© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/10 28. Mai 2010

Zeitschriftenkritik: Civitas
Hände weg vom Grundgesetz
Werner Olles

Herausgegeben von dem der Priesterbruderschaft St.Pius X. nahestehenden Civitas-Institut, erscheint Civitas – Untertitel: „Zeitschrift für das christliche Gemeinwesen“ – dreimal jährlich im Umfang von etwa 60 Seiten. Im Editorial der aktuellen Ausgabe weist Chefredakteur Rafael Hüntelmann auf den dritten Civitas-Kongreß Anfang Mai in Hattersheim und dessen Thema „Die rettende Menschwerdung Gottes und das Gemeinwohl“ hin. Voraussetzung für die Realisierung des Gemeinwohls sei, „daß es ein gemeinsames, gesellschaftlich tragendes Verständnis von dem gibt, was das Gemeinwohl einer Gesellschaft ist“. Doch könne es ein solches Verständnis nur geben, „wenn es ein alle Menschen verbindendes sittliches Gemeinwohl gibt“. Der Autor zitiert den Sozialethiker Arthur-Fridolin Utz, der bereits 1964 der liberalistischen Gesellschaft vorwarf, sie proklamiere „eine des Inhalts völlig entleerte Gewissens- und Religionsfreiheit“, die unfähig sei, ein solches sittliches Gesamtbewußtsein hervorzubringen. Tatsächlich kenne die moderne postindustrielle Gesellschaft „nur noch Einzel- oder Gruppeninteressen, die oft durch massive pressure groups ihre Interessen durchzusetzen versuchen, und dies nicht selten gegen die Interessen der Allgemeinheit“ (Hüntelmann).

Anregungen, wie das Problem des Gemeinwohls auf der Grundlage des deutschen Grundgesetzes gelöst werden kann, gibt auch der Beitrag von Heinz-Lothar Barth: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen – Die christliche Grundprägung unseres Staates in Theorie und Praxis“. Der Text beruht auf einem Vortrag auf dem II. Civitas-Kongreß 2009 in Bonn. Anlaß war das sechzigjährige Bestehen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, das im Jahre 1949 beschlossen wurde, und das Vorpreschen des SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering mit dem Vorschlag, nach Artikel 146 eine neue Verfassung zu entwerfen – eine Forderung, die auch von vielen konservativen Christen geteilt wurde. Sie hofften offenbar, durch eine andere Konstitution die christlichen Elemente quantitativ und qualitativ zu verstärken.

Barth betrachtet dieses Ansinnen hingegen „als utopisch und in der heutigen Lage als völlig aussichtslos.“ Eine Verfassungsdebatte wäre auf die Ablehnung eines klaren Gottesbezuges hinausgelaufen, wie dies bereits beim europäischen Verfassungsvertragswerk der Fall war. Zudem hatte die ehemalige Verfassungsgerichtspräsidentin Jutta Limbach dafür plädiert, den Artikel 6 des Grundgesetzes so zu ändern, daß alle Formen des Zusammenlebens vom Staat geschützt würden. Zwar wurde noch vermieden, sich für homosexuelle „Familien“ auf das Naturrecht zu berufen, doch der Weg hin zu einer neuen europagängigen Grundordnung mit weniger Freiheiten und mehr Eingriffsmöglichkeiten des Staates und supranationaler Instanzen schien bereits vorgezeichnet. Für den Autor kann das Fazit daher nur lauten: „Hände weg vom Grundgesetz, ein neues würde im christlichen Sinne sicherlich nicht besser!“

Anschrift: Civitas-Institut. Postfach 1541, 63133 Heusenstamm. Das Einzelheft kostet 9 Euro, das Jahresabo 25 Euro. Internet: www.civitas-institut.de

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