© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/10 23. April 2010

Sie wollen nicht wissen, was das kostet
Niederlande: Brisante Studie über Kosten-Nutzen-Abwägung der Einwanderung / Politische Klasse verweigert sich der Realität
Mina Buts

Wer vermag genau zu beziffern, welche ökonomischen Effekte die Einwanderung der vergangenen Jahrzehnte hatte? Zwar gibt es ein diffuses Wissen darüber, daß Migranten aus südlichen Ländern in Deutschland bei den Hartz-IV-Empfängern überproportional vertreten sind, klare Aussagen zu Kosten und Nutzen der Integration werden von den politisch Verantwortlichen verweigert.

In den Niederlanden ist dies inzwischen anders: Bereits im vergangenen Jahr sorgte eine parlamentarische Anfrage von Geert Wilders, dem Chef der islamkritischen Freiheitspartei (PVV), für Aufregung, als er von der Regierung und allen betroffenen Ministerien eine genaue Auflistung der Zuwanderungskosten verlangte. Der sozialdemokratische Integrationsminister Eberhard van der Laan antwortete lapidar, Ausländer seien Staatsbürger wie andere auch, eine Kosten-Nutzen-Abwägung sei daher weder gewollt noch opportun. Und tatsächlich sind alle diesbezüglichen Berechnungen eingestellt worden, als mit der Centrumpartij (später CP’86) von Hans Janmaat zum ersten Mal eine rechte Partei in den Niederlanden von sich reden machte.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie beleuchtet nun das verordnete Stillschweigen. Jan van de Beek von der Amsterdam School for Social Science Research (ASSR) hat akribisch zusammengetragen, wie sich seit 1960 die Vorgaben im politischen Umgang mit der Migration verändert haben. Der 1968 geborene Autor kommt zu dem Schluß: „Die Niederländer wollen gar nicht wissen, was Integration kostet.“

In seiner Doktorarbeit „Wissen, Macht und Moral. Die Produktion von wissenschaftlichen Erkenntnissen über die ökonomischen Effekte von Immigration 1960 bis 2005“ beschreibt van de Beek die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte: „Was passiert ist: Wissenschaftliche Erkenntnis wird nicht mehr nach Wahrheitsgehalt, sondern nach erwarteten sozialen und politischen Effekten beurteilt. Das ist unredlich, wenn man bedenkt, daß Wissenschaft vor allem nach Wahrheit streben soll.“

Van de Beek berichtet auch über die Anfeindungen, die ihm ob des Untersuchungsgegenstandes entgegenschlugen. Ein Kommilitone habe ihn gefragt, ob er rechtsextrem sei, er sei auch immer wieder als „Nazi“ oder „Faschist“ beschimpft worden, dabei hege er keine Sympathien für Wilders und seine PVV. Seine wissenschaftliche Arbeit, so konzedierte denn auch die Universität Amsterdam, sei in keinem Punkt zu beanstanden.

Einwanderung verschlingt pro Jahr 5,9 Milliarden Euro

Und tatsächlich trifft van de Beek mit seiner Arbeit ins Schwarze. Die Migration in die Niederlande nimmt immer stärker zu. Von den 16 Millionen Einwohnern stammen 1,8 Millionen nicht aus Europa. 2009 gab es 29.000 Ersuchen um Familiennachzug, weitere 22.000 Migranten beantragten ein dauerhaftes Bleiberecht. Das Auffällige dabei war nicht in erster Linie die Zunahme der Migration um sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr, sondern vor allem der sprunghafte Anstieg in der zweiten Jahreshälfte um mehr als 40 Prozent.

Überwiegend Somalier, aber auch Türken, Marokkaner und Inder drängt es in die Niederlande. Nur ein kleiner Teil der Asylanträge wird abgelehnt, mehr als 70 Prozent erhalten ein dauerhaftes Bleiberecht. Waren es 1990 etwa 850.000 Migranten, hat sich die Zahl seither mehr als verdoppelt. Eine Kosten-Nutzen-Rechnung unterbleibt.

Die Wochenzeitschrift Elsevier stellte voriges Jahr unter dem Titel „Ein teures Drama“ eigene Berechnungen an und kam zu dem Schluß, daß sich die niederländischen Einwanderungskosten auf etwa 216 Milliarden Euro belaufen dürften. Einen Großteil davon mache die ausgezahlte Sozialfürsorge aus, die hier als „Versorgungsstaatminus“ bezeichnet wurde. Auf nahezu 100 Milliarden Euro seien aber die speziell durch die Migranten selbst entstandenen Mehrkosten zu beziffern, beispielsweise vermehrte Arztbesuche, unbekannte Krankheiten, mehr Strafgefangene, mehr Kriminalität oder mehr schulische Fördermaßnahmen.

Zu einem ähnlichen Schluß kommt übrigens auch Jan van de Beek. Er weist nach, daß jeder einzelne Migrant den niederländischen Staat im Laufe seines Lebens 43.000 Euro koste, das summiere sich pro Jahr auf 5,9 Milliarden Euro. Seine Schlußfolgerung: „Wenn man sich früher mit dem Thema befaßt hätte, wären wir bestimmt schon längst zu dem Schluß gekommen, daß man nach Bildungsniveau unterscheiden muß. Im Vergleich mit anderen westlichen Ländern sehen wir jetzt, daß die Migranten in den Niederlanden sich besonders schwertun auf dem Arbeitsmarkt.“

Jan van de Beek: Kennis, macht en moraal – De productie van wetenschappelijke kennis over de economische effecten van migratie naar Nederland, 1960-2005. Amsterdam University Press 2010, 500 Seiten, broschiert, 50 Euro

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