© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/10 07. Mai 2010

Weg in den Untergang
Euro-Dämmerung: Eine ideologische Währung wird von der ökonomischen Naturgewalt weggefegt
Bernd-Thomas Ramb

Der Euro war von Anfang an eine Fehlkonstruktion. Eine Währung ist keine Flagge, sondern ein ökonomisches Mittel, das den Menschen helfen soll, effizient zu wirtschaften. Politische Botschaften und heroische Symbolik können sich allenfalls in der Gestaltung der Münzen und Geldscheine niederschlagen, niemals aber Anlaß oder gar Grundlage für die künstliche Erschaffung einer Währung sein. Genau dies aber wollte und will das europäische Geldkonstrukt namens Euro.

Die Idee einer europäischen Währung ist alt – und ebenso die Kritik der Fachleute. Sie haben mit unbestechlichen Argumenten stets nachgewiesen, daß eine einheitliche Währung einen einheitlichen Währungsraum benötigt. Das ist in der Regel ein Staat. Deshalb existieren auch nahezu ausnahmslos nationale Währungen. Ein zweites Argument ist die logische Reihenfolge. Erst entsteht eine Nation, dann ein einheitlicher Währungsraum, schließlich die dazu passende Währung. Das war bei der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 so, das galt bei der Einführung der D-Mark im Wirtschaftsraum der drei westlichen Besatzungsmächte und mit Abstrichen bei der Ablösung der DDR-Mark durch die West-Mark. Beim Euro sollte der umgekehrte Weg erschlichen und erzwungen werden.

Politische Mißachtung ökonomischen Grundwissens

Die einheitliche Währung sollte vordergründig dem europäischen Wirtschaftsraum zur „Krönung“ verhelfen, also zwangsvereinigen, was kraft wirtschaftlicher Vernunft nicht vollständig zusammenwachsen wollte. Der Euro sollte darüber hinaus klammheimlich den europäischen Staat errichten. Die ökonomische Logik, erst der einheitliche Staat, dann der passende Wirtschaftsraum und zum Schluß die passende Währung, wurde damit auf den Kopf gestellt.

Über die Motive für eine derartige Mißachtung nationalökonomischer Grundweisheiten ist viel spekuliert worden. Sie reichen von blindem Europafanatismus über „Preis für die deutsche Einheit“ bis hin zur Angst vor den Deutschen und Vermeidung eines Krieges in Europa. Fest steht, daß – noch vor dem Zusammenbruch der sozialistischen DDR – einige europäische Nachbarstaaten Angst vor der drohenden Übermacht der D-Mark und der dafür verantwortlichen Deutschen Bundesbank hatten. Es gab aber nicht nur Neider. Die souveräne Geldpolitik der Deutschen Bundesbank entwickelte sich zum anerkannten Vorbild einer modernen Zentralbankpolitik, die politisch unbestechlich und nicht manipulierbar war und sich auf die konservativen Werte einer Währung konzentrierte.

In der Blüte der deutschen Währungspolitik bildete sich eine informelle, aber feste Anhängerschaft um die Deutsche Bundesbank. Ihre geldpolitischen Entscheidungen wurden innerhalb von wenigen Stunden von den Zentralbanken der Nachländer nahezu automatisch nachvollzogen. Zu diesen zählten vor allem Österreich, Holland, die Beneluxstaaten und die Schweiz.

Damit war faktisch ein natürlich gewachsener europäischer Währungsraum entstanden, der ausbaufähig gewesen wäre. Die Bundesbank-Gegner, insbesondere Frankreich und Großbritannien, zögerten jedoch häufig und aus Prestigegründen, ihre eigene Geldpolitik den Entscheidungen der Deutschen Bundesbank anzupassen. Man wollte selbst Einfluß nehmen. Die Einführung des Euro war daher wesentlich damit begründet, nun über eine Europäische Zentralbank zu verfügen, deren personelle Besetzung in der Macht aller europäischen Regierungen lag.

Die wirtschafts- und finanzpolitischen Auswirkungen wurden insbesondere von dem vormaligen EU-Kabinettchef Manfred Brunner und den um ihn im Bund Freier Bürger versammelten Fachleuten frühzeitig klar erkannt und politisch vorgetragen. Das Ergebnis war Mißachtung und Verleumdung in Politik und Massenmedien. Die dann „politisch korrekt“ vollzogene Währungsunion hat die kritischen Fachleute selbst in den ersten Jahren des Euro nie überzeugen können.

Auch von der Bevölkerung wurde der Euro bis heute nicht voll akzeptiert, was jedoch für ein erfolgreiches Geldsystem unbedingt erforderlich ist. Zu offenkundig war das Lügengebäude, auf dem der Euro errichtet wurde. Die angeblich stabile Währung wurde als „Teuro“ erfahren (auch in Griechenland und anderen südlichen EU-Mitgliedern) und die Nichteinhaltung der von den Kritikern durchgesetzten Stabilitätskriterien von den Politikern kleingeredet. Die permanente Verletzung der Verschuldungsgrenzen konnte auf Dauer nicht ohne katastrophale Folgen bleiben.

Der Wahn, mit einer einheitlichen Währung eine einheitlich solide Gestaltung der einzelnen nationalen Haushalte erzwingen zu können, hat sich als solcher bewiesen. Alle Teilnehmerländer haben nach der Einführung des Euro über ihre Verhältnisse gelebt, und auch Deutschland hat seine Staatsschulden seither weiter kräftig ausgeweitet. Nicht alle verfügen aber über die gleiche wirtschaftliche Grundlage.

Der Starke muß in dieser erzwungenen „Schicksalsgemeinschaft“ den Schwachen unterstützen. Die Folge: Der Redliche und wirtschaftlich Erfolgreiche ist der Dumme. Schlechtes Beispiel macht da schnell Schule, und es beginnt ein Wettlauf der staatlichen Verschuldung, bis überall die Schuldenblase platzt. Die Euro-Krise, die Griechenland ausgelöst hat, offenbart nur die Spitze des nationalökonomischen Eisbergs, an dem das Euro-Leichtschiff zerschellt. In dieser Krise zeigt sich, daß dem Euro das einheitliche Währungsgebiet fehlt und von staatlicher Einheit keine Rede sein kann.

Die Verlotterung der staatlichen Haushaltspolitik geht mit einem Verlust der Wirtschaftskraft einher. Wie der Euro nicht dazu geführt hat, daß sich die Haushaltspolitik der unsolideren Staaten bessert, hat er auch keine Verbesserung der Wirtschaftsleistung der schwachen Länder bewirkt. Im Gegenteil, die potenten Staaten – allen voran Deutschland – empfinden die anhaltende Finanzierung der maroden Staaten zunehmend als unverständliche Belastung, die die eigenen Anreize zum erfolgreichen Wirtschaften lähmt.

Zum Schluß gerät auch Deutschland ins Schlingern

In der Euro-Gemeinschaft ist nicht nur derjenige der Dumme, der keine weiteren Staatsschulden anhäuft oder sie sogar abbaut, sondern auch derjenige, der weiterhin eine hohe Wirtschaftskraft aufrechterhält und damit steigend zur Mitfinanzierung seiner weniger fleißigen und verschwenderischen Nachbarn herangezogen wird. So ein System hat keine dauerhaften Überlebenschancen.

Der weitere Verlauf des Euro-Dramas ist absehbar. Griechenland wird aus der Finanzklemme geholfen, weil der Euro nicht scheitern darf, weil der EU-Ideologie Vorrang vor der ökonomischen Vernunft eingeräumt wird. Was kümmern da bestehende Gesetze und Vereinbarungen, deren Bruch in der EU zur ungestraften Gewohnheit geworden ist – ein weiteres Ergebnis kritikresistenter EU-Politik. Demzufolge ist es auch absurd zu glauben, die Griechenland-Hilfe könne an harte Auflagen der künftigen griechischen Finanz- und Haushaltspolitik gebunden werden. Griechenland läßt sich als eigenständiger Staat nicht bevormunden und als Mitglied des Euro-Verbundes nicht disziplinieren. Alle erzieherischen Maßnahmen sind schon deshalb zum Scheitern verurteilt, weil die Grundprinzipien jeder Erziehung verletzt sind: klare Regeln und klare Konsequenzen bei Regelverstößen. Wer glaubt da jetzt noch an Strafen, die zudem jeden Tag in neuen Varianten aus dem Hut gezaubert werden.

Was bleibt, ist die Ultima ratio der EU: Wer den Euro behalten will, muß dafür zahlen. Deutschland bleibt dabei der Hauptzahler mit zunehmenden Beträgen, weil weitere Nehmerländer hinzukommen und die wenigen Geberländer immer größere Finanzierungsprobleme bekommen. Noch erhält Deutschland billig neue Kredite. Die ausländischen Anleger flüchten in deutsche Staatsanleihen, weil sie dort das geringere Risiko des Staatsbankrotts vermuten.

Aber alle Kredite, die Deutschland an die Bankrottländer weiterleitet, sind letztlich verloren. Dann gerät zum Schluß auch Deutschland ins Schlingern. Als letzter Dominostein fällt der Euro in Deutschland zusammen. Deutschland könnte sich selbst vorher freiwillig aus dem Euro zurückziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat den deutschen Ausstieg aus der Europäischen Währungsunion explizit als zulässig erklärt. Aber auch in diesem unwahrscheinlichen Fall ist das Währungsexperiment Euro erledigt.

 

Prof. Dr. Bernd-Thomas Ramb gehört zu den wenigen Wirtschaftspublizisten, die von Beginn an die Einführung des Euro kritisierten. Er gründete 1993 zusammen mit Manfred Brunner den Bund Freier Bürger (siehe Leiste unten), war lange Jahre Kolumnist dieser Zeitung und veröffentlichte 2005 die Euro-kritische Studie „Vor der nächsten Währungs-Reform“ (www.ramb.de). 

Foto: Deutsche Kredithilfe für Griechenland: 80 Milliarden Euro Kredithilfe bewilligten die 15 Euro-Staaten für Griechenland. Deutschland trägt davon 22,4 Milliarden Euro, das sind 27,9 Prozent (siehe „Tortenstück“). Der IWF stellt 30 Milliarden bereit.

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