© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/10 14. Mai 2010

Schmutzige Kredite
Euro-Krise: Banken und Regierung suchen verfassungskonforme Vergabemöglichkeiten für Griechenland
Bernd-Thomas Ramb

Nachdem Bundestag und Bundesrat der Weisung der Bundesregierung gefolgt sind, Griechenland aus europatriotischen Gründen deutsche Kredite zu gewähren, ist viel Kreativität bei der praktischen Umsetzung gefragt. Eine direkte Vergabe aus Steuermitteln würde den Verfassungsbruch unmittelbar offenlegen. Die Verfassungsklagen der Euro-Skeptiker hätten maximale Erfolgsaussichten. Also müssen Hilfskonstruktionen ersonnen werden, um verfassungsrechtlich saubere Staatskredite an das unverändert insolvenzbedrohte Griechenland zu ermöglichen.

Der spontan entwickelte Lösungsansatz ist der Umweg über die staatseigene KfW-Bankengruppe. Der ursprüngliche, vor einigen Jahren abgelegte Name „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ würde sogar passen, wenn die Gelder einem Wiederaufbau der griechischen Wirtschaft dienten und Griechenland zu den von der KfW satzungsgemäß versorgten Entwicklungsländern zählte. Großzügig ausgelegt, könnte Griechenland zwar als Entwicklungsland durchgehen, zur Förderung der griechischen Wirtschaft wären aber vorzugsweise EU-Mittel aus dem Strukturfonds bereitzustellen. Die KfW-Kredite benötigen die Griechen jedoch nicht für Investitionen, sondern zum Austausch alter Schuldentitel durch neue. Für solche Aufgaben ist die KfW nicht konzipiert, so daß eigentlich eine Satzungsänderung notwendig wäre.

Die nächste Hürde ist die Refinanzierung des Griechenland-Kredits. Dazu kann die KfW zunächst auf eigenen Namen ausgestellte Schuldverschreibungen verkaufen, um diese Einnahmen dann zum Kauf griechischer Staatsschuldentitel zu verwenden. Das dauert aber. Schneller würde es gehen, wenn die KfW die Schuldverschreibungen des griechischen Staates sofort bei der Europäischen Zentralbank (EZB) hinterlegt, um von ihr frisches Geld zur Weiterleitung an die Griechen zu erhalten.

Dieses Verfahren hat jedoch den Nachteil, daß mit dem Druck neuen Geldes eine Ausweitung der zirkulierenden Geldmenge erfolgt: Griechenland erhält das zusätzliche Zentralbankgeld, um seine auslaufenden Schuldverschreibungen zu tilgen. Die Gläubiger können dann dieses Geld an andere Kreditsuchende ausleihen oder es ausgeben. In beiden Fällen steigt die Gefahr, daß die erweiterte Geldmenge bei unveränderter Güterproduktion zu bloßen Preiserhöhungen führt. Die Inflationsgefahr droht grundsätzlich bei allen Finanzierungswegen, bei denen die EZB ins Spiel gebracht wird. Das wird mit Sicherheit der Fall sein. Denn wer auch immer neue Griechenland-Anleihen erwirbt, wird sie schleunigst bei der EZB hinterlegen, um so neues Geld zu bekommen.

Die Wahrscheinlichkeit künftiger Preiserhöhungen steigt um so höher, je mehr Griechenland-Papiere bei der EZB gegen frisches Geld eingetauscht werden. Die von der Bundesregierung zugesagte Griechenland-Hilfe reicht aber bei weitem nicht aus. Der griechische Finanzbedarf ist weit größer als die von der Euro-Gruppe zugesagte Hilfe. Neben der Schuldentilgung fehlen Gelder für die Zinszahlungen und vor allem für die geplante Neuverschuldung. Nun hat Griechenland bereits heftig auf die „Spekulanten“ geschimpft, die seine Notlage „ausnutzen“. Da wird es schwierig, neue Gläubiger zu finden. Die privaten Investoren dürften sich praktisch aus diesem Markt verabschiedet haben.

Die Bundesregierung weiß jedoch nur zu gut, daß die Staatshilfe wirkungslos bleibt, wenn keine zusätzlichen Gläubiger gefunden werden. Hier kommen nun die scheinbar wohltätig und kooperativ gesinnten deutschen Banken ins Spiel. Sie sollen die fehlenden Kreditsummen aufbringen. Für sie könnte sich tatsächlich ein lukratives Geschäft eröffnen, wenn auch sie die erworbenen Griechenland-Anleihen bei der EZB gegen neues Geld eintauschen können. Vor allem wenn die EZB für die den Banken gewährten Kredite weitaus weniger Zinsen abverlangt, als die Griechen für ihre Schulden zahlen müssen. Zehnprozentig verzinste Griechenland-Papiere, die mit Krediten finanziert werden, für die nur ein Prozent Zinsen zu zahlen sind, lassen des Bankers Augen leuchten.

Wenn da nur nicht das Restrisiko wäre. Niemand garantiert, daß das Finanzhilfsprogramm ewig fortgesetzt wird. Kann Griechenland aber nicht mehr seine Schuldverschreibungen auslösen, stehen die Banken schlecht da. Die EZB, die eigentlich schon jetzt die Griechenland-Papiere wegen der fehlenden Bonität nicht mehr akzeptieren dürfte, wird nunmehr die gewährten Kredite zurückverlangen. Ein Bankensterben ohnegleichen wäre die Folge – die KfW eingeschlossen. Doch für diesen Fall bieten sich schon heute Notfallpläne an. Wenn alle Stricke reißen, wird die EZB einfach dazu überredet, die griechischen Staatsschuldenpapiere nicht mehr nur als Pfand anzunehmen, sondern käuflich zu erwerben. Eine Rücknahme durch die Banken entfällt damit.

Diesen Schritt von vorneherein zu eröffnen, ist nicht opportun. Solange die Griechenland-Papiere nur hinterlegt, aber immer noch im Besitz der Banken sind, können die Banken auch die lukrative Zinsspanne ausnutzen. Die Devise der Regierung muß somit lauten: den Banken die kapitale Gewinnsituation und kurz vor dem Platzen der maroden Schuldtitel den Verkauf an die EZB ermöglichen. So schafft man eine hinreichend große Nachfrage nach griechischen Schuldpapieren. Daß die EZB damit ihre Glaubwürdigkeit als Hüter der Währung verliert, spielt offensichtlich keine Rolle. Als letzter möglicher Retter des Euro fällt sie endgültig aus.

Foto: Griechischen Euro aufpolieren: Wie lange kann das EU-Finanzhilfsprogramm fortgesetzt werden?

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