© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/10 21. Mai 2010

Blutrote Hemden
Thailand: Der Konflikt zwischen Rot und Gelb ist der Kampf zweier kapitalkräftiger Machteliten um die Vorherrschaft im Land
Hinrich Rohbohm

Bambus-Barrikaden, brennende Autoreifen, Schüsse im Finanzdistrikt: Der Konflikt zwischen Gelbhemden und Rothemden hat bürgerkriegsähnliche Ausmaße erreicht. Seit März sind mehr als 60 Tote zu beklagen, Tausende wurden verletzt. Der Konflikt begann während der Regierungszeit von Thaksin Shinawatras und dessen Partei Thai Rak Thai (Thais lieben Thais). Der einstige Polizeioffizier wurde 2001 erstmals Premier und erlangte bei den Parlamentswahlen 2005 mit seiner Partei eine überwältigende Mehrheit von 60,7 Prozent.

Ein Umstand, den Thaksin offenbar für sich privat zu nutzen verstand. Denn als er Anfang 2006 seinen 1987 gegründeten IT-Konzern Shin Corporation an die Singapurer Temasek Holding verkaufte, ließ er durch seine Parlamentsmehrheit auch die Steuergesetze ändern. Es wurden Stimmen laut, nach denen das ungewöhnlich hohe Wahlergebnis für „Thai Rak Thai“ doch nicht ganz legal zustande gekommen sein soll.

In Bangkok formierten sich erste Proteste, die auf andere Städte übergriffen. Thaksin setzte Neuwahlen an, doch die Opposition traute dem Premier nicht, rief zum Wahlboykott auf, da die Wahlkommission von Thaksins Partei bestechlich gewesen sei. Die Wahl wurde vom Verfassungsgericht annulliert. Zur Neuwahl im Herbst 2006 kam es nicht mehr. Während Thaksin auf einer UN-Versammlung in New York weilte, putschte ihn das Militär am 19. September 2006 aus dem Amt.

Es war der Beginn eines bis heute andauernden und zunehmend brutaler geführten Machtkampfes zwischen Thaksin-Anhängern, den Rothemden, und seinen Gegnern, den Gelbhemden. Während Thaksin seine Unterstützer überwiegend im Norden Thailands hat, stammen seine Kritiker vor allem aus der Hauptstadt und dem Chao-Praya-Becken Zentral-Thailands.

Obwohl sich Thaksin seit dem Putsch im Exil befindet, ist sein Einfluß auf das Land nach wie vor spürbar. Seine neue People’s Power Party (PPP) wurde bei den vom Militär angesetzten Neuwahlen 2007 stärkste Kraft im Parlament. Als deren Vorsitzender Somchai Wongsawat, ein Schwager Thaksins, im September 2008 neuer Premierminister wurde, flammten die Unruhen erneut auf, die Gelbhemden der Partei Volksallianz für Demokratie (PAD) belagerten das Parlament. Sie besetzten den Flughafen Suvarnabhumi, bis zu 300.000 Touristen saßen tagelang fest.

Mit der Wahl von Abhisit Vejjajiva am 15. Dezember 2008 zum neuen Regierungschef gewannen die Gelbhemden wieder die Macht in Thailand. Und bald gingen die Rothemden erneut auf die Straße.

Doch der Konflikt zwischen Rot und Gelb ist keineswegs auf „Machtelite gegen arme, für Demokratie eintretende Bevölkerung“ zu reduzieren. Vielmehr ist es der Kampf zweier kapitalkräftiger Machteliten, die um die Vorherrschaft im Lande ringen und die Bevölkerung für ihre Zwecke instrumentalisieren. Die Tatsache, daß nicht wenige Thais für ihre Demonstrationsteilnahme Geld erhalten, ist nicht das einzige Indiz dafür.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen