© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/10 28. Mai 2010

„An Liberalismus gehen Völker zugrunde“
Eine Annäherung an den jungkonservativen Programmatiker Arthur Moeller van den Bruck
Marcel Brand

Es sah nicht nach einem Bilanzsuizid aus, als sich Arthur Moeller van den Bruck am 30. Mai 1925 in einer, wie es damals unverblümt hieß, Berliner Irrenanstalt das Leben nahm. Schließlich war dem knapp Fünfzigjährigen erst 1923 mit locker gefügten Reflexionen über „Das dritte Reich“ ein außerordentlicher Erfolg gelungen. Der schlug sich zwar weniger in den Absatzzahlen nieder – obwohl 1926 bereits eine zweite Auflage fällig war – als im Zugewinn symbolischen Kapitals, in der Festigung von Moellers herausragender Stellung als führender Programmatiker jener „jungkonservativen“ Bewegung, die „im Kampf mit Weimar–Genf–Versailles“ die „Positionen und Begriffe“ (Carl Schmitt) zu besetzen versuchte.

Moellers gräßliches Ende in der Nervenheilanstalt, nur Wochen nach der im rechten Lager mit großen Hoffnungen auf eine „Wende“ fort von „Schwarz-Rot-Senf“ begrüßten Wahl des Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg zum zweiten Reichspräsidenten der Weimarer Republik, ist also politisch kaum zu motivieren. Und doch haben die persönlichen Umstände, Moellers schwerer Alkoholismus, in ihrer psychotischen und dann letalen Konsequenz eine politische Dimension. Ohne daß es ihm vielleicht selbst bewußt war, hatte sich einer der brillantesten Ideengeber der Konservativen Revolution intellektuell verausgabt.

Schon „Das dritte Reich“ barg viel Redundantes, kaum etwas, was man nicht in des Autors rauschhafter Produktion im Schatten der russischen wie der deutschen Revolution 1917/18 findet: überall die Kraft zur Analyse bei auffälligem Mangel an konstruktiver Phantasie. So seziert er den Hauptfeind, den Liberalismus und dessen fragile, krisenanfällige gesellschaftlich-ökonomische Ordnung, virtuos mit dem Pathologenmesser. „An Liberalismus gehen die Völker zugrunde“, lautet Moel­lers monotone Beschwörungsformel. Realistische Alternativen zum liberal-kapitalistischen „System“ Weimars und des „Westens“ sind hingegen bestenfalls schemenhaft erkennbar.

Für die Nachwirkung des politischen Denkers Moeller van den Bruck war dieses dem gesamten „Jungkonservatismus“ eigene Unvermögen zur Synthese fatal. Bis 1933 beschränkte sich nämlich auch die stattliche Zahl der Moeller-Adepten, die wie Hans Schwarz gerade unter Studenten auf große Resonanz stießen, eher auf die Analyse des chronisch kriselnden Liberalismus. Nach 1933 fiel es dann leicht, den „elitären“ und zu „theoretischen“ Moeller als „Vorläufer“ des Nationalsozialismus aus der Galerie ideologischer Ahnen zu streichen. Und nach 1945 störte er die Bundesdeutschen auf ihrem „Weg nach Westen“ sowieso. Kein Wunder, daß bis heute keine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Gesamtdarstellung zu Leben und Werk vorliegt, obwohl der Straßburger Germanist Denis Goeldel mit seiner freilich nur in französischer Sprache greifbaren Dissertation über den „nationaliste contre la révolution“ (1984) dazu einen wertvollen Beitrag geleistet hat.

Das Buch von Sebastian Maaß, das den KR-Exponenten im Umfeld einiger Mitarbeiter des „Ring“-Kreises (Heinrich von Gleichen, Eduard Stadtler, Martin Spahn, Max Hildebert Boehm, Heinz Brauweiler, Walther Schotte) präsentiert, erhebt natürlich nicht den Anspruch („zur Einführung“), diese schmerzliche Forschungslücke zu schließen. Für den interessierten Laien mag es reichen, obwohl einiges selbst für derart reduzierte Erwartungen zu knapp gerät. Was soll man von den einleitenden drei Seiten über Friedrich Nietzsche halten, die dessen Bedeutung für Moeller aufzeigen wollen und dafür nur fünf Zitate benötigen, darunter vier aus Ernst Noltes Nietzsche-Buch, mithin aus zweiter Hand? Zwei Seiten zu Moellers „Rassebegriff“, ebenso kümmerliche zwei über die werbewirksame Formel vom „dritten Reich“, nicht einmal zwei zur „Ostorientierung“ mit dem nackten wie sinnlosen Hinweis auf den „großen Einfluß“ Dostojewskis – das ist definitiv zu wenig.

Wenn Maaß dann auch nicht dem Hinweis Armin Mohlers folgt, der „Politiker“ Moeller lasse sich ohne den „Ästheten“ nicht verstehen, wenn also „Die italienische Schönheit“ – Theodor Däubler, „dem Dichter des Mittelmeeres“ gewidmet – und „Der preußische Stil“, von ihm ignoriert werden, läuft das Unternehmen offenkundig auf dem falschen Gleis. Zudem erschöpft sich die „Deutung“ des „Reich“-Buches zu allem Unglück in der bloßen Nacherzählung des Inhalts. Maaß, Jahrgang 1981, der gleichzeitig Arbeiten über Edgar Julius Jung (JF 10/10) und – nicht gerade ein Leichtgewicht – Othmar Spann in Angriff nahm, scheint die Tiefe des Themas doch etwas überschätzt zu haben. 

Sebastian Maaß: Kämpfer um ein Drittes Reich. Arthur Moeller van den Bruck und sein Kreis. Regin-Verlag, Kiel 2010, broschiert, 174 Seiten, Abbildungen, 18,95 Euro

Foto: Arthur Moeller van den Bruck: Gegen die fragile, krisenanfällige gesellschaftlich-ökonomische Ordnung des Liberalismus

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