© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/10 21. Mai 2010

Angriffskrieg auf den Euro
Die Macht der Hedge-Fonds: Konstruktionsmängel der EU-Währung begünstigen die gewinnbringende Arbeit der Devisenmarkt-Spekulanten
Michael Wiesberg

Seit einigen Tagen wird in den deutschen Medien ein Treffen von Hedge-Fonds-Managern kolportiert, über das das Wall Street Journal bereits im Februar des Jahres – zunächst ohne nennenswerte Resonanz – berichtete. Auf Einladung einer Investmentbank trafen sich Anfang Februar im New Yorker Stadtteil Manhattan Manager von SAC Capital Advisors, Soros Fund Management LLC, Greenlight Capital und Brigade Capital Management.

An Terminbörsen wurde auf den sinkenden Euro gewettet

Hinter diesen Hedge-Fonds stehen Namen wie Steven A. Cohen (SAC), der auch in Deutschland bestens bekannte Devisenmarkt-Spekulant und „Philanthrop“ George Soros, David Einhorn (Greenlight) oder Donald Morgan III (Brigade Capital). Einziges Thema des Manhattaner Treffens: der bevorstehende Fall des Euro. Einigkeit habe bei den Teilnehmern darüber bestanden, daß der Euro auf Dollar-Parität fallen werde. Seitdem bläst dem Euro „ein heftiger Gegenwind ins Gesicht“, wie es der Volkswirt Lothar Heßler von HSBC Trinkaus & Burkhardt ausdrückte. Instrument hierfür sind vor allem die Terminmärkte, auf denen mit sogenannten synthetischen Finanzprodukten, sprich (Devisen-)Derivaten, in Form von Optionen, (Währungs-)Swaps, Forwards und Futures, bei denen nur ein Teil des zugrunde liegenden Nominalwertes eingesetzt werden muß, erhebliche „Hebelwirkungen“ erzielt werden.

Diese „Hebelwirkungen“, so berichtete zum Beispiel Economy.One, machten sich Hedge-Fonds zunutze, die sie durch ihre Strategien überdies verstärkten. An Terminbörsen wie der Chicago Mercantile Exchange (CME) wurden in den letzten Wochen, so die Terminmarkt-Aufsichtsbehörde CFTC (Commodity Futures Trading Commission), rekordverdächtige Short-Positionen gegen den Euro aufgebaut, sprich: auf einen sinkenden Euro-Kurs gewettet.

Zur Erläuterung: Short-Positionen aufbauen heißt, einen Leerverkauf in Kassainstrumenten (Effekten, Devisen), Terminkontrakten oder Optionen zu tätigen. Die mit einer Short-Position verbundene Gewinn- oder auch Verlustmöglichkeit liegt in der möglichen (positiven oder negativen) Differenz zwischen Verkaufs- und Einstandskurs. Ein Instrument, mit dem „short“ gegangen werden kann, ist der Credit Default Swap (CDS); ein Kreditderivat, mit dem Ausfallrisiken von Krediten, Anleihen und Schuldnernamen gehandelt werden können. Hiermit sichern sich Anleger dagegen ab, daß ein Schuldner – wie zum Beispiel Griechenland – seine Anleihen nicht mehr bedienen kann. Der CDS kann allerdings auch für Spekulationszwecke eingesetzt werden: Kreditausfallversicherungen werden um so interessanter, je größer die Gefahr eines Staatsbankrotts wird.

Der immer wieder als „intransparent“ kritisierte Spekulationsmarkt für Kreditversicherungen, so schätzt zum Beispiel die US-Datensammelstelle Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC), beläuft sich derzeit auf etwa 2.100 Milliarden Dollar. Hauptakteure sind die großen Investment- oder Geschäftsbanken, darunter Goldman Sachs, J. P. Morgan oder Deutsche Bank. Dazu kommen Hedge-Fonds und Unternehmen, die Investitionen absichern wollen.

Mit Blick auf Griechenland stellte die DTCC laut Spiegel fest, daß sich der CDS-Handel für griechische Staatsanleihen gerade einmal auf acht Milliarden Dollar beläuft. Das ist bei einem Schuldenstand von 270 Milliarden Euro, der zuletzt für Griechenland genannt wurde, keineswegs ein ungewöhnliches Volumen. Fast verdoppelt habe sich hingegen der Handel mit griechischen CDS. Dieser stieg von 44 auf rund 79 Milliarden Dollar an, was nach Expertenmeinung aber nicht ausreiche, um den Markt für griechische Staatsanleihen zu manipulieren.

Dessen ungeachtet sieht der griechische Ministerpräsident Georgios Papandreou Griechenland einem verschwörerischen Werk von Spekulanten ausgesetzt. Den Hilfsfonds für sein Land bezeichnete er im „Krieg gegen die Spekulantenbanden“ als „Pistole, die auf dem Tisch liegt“. Diese martialischen Worte können indes nicht darüber hinwegtäuschen, daß das griechische Schuldenelend nicht das Werk von Spekulanten, sondern hausgemacht ist.

Etwas anders sieht es hingegen im Hinblick auf die Spekulation gegen den Euro aus. Hierzu stellte die US-Behörde CFTC fest, daß der Umfang des Handels mit Papieren, mit denen gegen den Euro spekuliert wird, innerhalb von vier Monaten von zirca 44 Millionen auf 120 Millionen Kontrakte angestiegen sei. Jochen Sanio, der amtierende Präsident der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), sprach deshalb vor dem Haushaltsausschuß des Bundestags von einem „Angriffskrieg“ auf den Euro-Wechselkurs, den die Spekulanten führten.

Sie verschießen Giftpfeile auf die EU-Wagenburg

 Ähnlich zugespitzt formulierte es Bundespräsident und Ex-IWF-Chef Horst Köhler laut Süddeutscher Zeitung: „Jetzt muß jedem verantwortlich Denkenden in der Branche selbst klargeworden sein, daß sich die internationalen Finanzmärkte zu einem Monster entwickelt haben, das in die Schranken gewiesen muß.“

Gegen ein derartiges „Monster“ wird auf Dauer auch das Rettungspaket nicht reichen, wie der Finanzexperte Frank Lehmann gegenüber dem Berliner Kurier unkte: „Die geben nicht auf, jetzt suchen sie erst recht jede kleine Schwachstelle in der von der EU aufgestellten Wagenburg, um weiter ihre Giftpfeile abzuschießen.“ Für diese Prognose spricht, daß der Euro, der vor allem auf politischen Entscheidungen zustande kam, schwere Konstruktionsmängel aufweist, die jetzt mehr und mehr offensichtlich werden.

Nicht zuletzt deshalb dürfte der Devisenspekulant Soros mitmischen, der bereits gegen das englische Pfund erfolgreich spekulierte und den Euro immer schon skeptisch beurteilte. Möglicherweise ist Soros’ Engagement auch eine Art „self-fulfilling prophecy“, erklärte er doch in seinem Buch „Die Krise des globalen Kapitalismus“ (dt. 2000): „Meine Voraussage für die Zukunft (...) lautet: ‘Das kapitalistische Weltsystem steht unmittelbar vor seiner Auflösung.’“

Parallel dazu konstatiert Soros, daß „Deregulierung und Globalisierung der Finanzmärkte Hand in Hand gingen“ und daß die „internationalen Regeln“ mit „der Globalisierung der Finanzmärkte einfach nicht Schritt gehalten haben“, wohl auch „weil der reflexive Charakter des Kreditwesens bislang kaum begriffen worden“ sei. Soros meint damit unter anderem sich „selbst verstärkende Prozesse auf den Finanzmärkten“, die selbstzerstörerisch wirkten und zu einem Aufstiegs-Krisen-Rhythmus führten. Den Glauben an Fundamentaldaten oder Gleichgewichtszustände hält er für trügerisch.

Möglicherweise aber hatte ein Vorgang viel größere Bedeutung für die Entwicklung der Finanzmärkte, der sich erst abzeichnete, als Soros sein Buch verfaßte: nämlich die Aufhebung der Beschränkungen des aus dem Jahre 1933 stammenden Glass-Steagall-Gesetzes in den USA (1999). Dieses Gesetz verankerte die gesetzliche Trennung der Aktivitäten von Geschäftsbanken und den Wall-Street-Investmentbanken. Institute waren gezwungen, sich entweder als Geschäftsbank für das klassische Einlagen- und Kreditgeschäft oder als Investmentbank für das Wertpapiergeschäft zu deklarieren.

Hauptziel dieses Gesetzes war es laut dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages (Nr. 5/2010), den „Eigenhandel der Geschäftsbanken zu unterbinden“, worunter der Handel mit Finanzinstrumenten wie Geld, Wertpapiere, Devisen und eben auch Derivaten verstanden wird, der im eigenen Namen sowie für eigene Rechnung der Bank ausgelöst wird und nicht durch ein Kundengeschäft. Geschäftsbanken, so der Hintergrund des Gesetzes, sollten nicht den Risiken des Investmentgeschäfts ausgesetzt werden, weil sie für die „Einlagen der breiten Öffentlichkeit“ verantwortlich sind.

Seit den 1960er Jahren haben sich US-Geschäfts- und Investmentbanken darum bemüht, diese Trennung zu durchbrechen, was dann im Jahr 1999 schließlich gelang. Was diese Aufhebung – die maßgeblich von dem ehemaligen Chef der Federal Reserve Bank, Alan Greenspan, unterstützt wurde – konkret bedeutete, faßte Robert Kuttner, Mitbegründer des Economic Policy Institute, vor einem Ausschuß des US-Kongresses zusammen: „Seit der Aufhebung des Glass-Steagall-Gesetzes im Jahre 1999 (...) ist es den Superbanken gelungen, die gleiche Art struktureller Interessenskonflikte zu schaffen, wie sie in den 1920er Jahren herrschten – Kreditvergabe an Spekulanten, Kredite bündeln und verbriefen und sie dann über Groß- und Einzelhandel weiterverkaufen und auf jeder Stufe dieses Prozesses Gebühren kassieren.“ US-Banken können sich seit 1999 an Hedge-Fonds und Private Equity beteiligen, sie besitzen oder finanzieren und Einzelhandelsgeschäfte auf eigenes Risiko eingehen.

Der Politologe und Journalist F. William Engdahl konstatiert in seinem 2009 erschienenen Buch „Der Untergang des Dollar-Imperiums“, in dem sich auch das Zitat von Robert Kuttner findet, im Hinblick auf die „neue Finanzwelt“: „Amerikas Banken sind jetzt nicht mehr kommerzielle Kreditinstitute, sondern Kredithändler, ja sogar Verbriefer. Die neue Idee bestand darin, den Banken zu erlauben, die Risiken aus ihren Bilanzen zu entfernen, indem sie die Kredite zusammenlegen und als Wertpapiere vermarkten konnten, während sie gleichzeitig Verzugsversicherungen, die Credit Default Swaps (CDS) (auf ihre eigenen Kredite) kaufen konnten, nachdem sie ihre Kredite für ihre Kunden zu einem Paket gebündelt hatten.“

Ende des kapitalistischen Wirtschaftssystems?

 Die Entwicklung, die daraufhin einsetzte, bescherte den Banken bis zum Ausbruch der Finanzkrise im September 2008 märchenhafte Gewinne. Bezeichnenderweise überlegt die Regierung jetzt („Remarks by the President on Financial Reform“, 21. Januar 2010), die Tätigkeitsbereiche der Investment- und Geschäftsbanken nach dem Vorbild des Glass-Steagall-Gesetzes wieder zu trennen.

Bankenvertreter haben diesem Vorstoß auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos indes eine deutliche Abfuhr erteilt. Sie wittern hier staatlichen Interventionismus und Protektionismus und argumentierten, das Trennbankensystem hätte die Finanzkrise nicht verhindert. Eine wirkliche Reform der Finanzmärkte, wie sie dieser Tage ständig angemahnt wird, ist deshalb wohl kaum zu erwarten. Möglicherweise bekommt George Soros doch noch recht mit seiner Prognose, das „kapitalistische Wirtschaftssystem“ stehe „unmittelbar vor seiner Auflösung“.

Foto: Verglühender Euro über „Mainhattan“: Was heute in Frankfurt zu spüren ist, wurde kurz zuvor an Terminbörsen in den USA ausgeheckt

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