© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/10 28. Mai 2010

CD: Pop
Virtuosen
Georg Ginster

Am Anfang der Karriere von Kaki King stand die virtuose Beherrschung ihres Instruments, der Gitarre. Dank extravaganter Spielweisen wurde die Wahl-New-Yorkerin wie eine Zirkuskuriosität in Late-Night-Shows des amerikanischen Fernsehens zur Erbauung der Liebhaber angestrengten Postrocks herumgereicht.

Auch die leichtere Muse kam nicht zu kurz. David Grohl, in Urzeiten Angehöriger des Nirvana-Dreigestirns und heute mit den Foo Fighters verantwortlich für belangloses Spring-Break-Gedudel, zog sie für Produktionen heran und nahm sie mit auf Tourneen. Solo fühlte sich Kaki King jedoch zunächst zu Höherem berufen und verlegte sich auf die Veröffentlichung von Instrumentalstücken, zu der nur ein überschaubarer Kreis von Hörern einen Zugang fand. Alsbald jedoch wagte sie sich an den Gesang, gruppierte eine Band um sich herum und stieß in jenes Genre vor, das radiofähig ist, ohne daß man es deshalb aber allzu häufig im Radio zu hören bekäme, und daher mitunter auf den Begriff des „Indie-Pop“ gebracht wird. Nicht selten verweist man zur Unterscheidung vom sogenannten Mainstream auch auf eine willentliche Frohsinnsverweigerung, und so legt Kaki King Wert darauf, primär traurigen Stimmungen Ausdruck zu verleihen.

Die neueste CD, „Junior“ (Cookong Vinyl/Indigo), markiert die Vollendung dieses Wandlungsprozesses. Kaki King hat sich nicht dazu verleiten lassen, inmitten der unüberschaubar gewordenen Schwemme amerikanischer Singer-Songwriterinnen die Stimme zu erheben. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, mit einigen wenigen Liedern unter Beweis zu stellen, daß sie auch dieses Metier beherrscht. Die weiterhin für sie charakteristischen Instrumentalstücke sind eher als Soundtracks zu imaginären Filmsequenzen denn als avantgardistisches Ausloten von Möglichkeiten zu charakterisieren. Dominanz geht jedoch in erster Linie von jenen Songs aus, in denen ganz unprätentiös Rockmusik geboten wird und die arrivierte Gitarrenkunst zurücktritt. Das Rad hat Kaki King hier nicht neu erfunden, man fühlt sich etwas an die Charlatans vor knapp zwanzig Jahren erinnert, ohne daß dieser Sound heute noch einzufangen oder zu elektrisieren verstünde.

Nimmt Kaki King sich zurück und bleibt damit unter ihren Möglichkeiten, so möchte Elizabeth Heaton mit ihrer Band Midas Fall offenbar über sich hinaus gehen. Zugegeben, sie hat eine gute, vielleicht sogar wiedererkennbare Stimme. Damit steht sie aber in den Weiten des Musikmarkts beileibe nicht allein. Anstatt ihr Talent profan zu verwerten, scheint sie von dem Verlangen getragen, auch noch die ganz großen Gefühle zum Ausdruck zu bringen. So läßt „Eleven. Return and Revert“ (Monotreme Records), der Erstling von Midas Fall, zwar eine gewisse Virtuosität im Genre des ausladenden und schwermütigen Gitarrenrock erkennen. Doch ausgerechnet das Alleinstellungsmerkmal einer weiblichen Stimme, die voller Pathos ein Metaphernfeuerwerk entfacht, sorgt für eine Eintönigkeit, die die tatsächliche Vielfalt der Musik in den Hintergrund treten läßt.

Wer aus dem Baukasten Leidenschaft oder gar Mystik fabrizieren möchte, muß schon das Format einer Madonna mitbringen. Seit „Ray of Light“ sind alle sich in Pose werfenden Elfen des Milieus, das sich auf Gotik-Maskenbällen herumtreibt, entzaubert.

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