© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/10 28. Mai 2010

Seelische Prothesen
Eine Berliner Ausstellung präsentiert die Mächtigen in feinem Zwirn vor ihrem Kunstbesitz
Fabian Schmidt-Ahmad

Macht zeigen. Kunst als Herrschaftsstrategie“ – dieser Titel der Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin läßt unwillkürlich an Architektur denken: barocke Prachtbauten mit ihren Sichtachsen, überhaupt die räumliche Organisation der Masse im Totalitarismus. Doch hier wird die weniger spektakuläre Verwendung von Malerei, Grafik und Bildhauerei als Statussymbol für die Mächtigen aus Politik und Wirtschaft dargestellt. Das Schwergewicht liegt auf den letzten zehn Jahren.

Die Arbeiten, oftmals das Mittelmaß nicht überschreitend, werden hauptsächlich in Büros und öffentlichen Räumen gezeigt und sollen eine Aura elitärer Erhebung schaffen. Optisch ausbalanciert präsentieren sich die Porträtierten im feinen Zwirn vor ihrem Kunstbesitz – wobei häufig gerade bei Bankern nicht klar ist, ob sie diesen als Werbung oder doch als Kapitalanlage betrachten. Nur einem Hermann Josef Abs glaubt man den feinen Kunstsinn sofort.

Die Ausstellung hat der Kunstwissenschaftler Wolfgang Ullrich kuratiert. Sie stützt sich wesentlich auf sein Buch „Mit dem Rücken zur Kunst. Die neuen Statussymbole der Macht“. Leider wirkt die Schau stellenweise orientierungslos. Daß Originale und Reproduktionen durcheinandergemengt werden, bessert den Gesamteindruck nicht unbedingt.

Eingeleitet wird die Ausstellung durch historische Vorläufer in Renaissance und Barock, wo Herrscher neben dem kompositorisch festgelegten Typus des Repräsentationsporträts auch mit der eigenen Sonderposition als Sammler und Kunstliebhaber kokettierten. Vieles ist gezielt romantisiert worden. So läßt Friedrich Kaulbach König Ludwig I. von Bayern vom Thron steigen, um die von Künstlern ihm dargebrachten Kunstwerke entgegenzunehmen.

Parallel dazu überreicht heute, als scheinbare Belanglosigkeit fotographisch perfekt inszeniert, FDP-Chef Guido Westerwelle in Schlips und Anzug dem schlampig wirkenden Aktionskünstler Jonathan Meese eine Schachtel, die dieser unter dem Jubel des modernen Hofstaats öffnet. Ein kommentierender Satz auf dem Passepartout lautet: „Die Politik muß ihre Menschenmacht in Demut der Kunst übergeben, total“ – ein Spruch so leer wie die Schachtel.

Unvermeidlich natürlich Hermann Göring, der sich in Carinhall die protzig überladene Welt eines kleinen absolutistischen Fürsten herbeiträumte: eine Großmannssucht, die ihm auch  heimlichen Spott einbrachte. Adolf Hitler hingegen ließ sich von Fritz Erler in brauner Uniform mit Hakenkreuzbinde, gewaltig überhöht, mit den Insignien eines schaffenden Bildhauers darstellen, der er nie war – der Hobby-Maler als Meißler des deutschen Volkes.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen in Westdeutschland Macht und Kunst einander erst einmal aus dem Wege. Oskar Kokoschka oder Bernhard Heisig malten die offiziellen Porträts, nichts Spektakuläres, aber solide Arbeiten. Noch die Diensträume eines Helmut Kohls vermitteln eher persönlich-familiäre Werte, als daß sie repräsentativ wirken sollen. Ludwig Erhards ausgestellter Schreibtischstuhl, 1948 von Finn Juhl geschaffen, signalisiert vor allem eins: Hier hat auch ein Dicker Platz.

Spätestens mit Gerhard Schröder betrat ein Politiker neuen Typs die Bühne. Innerlich bis zur Indifferenz verflacht, kompensiert dieser das Manko durch immer grellere Selbstdarstellung. Deutlich wird dieser Bruch bei den Kanzlerporträts im Kanzleramt. Nachdem seit Konrad Adenauer eine Summe konventioneller Arbeiten entstanden war, inszenierte Jörg Immendorf seinen Freund Schröder als riesige, golddurchwirkte Ausnahmeerscheinung. Zeitgenössische, oft großformatige Arbeiten werden jetzt dominant. Auch die Perspektive der Untersicht kehrt wieder zurück, der alte Malertrick des Herrscherporträts.

Doch trotz dieses nach Aufmerksamkeit heischenden Geltungsdrangs verflachen die Dargestellten zu Hüllenwesen, bloße Produkte einer Parteimaschine. Ein Schröder läßt sich in seiner inszenierten Eitelkeit problemlos durch einen Klaus Wowereit austauschen. Übertroffen wird dieser Narzißmus nur durch Westerwelles Beliebigkeit, wie er strahlend Ottomar Hörls platte Gartenzwerge – Nichts sehen, nichts hören –  hochhält oder vor dem Bild zwei blonder, spärlich bekleideter Jünglinge von Norbert Bisky mit gesenktem Kopf auf dem Boden hockt.

Wie kann Angela Merkel angesichts dieses Jahrmarkts der Eitelkeiten noch auftrumpfen? Anläßlich eines Opernballs in Oslo vor zwei Jahren hatte sie ja bereits ihr Dekolleté erfolgreich als Brüste des Sozialstaats in Szene gesetzt. Was wird wohl als nächstes zum Vorschein kommen? In den Asservatenkammern deutscher Museen schlummern genug Anregungen, was Parteikrüppel als seelische Prothese gebrauchen können. Vielleicht wieder etwas Sozialistischer Realismus?

Die Ausstellung „Macht zeigen“ ist noch bis zum 13. Juni im Deutschen Historischen Museum in Berlin täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen.

Der Katalog zur Ausstellung (244 Seiten und ca. 330 Abbildungen) kostet 24 Euro.

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