© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/10 30. April 2010

Warnung vor Kriegshetze
Nibelungen: Stummfilme waren nicht schwarzweiß
Harald Harzheim

Vergangenen Dienstag feierte der vollständig restaurierte Stummfilmklassiker „Die Nibelungen” (1924) in der Deutschen Oper Berlin seine Uraufführung. Mit ihm präsentiert die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung wenige Wochen nach „Metropolis“ (1927) die zweite Restauration eines Fritz-Lang-Films.

Beide sind gigantisch in Bezug auf Länge, Ausstattung und künstlerische Leistung. Aber im Gegensatz zu „Metropolis“ stand beim „Nibelungen“-Zweiteiler („Siegrieds Tod“ und „Kriemhilds Rache“) nicht die Wiederauffindung verlorener Szenen im Vordergrund. Schließlich liegt das meiste Material des fünfstündigen Epos seit Ende der 1980er Jahre wieder vor.

Eiskalte Machtpolitiker an König Gunters Hof

Nein, Resultat der vierjährigen Restaurationsbemühung war die Wiederherstellung seines visuellen Reichtums durch moderne Digitaltechnik: der phantastischen Lichtkompositionen beispielsweise, der detailreichen Dekorationen, der an Max Reinhardt orientierte Massenornamentik – und seiner ursprünglichen Farbgebung. Denn Stummfilme waren nie schwarzweiß, das belichtete Material wurde stets in Farbbäder getaucht.

So leuchtet der Nibelungenfilm in feurigem Orange, das auch subtilste Lichtabstufungen zur Geltung bringt. Kriemhilds Falkentraum, von Walter Ruttmann als Scherenschnitt-Animation realisiert, wirkt in ursprünglicher Lavendelfärbung noch bedrohlicher.

Außerdem läuft die Szenerie wieder in korrekter Reihenfolge, und Kriemhild finaler Tod ist kein Resultat psychosomatischer Rache-Ekstase mehr, statt dessen wird sie einfach erstochen. (Eine Banalisierung, die wünschen läßt, besagte Einstellung wäre auf immer verschollen geblieben.) Aus dem Orchestergraben ertönt dazu die Original-Begleitmusik von Gottfried Huppertz – einzige kompositorische Alternative zu Wagners „Ring“-Trilogie.

All dieser Aufwand aber war und ist kein Selbstzweck. Der Nibelungenfilm des damaligen Superpatrioten Fritz Lang – laut Vorspann „Dem deutschen Volke zu eigen“ – ist eine kaum geschminkte Warnung vor Machtmißbrauch und Kriegshetze. Der Burgunder Königshof beherbergt keine „edlen Helden“, sondern eiskalte Machtpolitiker, die Ehre mit Narzißmus verwechseln und von Geldgier korrumpiert sämtliche Eide brechen, untereinander morden, betrügen, um zuletzt einen Vernichtungskrieg anzuzetteln. Fritz Langs vorheriger Filmschurke „Dr. Mabuse“ – an König Gunters Hof hätte er auch Platz gefunden.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen