mehrfach leicht vor und zurück und macht deutlich: Jetzt geht’s los!

„Und ich begrüße sehr herzlich die Moderatorin Eva Herman, die sich ein wenig verharmlosend über die Familienpolitik im Dritten Reich geäußert hat und vor einem Monat von ihrem Arbeitgeber, dem NDR, entlassen wurde. Herzlich willkommen, Eva Herman!“

Ich traue meinen Ohren nicht! Obwohl wir der Redaktion, explizit auch Herrn Kerner, den Original-Wortlaut zukommen ließen, und obwohl mein Rechtsanwalt mehrmals den richtigen Sachverhalt klarstellte, eröffnet Johannes B. Kerner diese Sendung mit derselben dreisten Lüge, die alle bisher benutzten: „Eva Herman, die sich ein wenig verharmlosend über die Familienpolitik im Dritten Reich geäußert hat ... !“

Soll ich gleich wieder gehen? Soll ich ihm sein Konzept sprengen? Ich hätte große Lust dazu. Dies sind exakt die Gedanken, die mir durch den Kopf schießen. Ich bin so entsetzt, daß ich mich nur mühsam beherrsche. Nein, ich kann nicht gehen, denn ich will heute Abend endlich klarstellen, wie die Sache wirklich war. Also schlucke ich meinen Ärger hinunter und schaue auf den Monitor, denn Kerner kündigt einen kurzen Filmbeitrag über mich an: „Und gleich zu Beginn beschäftigen wir uns also mit der Geschichte der Buchautorin Eva Herman!“

Kerner hat damit übrigens gleich klargestellt, wie die Rollen während dieser Sendung verteilt sein werden, was eigentlich auch nicht schlecht für mich ist. Denn ab diesem Zeitpunkt erwarte ich schon keine Unterstützung mehr von irgendeiner Seite. Ich werde mich gehörig anstrengen müssen, denn ich stehe – wieder einmal – alleine da. Kein sehr erbauliches Gefühl. (…)

Senta Berger ist nun übrigens richtig wütend, warum auch immer. Sie schüttelt sich heftig, blitzt den sprachlosen Moderator an, reißt die Arme auseinander und verkündet nachdrücklich: „Also, ich muß jetzt gehen!“

Margarethes Echo folgt direkt: „Ich muß jetzt auch gehen!“

Beide bleiben jedoch sitzen. Zum wiederholten Male. Welch ein merkwürdiges Spiel. Wollen sie etwa sagen: Johannes! Aufwachen! Frau Berger schaut in die Runde: „Es tut mir wirklich leid, aber ich kann diese Diskussion nur wirklich ernsthaft führen, dann muß ich mich vorbereiten, muß ihre Bücher kennen, oder aber“ – sie nimmt den immer noch sprachlosen Moderator fest ins Visier – „wir machen, was wir eigentlich auch mal vorgesehen hatten!“

Peng! Hatte ich ins Schwarze getroffen? Das klang ja hochinteressant. Was hatten Sie denn eigentlich alles vorgesehen, Herr Kerner? Frau Berger kündigte doch schon einmal im Verlauf dieser Sendung an, gehen zu wollen. Das Gretel auch. Vielleicht wollten sie ihn damit daran erinnern, „was wir eigentlich vorgesehen hatten“?

Eine kurze Pause entsteht, während Applaus aufbrandet, warum auch immer. Noch einmal schaut Senta Berger auffordernd hinüber zu Johannes B. Kerner, hält seinen Blick fest. Ihre Augen werden jetzt ganz schmal, und sie sagt ein drittes Mal mit langsamen Worten: „Ich gehe jetzt. Gern! Okay?!“

Was soll er denn jetzt machen, der Herr Kerner?

Kamera Totale: Alle sind im Bild.

Kerner beginnt so, als wolle er eine Sonntagsrede halten. Betont ruhig und gleichermaßen theatralisch sagt er: „Es sind ja doch die besonders spannenden Momente, wo man sich selbst so ein bißchen Gedanken macht und überlegt, wie man weitermacht, und die hab ich mir jetzt gemacht und hab mich entschieden, daß ich mit meinen drei Gästen jetzt weiterrede und dich, Eva, verabschiede!“

Puh! Endlich raus hier. Es handelt sich hier meines Wissens nach um das allererste Mal in der Geschichte des deutschen Fernsehens, daß ein Gast aus einer laufenden Sendung hinausgejagt wird. Eigentlich wollten die anderen die ganze Zeit über gehen. Doch gewöhne ich mich langsam an alle Unhöflichkeiten, die die Welt zu bieten hat, und auch daran, derzeit überall rausfliegen zu können.

In meinem Kopf schießen viele Gedanken hin und her, und mir ist durchaus klar, daß hier ein Eklat ganz besonderer Qualität stattfindet. Doch danke ich dem Himmel, daß diese unwürdige Inszenierung für mich zunächst beendet ist. Ich nehme meine Papiere, sage Danke, stehe auf und verlasse das Studio. Im Hinausgehen bekomme ich noch mit, daß Mario Barth blitzschnell auf meinen Stuhl herübergebeten wird.

Die Show geht weiter. Die Medienlawine rollt.

 

Chronik des Falls Eva Herman

27. April 2006

In der Mai-Ausgabe der Zeitschrift Cicero erscheint Eva Hermans Aufsatz „Titel „Die Emanzipation – ein Irrtum?“  Er löst eine heftige öffentliche Debatte aus.

Mai 2006

Alice Schwarzer startet über ihre feministische Zeitschrift Emma eine Kampagne gegen Eva Herman und verlangt ihre Entlassung als Tagesschau-Sprecherin.

12. August 2006

Die ARD teilt öffentlich mit, daß Eva Herman nach 17 Jahren ihre Arbeit als Nachrichtensprecherin ruhen lasse.

7. September 2006

Eva Herman präsentiert auf einer Pressekonferenz ihr Buch „Das Eva-Prinzip – Für eine neue Weiblichkeit“. Es heizt die Debatte weiter an.

6. September 2007

Eva Herman stellt auf einer Pressekonferenz ihr Buch „Das Prinzip Arche Noah“ vor.

7. September 2007

Im Hamburger Abendblatt erscheint ein Artikel über die Buchvorstellung, in dem wahrheitswidrig behauptet wird, Eva Hermann habe die Familienpolitik im Dritten Reich gelobt.

9. September 2007

Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) kündigt Eva Herman fristlos. Ihre Klage dagegen wird aus formalen Gründen abgewiesen.

9. Oktober 2007

Nach einem fast einstündigen „Inquisitionstribunal“ wirft Johannes B. Kerner

Eva Herman vor laufender Kamera aus seiner Talkshow.

November 2007

Das Buch „Der Fall Eva Herman. Hexenjagd in den Medien“ von Arne Hoffmann erscheint. Die JF druckt einen längeren Auszug daraus (JF 47/07).

Eva Herman: Die Wahrheit und ihr Preis. Meinung, Macht und Medien. Kopp Verlag, Rottenburg 2010, gebunden, 280 Seiten, 19,95 Euro (Bestellschein des JF-Buchdienstes Seite 15)

Internet: www.eva-herman.de

Foto: Eva Herman verläßt am 9. Oktober 2007 nach ihrem Rauswurf aus der Talkshow von Johannes B. Kerner das Fernsehstudio: „Wir machen, was wir eigentlich auch mal vorgesehen hatten!“

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