© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/10 14. Mai 2010

Bald laufen die Druckerpressen heiß
Euro-Krise: EU-Finanzminister beschließen Rettungsschirm von 750 Milliarden Euro für kriselnde Partnerländer / Europäische Zentralbank kauft Staatsanleihen auf
Hinrich Rohbohm / Jörg Fischer

Während Angela Merkel in Moskau den 65. Jahrestag des Sieges der Roten Armee feierte, wurde am Wochenende in Brüssel Geschichte geschrieben – im negativen Sinne. Die Finanzminister der EU wollen ihren Krisenländern 750 Milliarden Euro in Form eines Notfallfonds zur Verfügung stellen. 250 Milliarden Euro davon wird der Internationale Währungsfonds (IWF) bereitstellen. Aus Deutschland sollen etwa 123 Milliarden kommen – zusätzlich zu den schon beschlossenen Milliarden für Griechenland bzw. die Banken und Versicherungen, die sich dort verspekuliert haben.

Hinzu kommen die aus Lehman-Pleite & Co. resultierenden 480 Milliarden Euro an staatlichen Bankengarantien, die die Bundesregierung 2008 in einer Nacht- und Nebelaktion beschloß und die ebenfalls für den Notfall bereitgehalten werden müssen. Die Furcht vor neuen Spekulanten-Attacken hatte die EU-Finanzminister in einer Nachtsitzung zu diesem Schritt gedrängt. Der französische Präsident Nicholas Sarkozy inszenierte sich dabei in Paris und Brüssel als oberster Krisenmanager – natürlich vor allem im Sinne seines Landes. Die deutsche Politik versagte kläglich. Wegen einer Erkrankung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) führte sein von Peer Steinbrück übernommener Staatssekretär Jörg Asmussen (SPD) die Regie, bis Bundesinnenminister Thomas de Maizière in Brüssel als Schäubles Vertreter eintraf.

Durch die Milliarden-Zusagen ist der erwartete dramatische Absturz an den Weltbörsen und Devisenmärkten zwar vorerst verhindert worden. Doch die EU-Finanzminister haben quasi nebenbei und ohne auf die gültigen EU-Verträge zu achten, die wichtigste Reform der Europäischen Währungsunion seit Einführung des Euro als Buchwährung im Jahre 1999 beschlossen. Künftig soll die EU-Kommission verschuldeten EU-Mitgliedstaaten Kreditgarantien geben können. Dieser sogenannte Stabilisierungsmechanismus bedeutet, daß die Euro-Gemeinschaft als Ganzes haftet – analog dem 2008 von Merkel und Steinbrück beschlossenen „Rettungsschirm“ für die Banken. Die grenzenlose Haftung für klamme Euro-Staaten soll Spekulanten abschrecken – und Brüssel hofft, daß die Garantien nie erfüllt werden müssen. Sollten sich die schwächeren Euro-Länder jedoch nicht an den Kreditgarantien beteiligen, könnten auf Deutschland in den nächsten drei Jahren noch höhere Lasten zukommen, wie Regierungssprecher Ulrich Wilhelm einräumen mußte.

Noch gefährlicher ist aber der von der Europäischen Zentralbank (EZB) verlangte Paradigmenwechsel: Nach der jüngsten Ankündigung, auch griechische Anleihen mit schlechter Bonität als Sicherheit für EZB-Kredite anzunehmen, gehen die Frankfurter Währungshüter unter ihrem französischen Chef Jean-Claude Trichet entgegen früheren Beteuerungen jetzt noch einen entscheidenden Schritt weiter. Die EZB will künftig auch Anleihen von anderen überschuldeten Euro-Staaten und sogar privaten Schuldnern aufkaufen. Das soll die Märkte am Leben erhalten.

Mit anderen Worten: Die EU kauft die Ramschanleihen der Krisenländer und wirft dafür die Notenpresse an. Das haben die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und die Bank of England (BoE) im Zuge der Finanzkrise vorgemacht. Die Fed kaufte für etwa 300 Milliarden Dollar US-Staatspapiere auf, die BoE nahm britische für 200 Milliarden Pfund in ihre traurige Bilanz auf.

Kurzfristig hatten Fed und BoE mit ihrer Strategie Erfolg, die Märkte beruhigten sich. Doch mit dem faktischen Drucken von neuen Euro-Scheinen wachsen die Inflationsgefahren. Der politisch erzwungene Kurswechsel untergräbt die ohnehin angeschlagene Glaubwürdigkeit der EZB. Die Aufweichung des Euro wird weiter fortgesetzt. Dabei hatte die Kohl-Regierung einst versprochen, der werde Euro „so hart wie die Mark“. Der vergangene Sonntag hat aber alle  diesbezüglichen Illusionen begraben.

Foto: Euro-Produktion in der Bundesdruckerei: Nun Cash für Ramsch?

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